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Adler Modemärkte stürzen in die Pleite

Die Kette mit sächsischen Wurzeln sieht sich als Opfer des Lockdowns. Experten sind überzeugt: Weitere werden folgen.

Von Michael Rothe
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Die Adler Modemärkte AG hat einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung gestellt.
Die Adler Modemärkte AG hat einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung gestellt. ©  Sebastian Kahnert/dpa

Die Pleite von einem der größten Textilhändler Deutschlands werden viele seiner kaum online affinen Hauptkunden erst in ein paar Wochen bemerken – wenn die Adler Modemärkte nach dem Lockdown wieder öffnen dürfen. Das Unternehmen hat am Sonntag Insolvenz beantragt als „Konsequenz aus Schließung fast aller Standorte bis mindestens Ende Januar“.

Die vor allem bei Älteren beliebte Kette betreibt 171 Märkte, davon 142 in Deutschland, 24 in Österreich, drei in Luxemburg, zwei in der Schweiz sowie einen Online-Shop. In Sachsen gibt es sieben Adressen: je zwei in Dresden und Leipzig sowie einen in Chemnitz, Görlitz und Bischofswerda.

„Trotz intensiver Bemühungen war es der Gesellschaft nicht möglich, die aufgrund der coronabedingten Umsatzeinbrüche entstandene Liquiditätslücke über eine Kapitalzufuhr durch staatliche Unterstützungsfonds beziehungsweise durch Investoren zu schließen“, teilt das Unternehmen mit. Die Folgen des ersten Lockdowns habe man dank damals solider Bilanzstruktur und umfassender Finanzierungszusagen noch abfedern können. Aber „die erneute coronabedingte Schließung fast aller Standorte hat uns leider keine andere Wahl gelassen“, sagt Vorstandschef Thomas Freude. „Wir werden alles dafür tun, den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten und Adler schnellstmöglich zu sanieren“, versichert er. Ziel sei es, die Gesellschaft mittels Insolvenzplan zu sanieren.

Ursprung in Annaberg-Buchholz

Bei einem Planverfahren verzichten die Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen und ermöglichen so den Fortbestand der Firma. Und die Geldgeber erzielen in der Regel höhere Quoten als bei einer Abwicklung. Das Geschäft wird vom Vorstand in Eigenverwaltung, aber unter Aufsicht des vorläufigen Sachwalters Christian Gerloff fortgeführt.

Der einstige Familienbetrieb, im Volksmund „Schürzen-Adler“, war 1948 in Annaberg-Buchholz gegründet worden. Die erste Kollektion bestand nur aus Mänteln, wurde von Wolfgang Adlers Familie in einer Dachkammer genäht und vom Gründer auf Bustouren durchs Land verkauft. 1959 zog das Unternehmen in den Westen: nach Engen bei Konstanz und später nach Haibach bei Aschaffenburg, wo es noch immer seinen Sitz hat. In den 80er-Jahren verkaufte Adler das Unternehmen an die Asko Deutsche Kaufhaus AG, später Teil des Metro-Konzerns – der Beginn steter Expansion auch in Österreich, Luxemburg und nach der Wende in Ostdeutschland. Fortan mischten Finanzinvestoren mit.

Nach der Umwandlung in eine AG ging Adler 2011 an die Frankfurter Börse. Derzeit werden fast 53 Prozent der Aktien von der mehrheitlich zur Steilmann-Gruppe gehörenden S&E-Kapital GmbH gehalten, die 2016 Insolvenz beantragt hatte. Gut ein Viertel der Anteile sind in Streubesitz, der Rest gehört dem Textilunternehmer Gerhard Wöhrl und Finanzinvestoren.

Fokus auf die über-55-Jährigen

Nach dem Konzernverlust von 2,6 Millionen im Jahr 2018 hatte Adler sein Filialnetz gestrafft. Zudem wollte sich das Unternehmen noch mehr auf Über-55-Jährige fokussieren. In dieser kaufstarken Kundengruppe ist Adler nach eigenen Erhebungen Marktführer. Das Unternehmen konzentriert sich auf größere Flächen und Einkaufscenter wie den Elbepark in Dresden.

Nach dem Umsatzeinbruch im ersten Lockdown hatte sich Adler spürbar erholt. Aber die behördlich angeordnete Schließung aller Standorte in Österreich im November und seit 16. Dezember auch in Deutschland habe zu massiven Umsatzeinbußen geführt, heißt es. Die Folge: der Insolvenzantrag auch für drei hundertprozentige Töchter. Andere inländische und sämtliche ausländische Ableger seien aber nicht betroffen. Die 3.350 Beschäftigten der Gruppe hatten 2019 über 495 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet und einen Vorsteuergewinn von gut 70 Millionen Euro.

Sein Beispiel zeige, „dass im textilen Einzelhandel selbst ein Unternehmen, das Ende 2019 noch eine Rekord-Netto-Liquidität von 70,1 Millionen Euro und eine solide Bilanzqualität ausgewiesen hatte, ohne eigenes Verschulden und innerhalb von nur knapp zwölf Monaten in eine existenzielle Krise geraten kann“, schreibt der Konzern.

Zehntausende Läden in Gefahr

Esprit, Galeria Karstadt Kaufhof, Sinn, Appelrath Cüppers, Hallhuber: Reihenweise suchen bekannte Modehändler seit Beginn der Krise Rettung in Insolvenzverfahren. Weitere dürften folgen, erwarten der Kreditversicherer Euler Hermes und der TextilHandelsverband BTE. „Viele Unternehmen haben auf das Weihnachtsgeschäft gesetzt, um sich mit einem kleinen Puffer bis zum Frühjahr zu retten“, heißt es von Euler Hermes. Mit dem Lockdown sei diese Hoffnung aber zerstoben. Unternehmen der Branche benötigten aktuell viel Geld, um die Ware für das Frühjahr und den Sommer zu bezahlen, schreibt der BTE. Doch Geld sei knapp – wegen des Lockdowns, aber auch, weil bislang noch keine nennenswerten Hilfen des Staates angekommen seien.

Der Verband befürchtet, dass Zehntausende Modegeschäfte und über 100.000 Jobs gefährdet sind. Für Verbraucher hat die Krise auch etwas Gutes. In den Läden türmen sich nach Schätzungen eine halbe Milliarde unverkaufter Artikel. Experten erwarten deshalb nach Wiedereröffnung regelrechte Rabattschlachten. (mit dpa)