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RKI will Impfquote von über 85 Prozent

Das Robert Koch-Institut hat ausgerechnet, wie viele Menschen geimpft sein müssten, um die vierte Welle abzuwehren. Der Weg ist noch weit.

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Menschen warten im Corona-Impfzentrum auf dem Berliner Messegelände auf ihre Impfung.
Menschen warten im Corona-Impfzentrum auf dem Berliner Messegelände auf ihre Impfung. © dpa

Berlin. Angesichts der gefürchteten Delta-Variante des Coronavirus hat das Robert Koch-Institut ein hohes Impfziel gesetzt. Bundesregierung, Gewerkschaften und Arbeitgeber appellierten am Montag verstärkt an alle Bürger, Corona-Impfungen wahrzunehmen.

Nach RKI-Berechnungen sollten mindestens 85 Prozent der 12- bis 59-Jährigen und 90 Prozent der Senioren ab 60 Jahren vollständig geimpft sein. "Bei rechtzeitigem Erreichen dieser Impfquote scheint eine ausgeprägte vierte Welle im kommenden Herbst/Winter unwahrscheinlich", heißt es in einem RKI-Papier vom Montag. Dennoch müsse sich die Bevölkerung weiter an die grundlegenden Hygienemaßnahmen halten. Möglicherweise sei es auch notwendig, bei ansteigenden Infektionszahlen Kontakte "zu einem gewissen Grad" zu reduzieren, heißt es in der RKI-Analyse.

Das RKI betonte: "Die Ergebnisse zeigen, dass unter den getroffenen Annahmen, insbesondere einer zunehmenden Dominanz der Delta­Variante, die Impfkampagne mit hoher Intensität weitergeführt werden sollte." Das RKI ist vorsichtig optimistisch, dass die angestrebten Impfziele auch tatsächlich erreicht werden können. So sei in einer Befragung von Bürgern zwischen Mitte Mai und Anfang Juni eine Impfbereitschaft ermittelt worden, die die "im Modell identifizierten Zielimpfquoten erreichbar erscheinen lassen".

"Sie schützen auch uns alle"

Bislang hatte RKI-Chef Lothar Wieler davon gesprochen, dass - ausgehend von der bisher vorherrschenden Alpha-Variante - mindestens 80 Prozent der Bevölkerung durch Impfung oder durchgemachte Infektion immun sein sollten, um schwere Verläufe und Todesfälle zum großen Teil zu verhindern. Inzwischen haben dem Bundesgesundheitsministerium zufolge knapp 47 Millionen Menschen oder 56,5 Prozent der gesamten Bevölkerung mindestens eine erste Impfung erhalten. Vollständig mit der meist nötigen zweiten Spritze geimpft sind 32,4 Millionen Bürger oder 38,9 Prozent aller Einwohner.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mahnte nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus Teilnehmerkreisen in Beratungen der CDU-Spitze, man müsse bei der Impfquote Richtung 80 Prozent kommen. Vor allem ungeimpfte Kinder würden im Herbst noch verwundbar sein. Diskutiert wird auch über mehr Angebote und Anreize, Impfwillige zu motivieren. Bußgelder für achtlos «geschwänzte» Termine soll es nicht geben.

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in Berlin: «Impftermine sind wertvoll. Es ist wichtig, dass sie auch genutzt werden.» Wer Termine nicht einhalten könne, solle sie absagen, auch aus Achtsamkeit vor dem Einsatz der Mitarbeiter in Praxen und Impfzentren. Seibert betonte generell: «#"Nehmen Sie diese Angebote wahr – Sie schützen sich nicht nur selbst vor einer potenziell schweren Krankheit (…), Sie schützen auch uns alle.»#" Dies gelte ebenso für die wichtigen zweiten Impfungen. Wegen der nun niedrigen Neuinfektionszahlen dürfe man sich nicht der Illusion hingeben, sich als nicht mehr gefährdet zu sehen.

Wird Erreichtes verspielt?

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte am Montag in Berlin: "Mit den Impfungen kehrt Normalität zurück." Spahn rief dazu auf, dass sich möglichst viele impfen lassen. "Denn umso mehr sich impfen lassen, um sich und andere zu schützen, desto mehr Normalität ist dann auch möglich vor allem auch im Herbst und Winter." Für Geimpfte kündigte Spahn Erleichterungen an: "Wir werden diejenigen, die auch geimpft sind, sicher nicht noch einmal mit den gleichen Einschränkungen, auch Kontaktreduzierungen belegen müssen wie jemanden, der nicht geimpft ist", sagte er. «Also man schützt sich selbst und andere, und das macht dann auch den Austausch über die Grenzen wieder leichter.»

Möglichen Bußgeldern für achtlos ungenutzte Termine, über die am Wochenende diskutiert worden war, erteilte das Ministerium eine Absage. Es gelte, Bürger zu motivieren und sie nicht abzuschrecken. Es gebe auch keine Hinweise darauf, dass es sich um ein größeres Phänomen handele, sagte eine Sprecherin.

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger und DGB-Chef Reiner Hoffmann warben gemeinsam für Schutzimpfungen, die "der Königsweg aus der Pandemie" seien. Wo immer möglich sollten Arbeitgeber ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern betriebliche Impfungen anbieten. "Gleichzeitig appellieren wir an die Beschäftigten, die Impf- und Testangebote anzunehmen." Dulger und Hoffmann äußerten die Sorge, dass Erreichtes verspielt werde. Sie seien aber zuversichtlich, "dass wir mit einer gemeinsamen Anstrengung der nationalen Impfkampagne zum Erfolg verhelfen und ein hohes Schutzniveau erreichen können".

Keine Impfungen für Kinder unter 12

FDP-Chef Christian Lindner sprach sich für "positive Anreize" für Corona-Impfungen wie Gratis-Eintritt in Museen aus. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte "Business Insider": "Es muss freitags- und samstagsabends mobile Impfstationen an belebten Plätzen geben, wo sich viele Leute treffen, auch vor Bars und Clubs." Man müsse mit den Impfungen dorthin, wo die Menschen seien.

Mit Blick auf den Schulstart nach den Sommerferien richten sich auch Erwartungen auf mehr Impfungen bei Kindern. SPD-Chefin Saskia Esken sagte der «Rheinischen Post» (Montag), sie hoffe, dass die Ständige Impfkommission (Stiko) «ihre eingeschränkte Impf-Empfehlung für Jugendliche bald überdenkt». Stiko-Mitglied Martin Terhardt sagte auf dpa-Anfrage, man beobachte die Datenlage täglich und werde «gerade zu diesem Thema sicher schnell reagieren», wenn es deutliche Änderungen gebe. Bisherige Daten lieferten noch keine ausreichenden Beweise für die Sicherheit des Impfstoffs in der Altersgruppe.

Spahn sagte mit Blick auf die Kinderimpfung im Beisein seines niederländischen Amtskollegen Hugo de Jonge, er wolle vom niederländischen Beispiel lernen, ob die dort empfohlene Corona-Impfung der Ab-12-Jährigen gerade in Bezug auf die Delta-Variante im Herbst und Winter einen entscheidenden Unterschied mache.

Die Stiko hat vorerst keine generelle Impfempfehlung für Kinder ab zwölf Jahren ausgesprochen. Sie empfiehlt Impfungen nur für 12- bis 17-Jährige mit bestimmten Vorerkrankungen wie Adipositas. Unabhängig davon sind Impfungen aber als individuelle Entscheidung von Eltern mit ihren Kindern und den Ärztinnen und Ärzten möglich. Für Kinder unter 12 Jahren gibt es bislang keinen zugelassenen Impfstoff. (dpa)