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Aus für Radeberger Brauerei-Tradition

Gastronomen werden bald nicht mehr per Pferdefuhrwerk beliefert. Corona gab den letzten Ausschlag. Ganz verschwinden sollen die Kutschen aber nicht.

Von Thomas Drendel
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Seit mehr als 150 Jahren wird in Radeberg Fassbier mit dem Pferdefuhrwerk ausgeliefert. Jetzt endet die Tradition. Es gibt gleich mehrere Gründe.
Seit mehr als 150 Jahren wird in Radeberg Fassbier mit dem Pferdefuhrwerk ausgeliefert. Jetzt endet die Tradition. Es gibt gleich mehrere Gründe. © Archiv: Steffen Unger

Radeberg. Das gibt es nur in Radeberg: Schwer beladen rollt mehrmals im Monat eine Pferdekutsche durch die Stadt. Auf der Ladefläche ein Berg von Bierfässern. Vor jeder Kneipe wird Halt gemacht. Die Fuhrleute laden Fässer ab, andere kommen drauf. Seit mehr als 150 Jahren liefert die Radeberger Exportbierbrauerei auf diese Weise an die Wirte aus. Beim Hufeklappern weiß jeder in Radeberg, hier kommt frisches Pilsner.

Jetzt endet diese Tradition. Ab 1. Juli 2021 werden die Gastronomen nicht mehr per Pferdefuhrwerk beliefert. Die Radeberger Exportbierbrauerei und der in Wachau ansässige Fuhrbetrieb Trepte haben sich nach Angaben der Brauerei auf diesen Schritt geeinigt. Die Firma Trepte hatte die Auslieferung 1994 als Dienstleister übernommen. Künftig werden die Fässer per Lkw an die Gaststätten ausgeliefert.

Nach Angaben von Brauereichef Axel Frech haben mehrere Gründe zu der Entscheidung geführt. Ein Punkt: Seit Jahren ist die Zahl von Gaststätten in Radeberg rückläufig. In der Innenstadt haben beispielsweise das Gambrinus und die Radeberger Bierstuben geschlossen. In Liegau-Augustusbad wird die Silberdiele nicht mehr öffnen. Neue kamen kaum hinzu.

Schnelle Fass-Lieferung immer wichtiger

Der Brauereichef gibt allerdings noch andere Gründe für das Ende der Fuhrwerksauslieferung an. "Kapazität und Rhythmus der Bestellungen driften auseinander", sagt er. Offenbar benötigt eine Gaststätte ihre Lieferung am Montag, die nächste am Mittwoch und die dritte am Freitag. Mal eine große Runde durch die Stadt, mal eine kleine, mal ein Fass, mal fünf Fässer. Das mit Pferden zu bewerkstelligen, war offenbar mit der Zeit zu aufwendig. "Die Notwendigkeit zur schnellen und punktgenauen Vor-Ort-Lieferung ist gewachsen", sagt Axel Frech.

Hinzu kommt, dass die Zufahrten zu den Kneipen immer weniger für Kutschen geeignet sind, die Anlieferung also immer komplizierter wird. "Wenn man es aus rein ökonomischer Sicht betrachtet, hätte man vielleicht schon vor Jahren auf eine Lkw-Belieferung umsteigen müssen", sagt Frech.

Den letzten Ausschlag für die Entscheidung haben offenbar die Auswirkungen der Corona-Pandemie gegeben. Gaststätten sind geschlossen, große Events fanden bisher nicht statt. "Bereits seit über einem Jahr sind die Geschäfte der gesamten Braubranche massiv einschränkt", sagt der Brauereichef. "In der Gesamtbetrachtung blieb leider nur die Konsequenz, den langjährigen Vertrag zwischen der Brauerei und der Firma Trepte zum 30. Juni zu beenden, ein unternehmerisch notwendiger, wenn auch sehr bedauerlicher Schritt."

Fassbierkutschen weiter bei Festumzügen dabei

Allerdings werden die Kutschen nicht vollständig aus dem Stadtbild Radebergs verschwinden. "Bei Festumzügen oder bei besonderen anderen Anlässen präsentieren wir diese schmucken Fuhrwerke wie bisher", sagt der Brauereichef. Die beiden grünen Fassbierkutschen bleiben im Besitz der Brauerei. Sie werden weiterhin von der Firma Trepte in Wachau gepflegt und sind dort auch eingelagert. Das Unternehmen ist dann bei Festumzügen auch mit ihnen unterwegs.

Wie stark die Tradition der Pferdefuhrwerke in Radeberg verwurzelt ist, zeigen die Zahlen. Schon 1866 wurde die erste Pferdekutsche von den Inhabern der damaligen Brauerei Gäbler auf Tour geschickt. Als die Gründer der Radeberger Exportbierbrauerei dann diese Brauerei kauften, übernahmen sie 1872 mit dem Inventar auch die Kutschen.

Auch wenn mit der Jahrhundertwende zunehmend Eisenbahn und Lkw den Transport in andere Städte und Regionen übernahmen, bekamen die ortsansässigen Wirte ihr Bier ausschließlich mit der Pferdekutsche. Selbst mit der Wende behielt die Brauerei die Tradition bei.

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Das Fuhrunternehmen Trepte wird die frei gewordenen Kapazitäten jetzt für neue Angebote nutzen. "Jeder, der uns und unseren Hof in Wachau kennt, weiß, dass Pferde wohl immer zu uns gehören werden", sagt Inhaberin Tina Trepte. Sie wird versuchen, die Sparte mit individuellen Kutsch- und Kremserfahrten oder speziellen Projekten mit Tourismusanbietern auszubauen. "Längerfristig möchte ich mich gern weiterbilden, später mal mehr mit Kindern arbeiten und auch zum Beispiel Fahrkurse für Einsteiger anbieten", sagt die Wachauerin.

Die Exportbierbrauerei hofft indes auf sinkende Corona-Zahlen und eine Normalisierung der Situation. "Jetzt ist es wichtig, dass sich das Infektionsgeschehen weiter rückläufig entwickelt und dann Gastronomie, Hotellerie und Tourismusanbieter auch flächendeckend wieder loslegen können", teilt Jana Kreuziger, Sprecherin der Brauerei, mit. Bei einem Anziehen des Absatzes ist die Abfüllstrecke leistungsstark genug, um ausreichend Fässer mit frischem Pilsner bereitzustellen.

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