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Vernichtet Corona das Ehrenamt?

In Dresden-Löbtau muss der Stadtteilladen schließen. Zahlreiche Nachbarschaftsinitiativen stehen jetzt ohne Räume da.

Von Daniel Krüger
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Ein Bild aus vergangenen Zeiten: Der Löbtauer Stadtteilladen hatte dieses Jahr kaum offen - und daher auch nur wenig Fördergeld bekommen.
Ein Bild aus vergangenen Zeiten: Der Löbtauer Stadtteilladen hatte dieses Jahr kaum offen - und daher auch nur wenig Fördergeld bekommen. © Löbtop e.V.

Dresden. Leicht gemacht haben sie es sich nicht mit der Entscheidung. Doch am Ende blieb Rainer Leschhorn und seinen Kollegen vom Löbtop e.V. nichts anderes übrig, als schweren Herzens die Kündigung einzureichen.

Seit 2017 hatte der Verein im Dresdner Stadtteil Löbtau einen Stadtteilladen betrieben, der - anders als der Name glauben lässt - nichts verkauft, sondern die Menschen im Viertel zusammenbringen sollte.

Wichtig für den Zusammenhalt in der Stadt

Zahlreiche Initiativen nutzten die Räume, um Nachbarschaftsprojekte auf die Beine zu stellen, darunter zum Beispiel die Anwohnergruppe "Willkommen in Löbtau", die unter anderem Sprachkurse und Berufsberatung für Migranten und Flüchtlinge anbietet.

Auch die "Löbtauer Runde", ein Zusammenschluss der Kirchengemeinden mit Wohlfahrtsverbänden und Kinder- und Jugendeinrichtungen hatte einen festen Platz im Stadtteilladen.

Es sind Ideen wie diese und Ehrenamtliche, die sie umsetzen, die eine Großstadt wie Dresden dringend brauchen kann, um den Zusammenhalt in der Stadtgesellschaft zu stärken.

Das zumindest haben mehrere Bürgerforen in den vergangenen Jahren ergeben, deren Ergebnisse in die "Zukunftsstadt Dresden", ein Format für die Stadtentwicklung, eingeflossen sind.

Stadtverwaltung: "Der Bedarf wird wachsen"

Dresden - das sei eigentlich eine Stadt aus vielen verschiedenen Nachbarschaften, heißt es dazu in einem Strategiepapier der Verwaltung. Am vergangenen Donnerstag hat der Stadtrat zudem einen neuen "Kulturentwicklungsplan" bis zum Jahr 2030 beschlossen und gleichzeitig geplante coronabedingte Streichungen bei sozialen Initiativen nach großem Protest abgelehnt.

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Es sei "absehbar, dass der Bedarf an soziokulturellen Angeboten wächst und eine aktivierende Kulturpolitik immer mehr an Bedeutung gewinnt – zum einen aufgrund der gewachsenen Bevölkerungszahl Dresdens, zum anderen, weil der Anteil der jüngeren und der älteren Jahrgänge bis zum Jahr 2030 überproportional zunehmen wird."

"Ressourcen reichen nicht aus"

Doch eines der Hauptprobleme, das auch den Löbtauer Stadtteilladen schließlich zur Schließung zwang, wird hier nur äußerst vage behandelt: Die langfristige Förderung. Zwar wolle man soziokulturelle Zentren in Zukunft mehr unterstützen. Doch "die Ressourcen des Kulturbereichs" reichten dafür nicht aus, heißt es.

Am Dienstag haben die AfD-Fraktion und die Fraktion der Freien Wähler im Stadtrat zusätzlich entschieden, dass über die Verteilung der fünf Millionen Euro - inklusive des geplanten Mehretats von 375.000 Euro - für den Dresdner Kulturbetrieb erst im Januar beraten wird. Begründung: Man müsse sich die Vereine, die bedacht werden sollen, erst einmal genauer ansehen.

Das Wichtigste zum Coronavirus in Dresden:

"Ich würde mir vor allem Förderungssicherheit wünschen", sagt der zweite Vorsitzende des Löbtop e.V., Rainer Leschhorn. "Seit diesem Jahr haben wir keine institutionelle Förderung mehr", sagt der 68-Jährige, der die Kulturbranche in Dresden auch als Schauspieler bei der St.-Pauli-Ruine gut kennt. Seitdem sei der bürokratische Aufwand für die ehrenamtlich Engagierten im Stadtteilladen massiv gestiegen.

"Es war sehr schwierig, die Projektanträge zur Abstimmung in den Stadtbezirksbeirat zu bringen. Denn die mussten erstmal alle einzeln von der Verwaltung geprüft werden und dann mussten wir oft umschreiben", erzählt Leschhorn.

Corona: Ein "doppeltes Problem"

Eine ermüdende Aufgabe, die vor allem von den Jüngeren im Stadtteilladen kaum bewältigt werden konnte. Denn wegen Corona waren viele von ihnen beruflich und privat unter großem Zeitdruck, sodass es dem Nachbarschaftszentrum schließlich an Personal fehlte.

"Corona ist ein doppeltes Problem für uns", sagt Leschhorn. Mehrmals musste der Stadtteilladen wegen der Pandemie schließen, für geplante Projekte gab es letztlich kein Geld. Und aufgrund der aktuellen Lage ist es für Leschhorn und seine Kollegen auch nicht absehbar, wann sich das ändern wird.

Betreiber wollen nicht aufgeben

Eine Situation, die auch der Vermieter nicht mehr mittragen kann oder möchte. "Wir haben einmal einen Mieterlass bekommen, dieses Mal wurde er abgeschlagen." Wut empfindet Leschhorn deswegen nicht, er könne es verstehen, dass es so auf Dauer nicht weitergehe.

Kündigen muss der Verein trotzdem, recht kurzfristig, schon zum Ende nächsten Monats. Ab Februar ist dann erstmal Schluss in Löbtau. Die Hoffnung, dass es für die engagierten Nachbarn im Viertel irgendwie weitergeht, will Leschhorn aber nicht aufgeben.

"Vielleicht können wir uns irgendwo dazu buchen", sagt der Rentner. Das sei dann zwar eine Einschränkung für die Arbeit des Vereins, aber immerhin kein Ende.

Und man versuche natürlich, jeden mitzunehmen, der sich in den vergangenen drei Jahren für das Viertel im Dresdner Westen engagiert hat. Gegen alle Widrigkeiten und Hürden wollen sie auch weiterhin tapfer Projektanträge stellen. Eine neue Schatzmeisterin zumindest, sagt Leschhorn, haben sie kürzlich gefunden.

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