Von Christian Thiel
„Ich will mich trennen, allerdings lese ich immer wieder, dass das in Coronazeiten nicht empfehlenswert ist. Natürlich könnte ich es noch weitere Wochen oder Monate mit meiner Frau „aushalten“, aber ich befürchte auch, dass ich irgendwann nicht mehr in der Lage sein werde, mich zu trennen, weil mich die Macht der Gewohnheit und der Hausbesitz zurückhalten. Also: Soll ich mich trotz Corona sofort trennen?“
Ihre Zuschrift klingt sehr ambivalent und dafür gibt es in der Paarberatung eine klare Regel: Wer ambivalent ist, der trennt sich bitte nicht, sondern tut alles, um die Beziehung zu erhalten. Ist er aber nicht mehr ambivalent, sondern weiß, dass er sich trennen will, oder bringen die unternommenen Rettungsversuche nichts, dann trennt er sich. Das ist auch in meinen Augen eine absolut ehrenwerte Entscheidung. Und sie hat mit Corona nichts zu tun. Menschen trennen sich zu allen Zeiten.
Um einer Ehe die Chance auf eine Rettung zu geben, sollten Sie mindestens drei Dinge tun: Erstens, sollte Ihre Partnerin von Ihrer Ambivalenz wissen. Aus Ihrer Zuschrift geht leider nicht hervor, ob das der Fall ist. Zweitens sollten Sie lesen. Zum Beispiel kluge Bücher, Ratgeber und Artikel über Partnerschaftsprobleme. Drittens sollten Sie, wenn Sie einen wirklich ernsthaften Rettungsversuch vorhaben, in eine Paarberatung gehen. Schwierige Situationen und Fragen, wie die nach einer Trennung, sollte man nicht mit sich alleine ausmachen.
Warum kämpfen besser ist
„Warum nun dieser große Aufwand?“, könnten Sie an dieser Stelle fragen. Ich bin grundsätzlich für den Erhalt einer Ehe beziehungsweise Partnerschaft, weil das der Weg ist, der für unser Leben der bessere ist. Wir dürfen eine Partnerschaft selbstverständlich beenden, wenn sich kein Weg findet, sie zu erhalten. Es ist aber besser, wenn beide Beteiligte alles tun, was in ihrer Macht steht, um sie zu erhalten.
Warum? Weil es für ihre eigene Entwicklung besser ist. Weil es für das zukünftige Verhältnis zueinander besser ist (falls es doch zu einer Trennung kommt). Und nicht zuletzt, weil es ein Gebot der Fairness ist. Alle drei Punkte sind in meinen Augen gleich wichtig. Die ersten zwei sind die egoistischen Motive. Trotzdem zählt auch das Argument mit der Fairness. Dem anderen nichts von der Trennungsabsicht zu verraten und dann eines Tages zu verschwinden, schafft böses Blut. Und es führt oft zu einem heftigen Rosenkrieg. Rosenkriege gehören zu den schlimmsten Ergebnissen einer Trennung. Sie werden von vielen, die sie erlebt haben, als regelrecht traumatisch bezeichnet. Ich rate ab.
Christian Thiel ist Single-, Partnerschaftsberater und Autor. Haben Sie Fragen an ihn? Schicken Sie eine Mail an [email protected]