Sachsen
Merken

Politik in Sachsen – Die Morgenlage

Lieferung schwerer Waffen: Kretschmer in der Kritik + Dresdner OB-Wahl: Hilbert gesteht Fehler ein + Neuer Innenminister will Polizei ausbauen

 6 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer steht wegen seiner Haltung zur Lieferung schwerer Waffen in der Kritik - auch in der eigenen Partei.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer steht wegen seiner Haltung zur Lieferung schwerer Waffen in der Kritik - auch in der eigenen Partei. © Matthias Rietschel

"Politik in Sachsen - Die Morgenlage" als E-Mail-Newsletter - hier kostenlos anmelden

Guten Morgen,

wenn die "Mehrheitsmeinung" ausschlaggebend gewesen wäre, dann hätte es nie einen Kanzlerkandidaten namens Armin Laschet gegeben. Denn in jeder Umfrage lag er souverän hinten. Wer weiß - hätte man damals auf die Mehrheitsmeinung gehört - wer dann Bundeskanzler geworden wäre und was Olaf Scholz heute für ein Amt bekleiden würde. Und ob Friedrich Merz dann wohl ein Foto von sich aus dem Schlafwagen eines Zuges nach Kiew getwittert hätte. Hätte, hätte Fahrradkette, hat einmal ein SPD-Politiker allzu ausufernde Gedanken- und Zukunftsspiele zügig vom Tisch gewischt.

Ähnlich entschlossen sollten Politiker besser mit der angenommenen, veröffentlichten oder auch nur möglichen "Mehrheitsmeinung" umgehen. Das möchte man auch Ministerpräsident Michael Kretschmer zurufen, der gestern erneut die "Mehrheitsmeinung" strapazierte.

Man möchte sogar warnend hinzufügen: besonders in Sachsen kann die "Mehrheitsmeinung" auch mal tückisch sein. Häufig ist sie jedenfalls kein guter Ratgeber. Zudem würde es voraussetzen, dass die Mehrheit immer im Recht ist. Oder die Politik sich immer nur nach der Mehrheit ausrichten sollte.

Politik braucht zuerst sachliche Abwägung, einen lustvollen Diskurs, klare Spielregeln sowie demokratische Entscheidungen - und immer auch eine klare Position und Haltung, die einen Wiedererkennungswert braucht, der weit über 24 Stunden hinausgehen sollte. Sonst wird die Mehrheitsmeinung damit sicher ein Problem haben. Ganz sicher sogar.

Herzlichst,

Ihre Annette Binninger, Leiterin Politikredaktion sächsische.de

Die wichtigsten News am Morgen

+++ Lieferung schwerer Waffen: Umfragen widerlegen Kretschmer +++

Ein Offener Brief an Kanzler Olaf Scholz (SPD) kritisiert die Lieferungen deutscher Waffen an die Ukraine. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sieht darin die "Mehrheitsmeinung" - ein Irrtum, wie aktuelle Umfragedaten von Civey zeigen. Aktuell würden 47 Prozent der Bundesbürger das Senden schwerer Rüstungsgüter unterstützen, 45 Prozent hielten das für falsch, acht Prozent zeigen sich in der Frage "unentschieden". Zur Wahrheit gehört jedoch auch, dass die Zustimmung für die Lieferung schwerer Waffen sinkt. Noch vor drei Wochen sagten in einer ähnlichen Umfrage noch etwas mehr als die Hälfte der Deutschen (53 Prozent), für Rüstungshilfen zu sein. Recht hätte Kretschmer aber, wenn für die "Mehrheitsmeinung" in Deutschland lediglich die sächsische stünde. Es zeigt sich hier ein deutliches Meinungsbild.

Derweil wird Kretschmer für seine Zustimmung zum Offenen Brief kritisiert - auch in der eigenen Partei. So distanzierte sich die sächsische Landesgruppe der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag von Kretschmer. SPD-Landeschef Henning Homann erklärte via Twitter: "Kretschmer spricht nicht für die Koalition in Sachsen. Er ist CDU-Bundesvize und greift so vor allem seinen Vorsitzenden Merz frontal an". Dies sei vor allem ein Problem für Merz und Kretschmer. "Und es nicht gut für Sachsen", so Homann. Kritik kam auch von den Grünen, Linke und AfD sympathisieren hingegen mit den Unterzeichnern. Am Abend bekräftigte Kretschmer seine Position. Auch der Tagesspiegel und die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichten.

Was also ist von dem offenen Brief zu halten? In zwei Essays setzen sich die Sächsische.de-Reporter Oliver Reinhard und Marcus Thielking damit auseinander. Der eine meint: "Diverse Passagen des Offenen Briefes bleiben schwer verständlich und verdaulich." Der andere schreibt: "Wer Meinungsvielfalt und Kritik unterdrückt, macht sich nicht stark, sondern schwach." Alle aktuellen Entwicklungen im Ukraine-Krieg gibt es in unserem Newsblog.

+++ 3.000 Ukrainer wollen in Sachsen studieren +++

Die Zahl geflüchteter Kinder und Jugendlicher aus der Ukraine ist in den sächsischen Schulen deutlich gestiegen. Den am Dienstag veröffentlichten Zahlen der Kultusministerkonferenz (KMK) zufolge wurden im Vergleich zur Vorwoche im Freistaat 549 weitere von ihnen aufgenommen. Sachsen hat demnach bisher 6.366 geflüchtete Kinder und Jugendliche aufgenommen. 4.777 von ihnen werden bereits im Freistaat unterrichtet, 527 mehr als in der Woche zuvor. Die Leipziger Volkszeitung berichtet.

Derweil haben bisher auch 3.150 Ukraine-Flüchtlinge Interesse an einem Studium in Sachsen angemeldet. 1.650 von ihnen wollen neu beginnen, 1.500 wollen ihr in der Ukraine gestartetes Studium fortsetzen, gab das Wissenschaftsministerium am Dienstag bekannt. Besonders gefragt sind bei Ukraine-Flüchtlingen Studienfächer in den Naturwissenschaften, Medizin, Wirtschaftswissenschaften, Ingenieurwissenschaften und Informatik. Nach Angaben von Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (CDU) ist die Sprachbarriere jedoch erheblich. "Deutsch sprechen die wenigsten und selbst Englisch ist nicht besonders ausgeprägt", sagte der Minister. Es gebe aktuell 600 Bewerber für Sprachkurse, aber nur eine Kapazität von 520 Plätzen. Das Problem sei weniger die Finanzierung dieser Kurse als vielmehr die Suche nach Lehrern. Sächsische.de hat mit einer jungen Ukrainerin gesprochen, die bereits in der Ukraine Deutsch gelernt hat und seit ein paar Wochen an der TU Dresden studiert.

+++ Hilbert: "Mist, dass da ein Fehler passiert ist" +++

Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) hat erstmals über die Hängepartie um seine erneute Kandidatur für die Wahl im Juni gesprochen. "Der erste Gedanke? Mist, dass da ein Fehler passiert ist!", sagt er im Interview mit sächsische.de. Er verweist auf die ehrenamtlichen Strukturen des Vereins, für den Hilbert offiziell antritt. "Dort gibt es keine riesige Rechtsabteilung, dabei können Fehler passieren. Das ist menschlich." Mögliche rechtliche Schritte der Konkurrenten fürchtet Hilbert jedoch nicht. "Ich sehe momentan keine Gefährdung, weder für die Kandidatur noch für die Amtsausübung. Die Landesdirektion hatte ja klar abgewogen, ob bei der Nominierung ein Schaden entstanden ist."

+++ Neuer Innenminister will Polizei ausbauen +++

Sachsens neuer Innenminister Armin Schuster (CDU) will die Polizei im Freistaat stringent ausbauen. Bei einer Regionalkonferenz der sächsischen Union in Wilsdruff sagte er am Dienstagabend: "Ich will eine starke Polizei, ich will einen starken Verfassungsschutz - so wie der Name Freistaat Sachsen stark ist." Zur Stärke gehöre es, dass man Polizeieinsätze wie am vergangenen Wochenende auch mal weitgehend alleine beherrschen kann, ohne Polizisten aus ganz Deutschland herbeizuholen. Bei der Personalstärke der Polizei dürfe nicht die Einwohnerzahl Maßstab sein, sondern die kriminalgeografische Belastung Sachsens mit einer Grenze von 500 Kilometer Länge. Sachsen habe eine Reihe von Sondereffekten, die eines "stetigen Aufwuchses" der Polizei bedürfen. Die Zielmarke von mittelfristig 15.000 Polizisten sei kontinuierlich zu steigern. Verfolgungsdruck könne man nur mit Personal erzeugen. Auch für den Katastrophenschutz nannte Schuster Ziele.


Der Newsletter "Politik in Sachsen"

© Screenshot

>> Noch mehr News, die Titelseiten-Übersicht aller sächsischen Zeitungen und die Terminvorschau gibt es in der Komplettversion der "Morgenlage" jeden Morgen 5 Uhr bequem als E-Mail-Newsletter. Interesse? Dann hier kostenlos den Newsletter bestellen. <<