Von Nora Domschke
Es kann passieren, dass Michael Thum sich weigert, Eltern ein Paar schicke Schuhe zu verkaufen. Das liegt dann aber nicht daran, dass der 35-jährige Dresdner keinen Sinn fürs Geschäft hat. Sondern daran, dass die Schuhe nicht richtig passen. Deshalb besteht der Betreiber des Geschäfts „Boys and Girls“ darauf, alle kleinen Füße zu vermessen. Ohne Ausnahme.
Vor dreieinhalb Jahren eröffnete Michael Thum mit seiner Partnerin Nicole Müller den Laden im Leubnitz-Treff an der Dohnaer Straße. Ihr Arbeitsplatz ist meist der Boden. Unzählige Kinderfüße vermessen, anstatt der blauen lieber noch einmal die grünen Schuhe anprobieren – das alles erledigt das sechsköpfige Team auf den Knien. „Für die Gesundheit der Kinder ist es sehr wichtig, dass die Schuhe richtig passen.“
Als Vater reagiert er bei diesem Thema emotional. Viel zu oft sieht er Kleinkinder, deren Schuhe zu eng sind. „Wer sich nicht auskennt, greift schnell zur falschen Größe.“ Mit bloßem Auge sei das nur schwer zu erkennen. Die Folge: blutige Zehen, eingewachsene Fußnägel, dicke Blasen. Deshalb muss nicht nur die Länge, sondern auch die Breite des Fußes und die Höhe des Spanns bei der Auswahl berücksichtigt werden. Thum schwört darauf, den Zehen im Schuh zehn bis zwölf Millimeter mehr Platz zu geben.
Damit die Schuhe später nicht drücken, rät Thum auch mal von einem Modell ab. Obwohl es dem Töchterchen besonders gut gefällt. „Uns geht es in erster Linie nicht ums Aussehen, sondern um die Form“, sagt der Schuhexperte. Wie wichtig das ist, bestätigen auch Orthopäden. Bei Kleinkindern ist etwa die Ferse noch nicht richtig ausgebildet. Damit der Schuh nicht rutscht, gibt es für sie spezielle knöchelhohe Anfertigungen. Das hat natürlich seinen Preis. Wasserdichte Winterschuhe kosten für den Dreijährigen schon einmal knapp 70 Euro. „Da kommt dann aber auch wirklich kein Wasser durch.“ Oft erlebt er Eltern, die mit dem 30-Euro-Schuh vom Discounter vorbeikommen und bei ihm letztlich doch zum teureren Markenprodukt greifen.
Weil die Beratung und die Qualität der Schuhe stimmen, genießen Thum und seine Kollegen in Dresden und auch über die Grenzen der Landeshauptstadt hinaus einen guten Ruf. Seine fünf Mitarbeiter sind gut ausgebildete Fachkräfte – auch darauf legt der Chef großen Wert. In seiner Branche sei das eigentlich nicht üblich, denn das Geschäft mit Kinderschuhen boomt vor allem im Frühjahr und Herbst. „Die Eltern warten meistens bis zum ersten warmen Frühlings- oder kalten Herbsttag.“ Dann gibt es einen regelrechten Ansturm in seinem Laden im Leubnitz-Treff. Verständlich, denn die kleinen Füße wachsen schnell und die neuen Schuhe sollen möglichst lange passen. Michael Thum nimmt es gelassen. Wenn bei anderen das stressige Weihnachtsgeschäft beginnt, ist bei ihm längst wieder Ruhe eingekehrt. So bleibt sein Laden am 24. und 31. Dezember sogar ganz geschlossen.
Mit seiner Spezialisierung hat er offenbar den Nerv der Dresdner Eltern getroffen. Zwar gibt es zahlreiche Läden mit Kindermode und auch Schuhläden mit einer Kinderabteilung. Doch allein der Platz erlaubt es Thum, eine große Auswahl anzubieten. Kurz nach der Ladeneröffnung 2013 liebäugelte der Dresdner auch mit einem Onlineshop. „Der Aufwand ist aber viel zu groß. Und die Beratung fehlt – das passt einfach nicht zu unserem Konzept.“
Nun will er seine Zeit und sein Geld lieber in eine zweite Filiale investieren, die Platz für noch mehr Kinderschuhe bietet. Derzeit begutachten Thum und seine Partnerin Nicole Müller verschiedene Ladenflächen. Wo, verrät er allerdings nicht. Bis ein passender Standort gefunden ist, sorgt das Paar in Leubnitz dafür, dass der Kinderschuh nicht drückt.
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