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Prags neue Corona-Klinik am Rande der Stadt

Im Norden Prags stampft die tschechische Armee in einer Woche ein Corona-Feldlazarett aus dem Boden. Es zeigt, wie ernst die Lage in Tschechien ist.

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500 Betten stehen für Corona-Patienten in dem Behelfskrankenhaus bereit.
500 Betten stehen für Corona-Patienten in dem Behelfskrankenhaus bereit. © Roman Vondrous/CTK/dpa

Von unserem Korrespondenten Hans-Jörg Schmidt in Prag

Das Gewusel von Leuten in den riesigen Messehallen im Prager Stadtteil Letňany könnte aus der Ferne hinter den Absperrgittern durchaus mit der Szenerie für aufwendige Filmarbeiten verwechselt werden. Doch was hier, im Norden der tschechischen Hauptstadt passiert, hat nur vom Standort her etwas mit der Mutter aller TV-Arztserien - „Das Krankenhaus am Rande der Stadt“ (Nemocnice na kraji města) - zu tun. 

Jener legendären Serie aus den 1970ern, die in 21 Ländern lief, auch in den damals beiden deutschen Staaten, in der ARD anfangs sogar in der Synchronisation aus der DDR. Das kongeniale Duo, Szenarist Jaroslav Dietl und Regisseur Jaroslav Dudek, verantwortete einen Straßenfeger, deren Protagonisten manche bis heute aufzählen können: Chefarzt Dr. Karel Sova sen., Oberarzt Dr. Štrosmajer, die Assistenzärztin Dr. Alžběta Čeňková, der spätere Chefarzt Dr. Arnošt Blažej, vor dem kein Rock sicher war, vor allem nicht der von Schwester Ina, und und und.

Nein, das neue Krankenhaus am Rande der Stadt, ist kein Schauplatz für unterhaltsame, nachdenkliche und lustige Geschichten aus dem beruflichen und privaten Leben von Ärzten, Schwestern und Patienten einer chirurgischen Klinik. In Letňany wird ab dem Wochenende das wirkliche Leben spielen: Dort ist binnen einer Woche ein volltüchtiges Feldlazarett in leeren Hallen der Prager Messe errichtet worden. Für richtige Ärzte, Schwestern und Patienten. Covid-19-Patienten.

Konkret für solche Corona-Patienten, die zuvor bereits in einem regulären Krankenhaus behandelt wurden, deren Zustand nicht mehr dramatisch ist, die jedoch weiterhin das Virus in sich tragen und medizinische Versorgung benötigen. 500 Betten stehen für sie bereit, davon zehn mit Beatmungsgeräten, falls es bei diesem oder jenem Patienten plötzlich zu einem schweren Rückfall käme.

Ein Militär-Konvoi brachte tonnenweise medizinisches Material vom Sanitätsstützpunkt in Hradec Kralove nach Prag, wo die Armee das provisorische Krankenhaus aufbaut.
Ein Militär-Konvoi brachte tonnenweise medizinisches Material vom Sanitätsstützpunkt in Hradec Kralove nach Prag, wo die Armee das provisorische Krankenhaus aufbaut. © David Taneèek/CTK/dpa

Hundert Soldaten sind am Aufbau des Feld-Krankenhauses beteiligt. Manche von ihnen bringen Erfahrung von Auslandseinsätzen der tschechischen Armee mit. Die im Ausland eingesetzten Feld-Krankenhäuser unterscheiden sich jedoch von dem in Letňany. Erstere haben ein deutlich chirurgisches Profil, zwei Operationssäle und eine Intensivstation. Die Kapazität zur stationären Behandlung ist dort dagegen auf bis zu 25 Betten begrenzt.

Da sind die 500 Betten in Prag, die am Donnerstag schon zu 80 Prozent militärisch korrekt in Reih und Glied standen, schon eine ganz andere Hausnummer. Die Militärmediziner und ihre Patienten finden auf der Fläche von 16.000 Quadratmetern ein voll ausgestattetes Krankenhaus vor, wobei der Schwerpunkt auf den Betten liegt. Die Ärzte werden zwei Labors und eine Dekontaminationslinie nutzen können, Röntgengeräte und einen Tomograph. In einem speziellen Teil des neuen Krankenhauses stehen auch Unterkünfte für Mitarbeiter bereit. Dort können bis zu 120 von denen untergebracht werden.

Tschechiens Gesundheitsminister Roman Prymula geht davon aus, dass das Feld-Krankenhaus seine große Bewährungsprobe um den 10. November herum bestehen muss. Für diese Zeit sagen die mathematischen Modelle den größten Anfall an Corona-Patienten voraus. Die sollen dann vor allem in den Corona-Stationen der „normalen“ Krankenhäuser behandelt werden, nachdem die leichteren Fälle von dort nach Letňany verlegt worden sind. Tschechien verfügt insgesamt über 15.500 Intensiv-Betten.

Mangel an qualifizierter Betreuung dürfte es im Feld-Krankenhaus nicht geben. Den tschechischen Militärmedizinern werden nach Lage der Dinge auch solche aus dem Ausland unter die Arme greifen. Sehr wahrscheinlich geschultes Personal aus anderen Armeen von EU- und Nato-Staaten, darunter auch Angehörige der Bundeswehr. Entsprechende Verhandlungen laufen. Organisatorisch ist das neue Krankenhaus der großen Prager Klinik Na Bulovce unterstellt, ist quasi eine Nachsorge-Einrichtung dieser Klinik, die sich nur ein paar Kilometer von Letňany entfernt befindet. Wenn nichts dazwischen kommt, soll das Feldlazarett am Sonntag, 16 Uhr, zur Nutzung übergeben werden.

Ob das Geschehen dort eines Tages auch als Vorlage für einen Filme oder eine ganze Serie dienen wird, ist eine offene, aber derzeit wohl eher nebensächliche Frage. Wahnsinnig unterhaltsam ist der tägliche Kampf um Leben und Tod von Menschen nicht. Und ein so herausragendes Duo wie Drehbuchautor Jaroslav Dietl und Regisseur Jaroslav Dudek, die beide vor Jahren schon verstorben sind, gibt es in Tschechien derzeit auch nicht mehr. Immerhin wäre der Titel für einen Film oder eine Serie sehr leicht zu finden: „Das Feld-Krankenhaus am Rande der Stadt“. 

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