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Wie gerecht ist die Homeoffice-Pauschale?

Wer in der Corona-Pandemie im Homeoffice arbeitet, soll steuerlich entlastet werden. Doch wem nützt das wirklich? Ein Pro und Contra.

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Arbeitnehmer, die in der Corona-Pandemie im Homeoffice arbeiten, sollen steuerlich entlastet werden.
Arbeitnehmer, die in der Corona-Pandemie im Homeoffice arbeiten, sollen steuerlich entlastet werden. © imago images

Die Große Koalition will Arbeitnehmer steuerlich entlasten, die in der Corona-Pandemie im Homeoffice arbeiten. Im Gespräch ist eine Pauschale von fünf Euro pro Tag. Doch wem nützt das wirklich? Ein Pro und Contra der SZ-Autoren Wolfgang Mulke und Hannes Koch.

Pro: Eine fällige Reform

Von Wolfgang Mulke

Zuhause arbeiten gehört nicht erst seit Corona für viele Beschäftigte zum Alltag. Die Pandemie hat den Trend nur enorm beschleunigt. Das Steuerrecht hält mit dieser Entwicklung schon lange nicht mehr Schritt. Das Homeoffice verursacht Kosten, die die Finanzämter bisher nur in wenig realistischen Ausnahmefällen anerkennen. Die nun von der Bundesregierung ins Auge gefasste Steuerpauschale – maximal 600 Euro soll man jährlich absetzen können – ist der erste Teil einer fälligen Reform.

Die Arbeit daheim verursacht den Beschäftigten Mehrkosten für Strom oder Heizung. Von den gerne angeführten Vorteilen haben viele nichts, weil sie über keinen ausreichenden Raum für ein separates Arbeitszimmer verfügen. Angesichts des Platzmangels in vielen Wohnungen ist es lebensfremd, die steuerliche Absetzbarkeit an Kriterien wie eine ausschließliche Raumnutzung für das Homeoffice zu binden. Auch die Koppelung an einen fehlenden eigenen Arbeitsplatz im Betrieb ist nicht mehr zeitgemäß. Statt im gut ausgestatteten Heimbüro zu sitzen, wird oft der Küchentisch zweckentfremdet. Das schmälert die Lebensqualität eher als dass es sie fördert.

Die zusätzlichen Ausgaben wiederum sind eigentlich Betriebskosten, weil sie das verfügbare Einkommen mindern, sofern die Firma dafür keinen Ausgleich leistet. Da erscheint es nur recht und billig, wenn das Finanzamt sie auch mit einer Pauschale als solche behandelt. Auf die Zeit der Pandemie darf das nicht beschränkt bleiben. Denn der Trend zur Heimarbeit wird sie überdauern. Das Argument, die Beschäftigten im Homeoffice gehörten zu den Privilegierten im Lande, zieht nicht. Mag sein, dass ihre Stellen sicherer sind als viele in der Produktion oder im Handwerk. Dort lässt sich der Job von zu Hause aus erledigen. Viele Arbeitnehmer müssen deshalb finanziell herbe Einbußen hinnehmen. An der Systematik der Steuern ändert dies aber nichts. Die Ausgaben Arbeit müssen vom Einkommen abgezogen und dürfen nicht versteuert werden.

Contra: Ungleichheit wird verschärft

Von Hannes Koch

Wer im Homeoffice arbeiten kann, kommt oft vergleichsweise gut durch die Corona-Pandemie. Das dürfte daran liegen, welche Tätigkeiten sich eher für zu Hause eignen: überwiegend geistige Arbeiten mit Computer und Smartphone als manuelle. Wer mit ersteren den Lebensunterhalt verdient, verfügt oft über eine überdurchschnittliche Ausbildung und erhält auch ein höheres Einkommen. Solche Beschäftigten erleiden durch Corona geringere finanzielle Verluste als Leute mit einfachen Tätigkeiten, ergab kürzlich eine Studie der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung. Und höher Qualifizierte sind auch weniger durch Kurzarbeit bedroht. Der geplante steuerliche Homeoffice-Bonus würde sie zusätzlich begünstigen.

Nein, Homeoffice ist nicht immer angenehm. Die Kinder quaken, zum Abendessen droht noch eine Videokonferenz. Und auch die Strom- und Heizkosten mögen etwas zunehmen. Aber das trifft eher nicht die Armen. 20 Euro mehr pro Monat spüren sie kaum. Corona bringt die neuen Heimarbeiter tendenziell nicht in finanzielle Schwierigkeiten. Natürlich gibt es Gegenbeispiele. Manche Beschäftigten mögen das Pech haben, gleichzeitig ins Homeoffice und auf Kurzarbeit gesetzt zu werden. Und sowieso schuften auch manche Kopfarbeiter im Niedriglohnsektor. Grundsätzlich aber gilt: Die schlecht entlohnte Bedienung im Biergarten hat den Job verloren, die gut verdienende Rechtsanwältin liest die Akten zu Hause. Corona fördert die soziale Ungleichheit. Die geplante Steuervergünstigung würde diese Entwicklung verschärfen.

Im Übrigen kostet der Spaß den Staat etwa eine Milliarde Euro pro Jahr. Bei 180 Milliarden Euro zusätzlicher Verschuldung des Bundes in 2021 spielt das zwar keine große Rolle. Denn teilweise funktioniert die Finanzpolitik jetzt nach dem Motto: Wer hat noch nicht, wer will noch mal? Trotzdem: Es gibt wichtigere Dinge zu bezahlen als die steuerliche Absetzbarkeit von heimischen Arbeitszimmern.