Käbschütztal/Ebersbach. Freitagvormittag am Norma in Krögis. Zwei Männer laden Waren von einem Lkw ab. "Hast du schon gehört, die haben hier mehr als 2.900 Corona-Fälle", fragt der Fahrer seinen Helfer. Da staunt der Laie, und der Fachmann wundert sich. Wie kann das sein? Die gesamte Gemeinde hat doch nur 2.738 Einwohner.
Da hat wohl jemand die Zahl der Infizierten mit dem sogenannten Inzidenzwert verwechselt. Das ist die Infiziertenzahl innerhalb von sieben Tagen, hochgerechnet auf 100.000 Einwohner. Und da ist die Gemeinde Käbschütztal mit 2.922 tatsächlich einsamer Spitzenreiter in ganz Sachsen. Aktuell infiziert sind aber 102 Frauen, Männer und Kinder. Das sind drei mehr als am Donnerstag. Insgesamt gelten derzeit also 3,65 Prozent der Einwohner von Käbschütztal als mit dem Coronavirus infiziert.
In Sachsen beträgt der Inzidenzwert durchschnittlich 415, angestrebt wird ein Wert von weniger als 50. Der hohe Wert in Käbschütztal sorgt deutschlandweit für Schlagzeilen. Bürgermeister Uwe Klingor (CDU) ist ein gefragter Mann. Nach dem Mitteldeutschen Rundfunk hat nun auch das ZDF wegen eines Interviews angefragt.

Bürgermeister: Menschen sind sehr diszipliniert
Erklärungen hat Klingor aber auch nicht. In der Gemeinde mit ihren 37 Ortsteilen gibt es weder ein Altenheim noch ein Krankenhaus, ja nicht mal eine Gaststätte, auch kein Schwimmbad, keine Sauna, kein Fitnessstudio. Selbst die Sporthalle der Schule in Krögis, die ohnehin geschlossen wäre, kann wegen Sanierungsarbeiten derzeit nicht genutzt werden. Die einzige Einkaufsmöglichkeit befindet sich in Krögis mit dem Norma und einigen kleinen Geschäften. "Ich habe beobachtet, dass sich die Menschen beim Einkaufen sehr diszipliniert verhalten haben. Alle trugen eine Maske, auch die jungen Leute", so Klingor.
Er vermutet, dass die Ansteckungen in den Familien passiert, das Virus von den Arbeitsstellen eingeschleppt wird. "Das Schwierige ist, dass wir nichts wissen. Wir wissen nicht, welche Orte am stärksten betroffen sind. Wir wissen nicht, wie viele der Infizierten überhaupt Symptome haben", sagt er.
Auch Landratsamt hat keine Erklärung
Das bestätigt auch das Landratsamt Meißen. "Wir erfassen die Infizierten nicht nach Ortsteilen", sagt Pressesprecherin Anja Schmiegen-Pietsch. "Wir können uns die hohe Zahl auch nicht erklären, haben die Situation im Blick, beobachten das, unternehmen aber im Moment nichts", so die Pressesprecherin.
Die Frage ist ohnehin, was unternommen werden könnte. Eine Abriegelung einzelner Ortsteile, wie von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) ins Spiel gebracht und nach Protesten schnell dementiert, kommt schon deshalb nicht in Betracht. "Die ganze Gemeinde abzuriegeln, ist bei 37 Ortteilen völlig illusorisch", sagt Bürgermeister Klingor.
Er hat jetzt veranlasst, dass die Horterzieherinnen, welche die Notbetreuung durchführen, mit FFP-2-Masken ausgerüstet werden. Weitere Maßnahmen gäbe es nicht: "Wir haben schon alles zugemacht, was irgendwie geschlossen werden konnte", sagt er.
Ein Grund für die hohe Infiziertenzahl könnte die Altersstruktur der Bevölkerung sein und die Tatsache, dass sich viele, vor allem ältere Menschen, testen lassen. Das Wartezimmer der Praxis von Dr. Helga Hector, der einzigen Hausärztin in der Gemeinde, ist am Freitagvormittag jedenfalls brechend voll. Aus diesem Grund sei die Ärztin auch nicht für die SZ zu sprechen, teilt die Spechstundenhilfe mit.

Ähnlich sieht es in der Gemeinde Ebersbach aus. Auch diese Kommune ist mit ihrem Inzidenzwert von 1.072 Neuinfizierten unter die 19 derzeit am stärksten betroffenen Städte und Gemeinden Sachsens gerutscht. 47 Corona-Neuzugänge habe es innerhalb der letzten sieben Tage laut Statistik gegeben. Aktuell sind es 57 Betroffene, und damit deutlich weniger als zum Beispiel in Großenhain oder Radeburg.
Bei einer Einwohnerzahl von 4.384 Menschen macht das eben nur 1,3 Prozent aus. So verweist auch Ebersbachs Bürgermeister Falk Hentschel (CDU) auf die vermutlich hohe Zahl der Tests bei den vier Allgemeinärzten im Einzugsgebiet. Zwar habe es in der Gemeinde Corona-Positive gegeben, die zur Schließung der Oberschule bzw. Teilschließung von Hort und Ebersbacher Kita geführt hätten.
Doch mit einer aktuellen Bewertung, ob das nun die Ursache ist, tut sich der Gemeindechef schwer. Er vermutet eher, dass die hohe Zahl an Mitarbeitern in den Pflegeheimen Rödern und Radeburg auch zur herausragenden Infiziertenzahl beitragen könnte.
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