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Politik in Sachsen – Die Morgenlage

Dulig kritisiert Kretschmer für Alleingang +++ neue Corona-Regeln +++ AfD spricht über Freie Sachsen +++ Abgeordnete gegen sportlichen Olympia-Boykott

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Ärger in der sächsischen Regierungskoalition: Vize-Regierungschef Martin Dulig kritisiert Ministerpräsident Michael Kretschmer für einen Alleingang.
Ärger in der sächsischen Regierungskoalition: Vize-Regierungschef Martin Dulig kritisiert Ministerpräsident Michael Kretschmer für einen Alleingang. © ronaldbonss.com

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Guten Morgen,

selten ist Sachsen so holprig in eine neue Corona-Verordnung "hineingestolpert" wie in diesen Tagen. Dabei hat dieses mühsame Vorankommen Ende der vergangenen Woche ein paar Stunden lang sogar für eine nicht unerhebliche Schieflage des auch sonst nicht gerade friedliebenden, stets ausgeglichen-konstruktiven Koalitionsfriedens gesorgt. Man war sich mal wieder nicht ganz einig. Auch nichts Neues. Zugegeben, für interessierte Beobachter hat das trotz allem immer wieder noch einen gewissen Unterhaltungswert.
Nicht dass man in dem auch intern eher ungeliebtem Dreier-Bündnis von CDU, Grünen und SPD sich nicht immer gleich und völlig über alles einig sein müsste. Doch: Zumindest in den vielleicht schwierigsten Wochen der Corona-Pandemie, wenn Omikron quasi bereits hörbar an die Landes-Tür klopft, könnte Sachsens Regierung und Verwaltung doch irgendwie ein bisschen souveräner und vor allem kommunikativ-klarer in Angriff nehmen und erläutern, wohin die Virus-Reise geht, als es seit Tagen nach Außen sicht- und hörbar wird.

Betonten am Donnerstagvormittag noch Grüne und SPD - inhaltlich sehr zurückhaltend - , dass man eben noch keine abschließende Einigung in allen Fragen des künftigen Corona-Kurses erzielt habe und sich daher nobel-schweigsam innerlich auf die letzten Diskussionsrunden mit den Koalitionspartnern vertagt habe, platzte ausgerechnet Regierungschef Michael Kretschmer am späten Donnerstagnachmittag völlig überraschend - auch für die eigenen CDU-Parteifreunde - mit seiner Sicht der Dinge heraus. Kurzum: Er "überfuhr" mal eben seine Koalitionspartner.

Darf er. Keine Frage. Darum heißt er ja auch Regierungschef, weil er der Chef ist. Doch ob das undiplomatisch-unglückliche politische Vorgehen tatsächlich Punkte bringt, ist mehr als ungewiss. Man kann es eben nie allen recht machen. Sicher, man kann es versuchen. Aber wer es allen rechtmachen will, macht es meistens niemandem recht. Sicher ist nur: Auf die Dauer macht so etwas recht einsam.

Ich wünsche Ihnen eine gute Woche,

herzlichst,

Ihre Annette Binninger, Leiterin Politikredaktion sächsische.de

Die wichtigsten News am Morgen

+++ Dulig kritisiert Kretschmer für Alleingang +++

Sachsens Vize-Ministerpräsident Martin Dulig (SPD) hat das Vorpreschen von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) bei der Erstellung der nächsten Corona-Schutzverordnung des Freistaats kritisiert. "Das waren unabgestimmte Botschaften, die ein falsches Signal ins Land gegeben haben", so Dulig. "Es ist keine vertrauensbildende Maßnahme, wenn man aus der Presse erfährt, worauf man sich am nächsten Tag angeblich geeinigt hat." Es habe in der entscheidenden Koalitionsrunde von CDU, Grünen und SPD am Freitag "richtig Ärger" gegeben, nachdem Kretschmer am Donnerstagnachmittag wenige Stunden vor den angesetzten Einigungsrunden mit Grünen und SPD im Alleingang an die Öffentlichkeit mit seinen Überlegungen gegangen sei. Dulig warnte vor "enttäuschten Hoffnungen".

+++ Sachsen kündigt neue Corona-Regeln an +++

Sachsens Landesregierung will die Corona-Regeln lockern. Die neue Verordnung soll am Mittwoch beschlossen werden. "In einem Rechtsstaat kann man nicht alles für immer schließen", sagte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) bei der Vorstellung der neuen Regeln am Freitag in Dresden. Zuvor hatte es einen Bund-Länder-Gipfel mit überraschenden Rollenverteilungen gegeben. Zugleich sagte Kretschmer auch: "Sachsen geht auf Nummer sicher". Sächsische.de fasst die neuen Regeln zusammen. Hier in Kurzform:

Unabhängig von Inzidenz/Bettenbelegung gilt:

- Anhebung der Personengrenze für ortsfeste Versammlungen auf 200 Menschen
- Zugang zu gastronomischen Einrichtungen nur mit 2G-Plus
- Die Altersgrenze für außerschulische Aktivitäten wird auf 18 angehoben.
- Körpernahe Dienstleistungen sollen mit 2G möglich sein, Friseurbesuche mit 3G.

Bei Unterschreiten der Überlastungsstufe (420 Betten auf ITS und 1.300 Betten auf Normalstationen) und Inzidenz von weniger als 1.500 in Großstädten und Landkreisen gilt:

- Versammlungen mit bis zu 1.000 Menschen
- Dienstleistungen, wie Reisebüros oder Versicherungen, sind mit 2G möglich
- Gastronomie darf mit 2G-plus bis 22 Uhr öffnen, Kultur- und Freizeiteinrichtungen wie Kinos, Theater oder Sport mit 2G-plus und 50 Prozent der Besucherkapazität
- Messen mit 2G-plus
- Sport außen, auch Skisport, mit 2G und innen mit 2G-Plus
- Für Beherbergungen sowie touristische Bus- und Bahnfahrten gilt 2G-Plus
- Kunst, Musik- und Tanzschulen können mit 2G öffnen

+++ AfD beschäftigt sich mit Freien Sachsen +++

Der Bundesvorstand der AfD wird sich bei seiner heutigen Telefonkonferenz auch mit der Haltung der Partei zu den Freien Sachsen befassen. Der Umgang mit der Kleinstpartei stehe auf der Tagesordnung, sagte ein AfD-Sprecher am Freitag auf Anfrage in Berlin. Offen ist, ob es zu einem Unvereinbarkeitsbeschluss kommt. Zuletzt hatte die AfD betont, dass Bundeschef Tino Chrupalla keine pauschale Distanzierung von den Freien Sachsen erwirken wolle. Der MDR hatte berichtet, dass sich die sächsische AfD nicht von den Freien Sachsen distanziert, die Bewegung aber als "Scheinriese" bezeichnet.

Derweil hat sich der Gründer der Freien Sachsen, Martin Kohlmann, zu den Zielen der Partei geäußert. Am Wochenende zitierte die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Kohlmann mit den Worten: "Wir wollen grundsätzlich etwas anderes als nur wieder in die Kneipe oder die Läden zu dürfen". So strebe seine Partei den Austritt Sachsens aus der Bundesrepublik an. Anschließend solle der Freistaat seine eigene Politik machen, in der auch das ehemalige Königshaus wieder eine große Rolle spielen müsse. "Das Maß an Freiheit", so wird Kohlmann in der Zeitung weiter zitiert, "war im Königreich größer als heutzutage".

+++ Gericht erlaubt mehr Teilnehmer bei Demo +++

Unter dem Motto "Haltung zeigen" haben am Sonnabend rund 3.500 Menschen auf dem Dresdner Neumarkt Kerzen abgestellt. Die Aktion richtete sich gegen die sogenannten "Querdenker", gegen Corona-Leugner und Impfgegner und sollte gleichzeitig eine Möglichkeit bieten, der bislang etwa 1.500 verstorbenen Corona-Patienten in Dresden zu gedenken. Initiatorin Annalena Schmidt zog am Abend bereits ein Zwischenfazit: "Wir sind überwältigt davon, was unter Corona-Bedingungen doch möglich ist", sagte sie. Außerdem sei sie "unglaublich zufrieden" mit der Resonanz, die es schon im Vorfeld - unter anderem auf eine Unterschriftenaktion - gegeben habe.

Derweil sind für heute Abend in ganz Sachsen erneut etliche Corona-Proteste angekündigt. Nach einem Gerichtsurteil vom Freitag dürfen in Görlitz bis zu 100 Menschen demonstrieren statt der bislang erlaubten zehn - mit strengen Auflagen. Der Anmelder ließ sich vor Gericht vom Chef der "Freien Sachsen" vertreten. Indes hat sich der frühere Görlitzer Oberbürgermeister, Matthias Lechner, in die Debatte um Corona-Proteste eingeschaltet. In einem Beitrag im "Niederschlesischen Kurier" malt er ein Bild von den Polizeieinsätzen in Görlitz, das schlimmer sei als im Herbst 1989.

+++ Debatte um Olympia-Boykott: Lehmann für Spiele immer am gleichen Ort +++

Der Leipziger Olympiasieger und CDU-Abgeordnete im Bundestag, Jens Lehmann, und seine Leipziger Parlaments-Kollegin Paula Piechotta (Grüne) sind dafür, dass hohe politische Würdenträger aus Deutschland den Olympischen Winterspielen in Peking fernbleiben. Das sagen beide im Podcast-Gespräch von sächsische.de. Von einem auch sportlichen Boykott halten sowohl Piechotta als auch Lehmann hingegen nichts. Sie sei davon überzeugt, "dass man solche politischen Konflikte nicht auf Sportlerinnen und Sportlern abladen kann", so Piechotta. Lehmann kann sich vorstellen, dass die Olympischen Sommerspiele künftig immer am gleichen Ort stattfinden, zum Beispiel in Athen.

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