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Sachsens Jugendliche haben am meisten unter der Pandemie gelitten

Sachsens Jugendliche leiden besonders unter der Corona-Pandemie. Der DAK-Jugendreport zeigt sechs Folgen, die Corona für Sachsens Kinder hatte.

Von Susanne Plecher
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Vor allem Jugendliche haben psychisch mit der Pandemie zu kämpfen.
Vor allem Jugendliche haben psychisch mit der Pandemie zu kämpfen. ©  Symbolbild/pexels.de

Als im März 2020 die Schulen in Sachsen das erste Mal pandemiebedingt geschlossen wurden, waren viele Kinder und Jugendliche wohl nicht unbedingt traurig darüber. Das hat sich gravierend geändert.

Denn mit den Lockdowns kamen die Isolation, der Mangel an Kontakten zu Gleichaltrigen, die Angst vor der Krankheit und den Folgen der Pandemie. Der aktuelle Kinder- und Jugendreport der DAK für Sachsen macht an Zahlen ablesbar, wie sehr vor allem die Jugendlichen darunter leiden. "Wir sehen deutliche Benachteiligungen von Kindern und Jugendlichen", sagte Dr. Melanie Ahaus vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte in Sachsen.

Für den Bericht haben Wissenschaftler der Uni Bielefeld anonymisierte Abrechnungsdaten von etwa 18.000 bei der Krankenkasse versicherten sächsischen Kindern und Jugendlichen ausgewertet. Sie haben dabei erfasst, wegen welcher Beschwerden im ersten Pandemiejahr 2020 ein Arzt aufgesucht wurde.

Der Report basiert auf Daten von 3,1 Prozent der Minderjährigen im Freistaat. Er ist repräsentativ.

In Kürze:

  • Depression
  • Fettleibigkeit
  • Alkoholmissbrauch
  • Medikamente
  • Impfungen
  • Vorsorgeuntersuchungen

1. Folge: Depression

Vor allem Jugendliche von 15 bis 17 Jahren haben psychisch mit der Pandemie zu kämpfen. Die ärztlichen Erstbehandlungen wegen einer Depression oder depressiven Episoden stiegen um 48 Prozent im Vergleich zu 2019 an. Das ist sechsmal so viel wie im übrigen Deutschland. Mädchen der Altersgruppe waren 2,7-mal so häufig deswegen in Behandlung wie Jungen.

"Je älter Kinder und Jugendliche sind, umso mehr leiden sie, und besonders Mädchen, an Depressionen", erklärt Professor Veit Rößner, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie am Uniklinikum Dresden. Das liege zum Teil an der Genetik, aber auch an der "Notwendigkeit der Identitätsfindung und Abgrenzung vom Elternhaus."

Doch verschiedene und regelmäßige Kontakte vor allem zu Gleichaltrigen waren während des Lockdowns verboten – und auch danach durch Krankheiten und Quarantänen stark eingeschränkt.

Im Gegensatz zu den älteren Jugendlichen gingen die zehn- bis 14-Jährigen um etwa ein Drittel weniger wegen einer Depression zum Arzt. "Wir erwarten auch bei ihnen einen Anstieg in naher Zukunft. In dieser Altersgruppe können die Auswirkungen länger kaschiert werden", sagte Melanie Ahaus.

Daran erkennen Sie eine Depression bei Ihrem Kind

Von einer Depression spricht man, wenn mehrere Krankheitszeichen mindestens 14 Tage vorliegen.

Oft wird sie nicht sofort erkannt, weil vorübergehende depressive Symptome Teil der Pubertät sind. Oder sie wird übersehen, weil andere Verhaltensauffälligkeiten wie gereiztes und aufsässiges Verhalten im Vordergrund stehen.

Anzeichen bei jüngeren Schülern von sechs bis 12 Jahren sind Traurigkeit, Denkhemmungen, Konzentrationsschwierigkeiten und Gedächtnisstörungen. Die Schulleistungen nehmen ab, das Kind klagt über Zukunftsangst, Ängstlichkeit, hat unangemessene Schuldgefühle, übt unangebrachte Selbstkritik, bewegt sich langsam, hat eine in-sich-versunkene Haltung. Appetitlosigkeit(Ein-) SchlafstörungenSuizidgedanken sind weitere Symptome.

Die Anzeichen bei Jugendlichen von 13 bis 18 Jahren sind ähnlich. Allerdings können bei ihnen ein vermindertes Selbstvertrauen, Selbstzweifel, Ängste, Lustlosigkeit, Stimmungsanfälligkeit, tageszeitabhängige Schwankungen des Befindens und das Gefühl, sozialen und emotionalen Anforderungen nicht gewachsen zu sein, hinzukommen. Es besteht die Gefahr der Isolation und des sozialen Rückzugs. Häufig klagen sie über psychosomatische Beschwerden wie Kopfschmerzen.

Quelle: Deutsche Depressionshilfe
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2. Folge: Fettleibigkeit

Im ersten Pandemiejahr erkrankten 29 Prozent der 15- bis 17-Jährigen in Sachsen an Fettleibigkeit. Die bundesweiten Zahlen blieben hingegen konstant. Warum es für Sachsen in dieser Altersgruppe in puncto Adipositas und Depression solche eklatanten Unterschiede im Vergleich zum restlichen Deutschland gibt, ist bislang unklar.

Bei den zehn- bis 14-Jährigen stiegen die Fälle von starkem Übergewicht leicht um zwei Prozent. Grund für diese Entwicklung sei, dass die Sportstätten lange geschlossen waren, Kinder und Jugendliche erheblich mehr Zeit an ihren Handys, Spielkonsolen und Computern verbrachten und sich daher noch weniger bewegten. "Das sehen wir mit Sorge", so Melanie Ahaus.

3. Folge: Alkoholmissbrauch

Wer daheim bleiben muss, kann nicht so einfach hemmungslos trinken oder kiffen. Auch das zeigt sich in den Abrechnungsstatistiken der DAK deutlich: Um mehr als ein Drittel weniger (36 Prozent) mussten Jugendliche in Sachsen wegen Alkoholexzessen ärztlich behandelt werden.

38 Prozent weniger gingen zum Arzt oder ins Krankenhaus, weil sie zu viel oder mit synthetischen Stoffen behandeltes Cannabis gekifft hatten. Auch das war bundesweit einmalig, allerdings im positiven Sinn. Hier sanken die Zahlen um 28 beziehungsweise 15 Prozent.

4. Folge: Medikamente

Wegen des Lockdowns, des Wechselunterrichtes und der AHA-Regeln hatten es übertragbare Viruserkrankungen deutlich schwerer. So sind zum Beispiel Entzündungen des Kehlkopfs um 44 Prozent, der Mandeln um 43 Prozent und der Mittelohren um 39 Prozent zurückgegangen. Infolgedessen wurden Sachsens Kindern und Jugendlichen ein Drittel weniger Antibiotika verschrieben.

5. Folge: Impfungen

Die Impfungen von Babys und Kleinkindern, die nicht verschiebbar sind, wurden auch 2020 verabreicht. Deutliche Rückgänge zeigen sich bei den Impfungen, deren empfohlener Gabe-Zeitpunkt flexibel ist, wie Diphtherie, Wundstarrkrampf, Keuchhusten und Kinderlähmung für ältere Kinder. Ganz deutlich war er bei der Erstimpfung gegen HPV, also gegen die Gebärmutterhalskrebs verursachenden humanen Papillomviren. Er lag bei 25 Prozent.

6. Folge: Vorsorgeuntersuchungen

Bis zum Sommer 2020 waren Eltern bei den Vorsorgeuntersuchungen U 3 bis U 9 für Kinder und J 1 für Jugendliche sehr zurückhaltend. Viele nahmen diese Termine erst in der zweiten Jahreshälfte wahr. In den ländlichen Gegenden Sachsens sank die Zahl der Untersuchungen um 6,2 Prozent, in den Städten stieg sie geringfügig.