Dresden. Der Öffentliche Nahverkehr (ÖPNV) ist sicher, wegen Corona müssen die Fahrgäste keine Sorgen in den Dresdner Bussen und Bahnen haben. Das war die Position der Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) in den vergangenen Wochen. Obwohl das Angebot deutlich reduziert wurde, gab es aus Sicht der Verantwortlichen stets genug Platz in den Fahrzeugen, um Abstand halten zu können.
Das galt auch noch Anfang Januar, als Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) sagte, der ÖPNV solle künftig nur noch zu 25 bis 50 Prozent ausgelastet sein, um die Ansteckungsgefahr niedrig zu halten. Jetzt wird das Angebot plötzlich doch aufgestockt. Im Berufsverkehr morgens und abends sollen ab Montag mehr Busse und Bahnen fahren. Ein drastischer Sinneswandel. DVB-Vorstand Lars Seiffert, zuständig für Betrieb und Personal, erklärt im Interview, wie es dazu kam.
Herr Seiffert, zwischen 40 und 50 Prozent der ohne Corona üblichen Fahrgäste nutzen derzeit Bus und Bahn, haben Sie Anfang Januar gesagt. Was hat jetzt zu dem Sinneswandel geführt?
Die Fahrgastzahlen haben sich verändert. Wir zählen ja kontinuierlich, wir haben Busse und Straßenbahnen mit automatischen Zählsystemen. Seit Jahresbeginn haben wir einen Anstieg von 30.000 Fahrgästen pro Tag registriert. Wir sind jetzt bei 270.000. Aber diese Fahrgäste verteilen sich nicht komplett über den ganzen Tag. Wir sehen Spitzen im Berufsverkehr.
Im Frühjahrslockdown waren die Zahlen niedriger, jetzt haben sie steigende Zahlen. Wie erklären Sie sich das?
Eigentlich kann man da nur mit dem Kopf schütteln, denn das dürfte nicht sein. Aber wenn die Menschen unterwegs sind, können wir das ja nicht ignorieren. Also verwehren wir uns dem nicht.
Hat die Aufstockung jemand aus der Politik oder der Stadtverwaltung gefordert?
Nein, wir schauen uns unsere Zahlen immer an und gleichen uns mit anderen Unternehmen in der näheren Umgebung ab. In Leipzig wird seit Donnerstag mehr gefahren, in Chemnitz seit der vergangenen Woche. Es muss zwar jede Stadt für sich entscheiden, aber der Trend zu mehr Fahrgästen ist schon tatsächlich vorhanden.
Das heißt, die Menschen sind mehr unterwegs, als die Politik will?
Vermutlich ist das so.
Im vergangenen Jahr fehlten den DVB von den ursprünglich eingeplanten Einnahmen aus dem Fahrkartenverkauf wegen Corona fast 16 Millionen Euro. Für 2021 hieß es, Sie rechnen mit einem ähnlichen Verlust. Wird der nun höher?
In einem vergleichbaren Zeitraum ohne Corona hätten wir jetzt 620.000 Fahrgäste pro Tag. Aktuell sind es 270.000. Das entspricht rund 43 Prozent. Die Frage ist, wer sitzt in den Bussen und Bahnen, wer fährt mit. Und hat der Fahrgast einen Einzelfahrschein? Das wäre schön, aber so ist es in der Regel nicht. Uns fehlen die Fahrgäste, die uns jetzt Geld bringen würden, die Touristen. Unsere Fahrgäste sind jetzt die Abokunden, die zum Beispiel Monatskarten haben. Wir verdichten für diejenigen, die im Berufsverkehr unterwegs sind. Das Minus in der Kasse gibt es nach wie vor.
Das heißt, das Minus wird vielleicht größer?
Ja, für die Wirtschaftlichkeit bringt uns die Aufstockung jedenfalls nichts. Wir hoffen sehr stark, dass es auch dieses Jahr wie schon 2020 wieder Ausgleichszahlungen geben wird. Wir vertrauen da auf die Politik und gehen in Vorleistung.
Um welchen Umfang stocken Sie das Angebot auf?
Bisher waren es 80 Prozent vom normalen Angebot, jetzt werden es etwa 85 Prozent.
Was bedeutet das für die Abläufe bei den DVB?
Wir brauchen einen komplett neuen Fahrplan, die Fahrzeugeinsätze müssen geplant werden und darauf müssen dann die Fahrdienste zugeteilt werden. Dafür brauchen wir fünf bis sechs Tage Vorlauf. Deshalb haben wir die Entscheidung am Dienstag getroffen, damit wir das am Montag darauf auch anbieten können. Für unsere Fahrer heißt das, sie fahren morgens ein Stück, dann haben sie Pause und dann fahren sie noch mal ein Stück.
Solche geteilten Dienste sind nicht beliebt.
Ja, sie sind äußerst unbeliebt. In normalen Zeiten mag das ja noch gehen, da kann ich zwischendurch in der Pause noch was erledigen. Aber im Moment gibt es nichts zu erledigen, die Geschäfte sind zu, die Cafés sind auch zu. Immerhin dürfen wir unter bestimmten Hygieneauflagen die Kantinen wieder öffnen, damit die Fahrer die wieder nutzen können.
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