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Warum Querdenker darauf pochen, von Anfang an recht gehabt zu haben

Querdenker wollen einen Strich unter Corona ziehen und behaupten, schon immer alles richtig vorhergesagt zu haben - etwa zur Wirksamkeit von Impfung oder Masken. Das ist reines Wunschdenken.

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Eine Teilnehmerin einer Kundgebung der Initiative "Querdenken" protestiert gegen Corona-Impfungen.
Eine Teilnehmerin einer Kundgebung der Initiative "Querdenken" protestiert gegen Corona-Impfungen. © Christoph Schmidt/dpa (Archiv)

Von Sebastian Fischer

Berlin. Nachrichten über das Coronavirus stehen schon lange nicht mehr täglich auf den Titelblättern der Zeitungen. Masken werden nur von wenigen noch in der Öffentlichkeit getragen, die Zahl neuer Impfungen scheint weitestgehend zu stagnieren. Nach mehr als drei Jahren Pandemie ist bei vielen die Sehnsucht nach einem Schlussstrich groß. Doch eine abschließende Aufarbeitung gab es bisher nicht.

In diese Bilanz-Leerstelle stoßen Querdenker und Impfgegner. Glaubt man ihrer Argumentation, dann wollen sie es etwa in Sachen Masken oder Impfungen schon immer richtig gewusst haben. Die am häufigsten gestreute Erzählung: Mit den Corona-Impfungen sei allen ein unberechenbares Medikament aufgezwungen worden. Sie selbst hätten hingegen schon immer gesagt, die Mittel - oft von ihnen als "Giftspritze" oder "Genspritze" bezeichnet - seien gefährlich bis tödlich. Sie behaupten: Was einst als Verschwörungsmythos gebrandmarkt worden sei, werde mittlerweile als Fakt anerkannt.

Aber das ist einfach falsch, wie sich etwa an der wohl am häufigsten verbreiteten These zeigt: Querdenker werfen etwa Politik und Wissenschaft vor, behauptet zu haben, bei der Corona-Impfung gebe es gar keine Nebenwirkungen. Doch das ist völlig übertrieben.

Ja, es gab Stimmen wie die des heutigen Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD), die vereinzelt von "nebenwirkungsfreien Impfungen" sprachen. Doch die Wissenschaft hat grundsätzlich von Anfang an deutlich gemacht, dass es keine Mittel ohne Nebenwirkungen gibt. Das gilt für Covid- wie etwa auch für Grippe-Impfungen.

Heutige Berichte über schwerwiegende gesundheitliche Folgen nach einer Corona-Impfung sind durchaus wichtig, um die Aufmerksamkeit für das Thema zu erhöhen. Dabei darf aber nicht übersehen werden, wie selten solche Fälle tatsächlich in der Bevölkerung auftreten und wie sehr auf der anderen Seite eine Impfung vor möglichen schweren Schäden nach einer Covid-Erkrankung schützt.

"Obwohl damals noch gar keine Daten vorlagen, hat sich dieses Milieu von Anfang an darauf eingeschossen, dass die Impfung des Teufels sei", sagt die Psychologin Lea Frühwirth vom Center für Monitoring, Analyse und Strategie (Cemas). Das Institut untersucht Radikalisierungstendenzen und Verschwörungserzählungen im Netz.

Teilnehmer einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen sind am 14. Februar 2022 in Dresden unterwegs.
Teilnehmer einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen sind am 14. Februar 2022 in Dresden unterwegs. © Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild

Dieses Bild, auf das sich die Anhänger noch jetzt beziehen, sei aber nicht aufgrund von Fachkenntnis und der Prüfung von Fakten entstanden, so Frühwirth. Sondern rein aus einem Bauchgefühl. "Wenn nun zufällig ein Ergebnis herauskommt, von dem sie zwei Jahre zuvor ausgegangen sind, dann ist das der Fall eines blinden Huhns, das auch mal ein Korn findet", sagt die Cemas-Wissenschaftlerin.

In bestimmten Momenten musste die Politik schon Entscheidungen treffen, als wissenschaftliche Daten und Erfahrungen zum Coronavirus noch knapp waren, der Zeitdruck aber extrem hoch war. Vom April 2020 in Erinnerung geblieben ist die Aussage des früheren Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU), dass man einander in ein paar Monaten wahrscheinlich viel werde verzeihen müssen.

Die Querdenken-Szene hat hingegen früh darauf gepocht, exklusiver Träger der Wahrheit zu sein. Diejenigen, die wissenschaftliche Hinweise als elementar betrachteten, waren für sie "Schlafschafe". In dem Milieu hat sich eine Gruppenideologie mit sozialen Bindungen aufgebaut. In dieser Blase bekamen Anhänger ihre Bestätigung. Alte Freundschaften gingen womöglich in die Brüche.

"Die Fallhöhe, nun doch zugeben zu müssen, sich geirrt zu haben, ist enorm hoch", sagt Cemas-Expertin Frühwirth im dpa-Gespräch. Auch habe die Gesellschaft diese Menschen als "Covidioten" verlacht, was ein Umkehren zusätzlich erschwere. Wie solle man da gesichtswahrend herauskommen? "Also halten sie an ihrem Bild fest und schreiben notfalls alles um, damit sie am Ende doch irgendwie recht hatten." (dpa)