Kamenz. Am 1. September feiert das Azurit-Pflegeheim in Kamenz seinen dritten Geburtstag. Aktuell leben 71 Bewohnerinnen und Bewohner im Neubau am Bautzner Berg. 84 Mitarbeiter kümmern sich um deren Wohl - inklusive Reinigungspersonal und eigener Küche. So weit so gut, wären da nicht die Personalsorgen. Die plagen die Unternehmensgruppe bundesweit, doch vor allem in der Kamenzer Region. "Hier klafft ein großes Loch, das ist anderswo in Sachsen nicht so", sagt Hausleiter Ralph Domschke.
Auch deshalb konnte man seit Inbetriebnahme des Hauses einen kompletten Wohnbereich überhaupt nicht öffnen. "Die zweite Etage mit 47 Betten steht seit drei Jahren leer", so Domschke. Eine nicht tragbare Angelegenheit. Doch was tun ohne Pflegepersonal?
Identische Ausbildung wie in Deutschland
Umso mehr freut sich das Kamenzer Azurit-Pflegeheim nun, dass es seit 1. August drei neue Kolleginnen im Team hat. Diese kommen aus Mexiko und wurden im eigenen Land fünf Jahre zu Krankenschwestern ausgebildet. Nach einem aufwendigen Anerkennungsverfahren in Deutschland legten sie kürzlich in Chemnitz ihre mündlichen Prüfungen ab. Und sind nun befähigt, die deutschen Kollegen zu unterstützen. Ihr Visa geht gerade ins Verlängerungsverfahren. Und sie schauen sich in Kamenz nach Wohnungen um.
Dank ihnen konnte die ersehnte Eröffnung des ungenutzten Wohnbereiches erfolgen. Vorerst mit ein paar Zimmern, aber immerhin. "Der traurige Umstand hat nun ein Ende, das freut uns alle", sagt Ralph Domschke. "Unsere Hausmeister mussten schließlich auch diese Räume mitbetreuen, ohne dass sie genutzt wurden. Bis September sollen zehn bis zwölf neue Bewohner einziehen, zwei sind schon da. Weitere folgen, wenn wir mehr Personal bekommen."
Die ausländischen Kolleginnen seien prima angenommen worden, berichten sie. Die 34-jährige Elvir Lorena Valdovinos Rivera zum Beispiel ist glücklich, hier zu sein. "Für uns hat sich ein Traum erfüllt", sagt sie. Sie stammt aus einem kleinen Dorf im Westen Mexikos. Für sie ist Kamenz groß. Kontakt zur Familie hält sie über WhatsApp. "In zwei Jahren kann ich sie frühestens wiedersehen", sagt sie.
Seit Sommer 2019 leitet Ralph Domschke das Haus. Woran der extreme Fachkräftemangel vor Ort liegt, kann er schlecht sagen. Wenn die Azurit-Gruppe zum Beispiel in der Chemnitzer Region, wo sie auch Einrichtungen betreibt, Stellen ausschreibt, dann müsse sie nie lange suchen.
In Kamenz tragen die ländliche Gegend und die fehlenden nahen Ausbildungsstätten zum Problem bei. "Als die Kamenzer Pflegeschule kürzlich schloss, war das auch für uns ein riesiges Problem. Jetzt bildet nur noch das Berufliche Schulzentrum Kamenz aus, die nächste Schule ist in Großröhrsdorf."
Entlohnung in der Branche hat sich verbessert
Die Pflegebranche habe sich hingegen in Sachen gerechter Entlohnung in den Jahren gemausert. "Wir selbst zahlen Haustarif, auch sonst hat die Branche einen Sprung nach vorn gemacht. Der Job wird gerecht entlohnt, es gibt Zuschläge, und selbst Azubis starten mit gutem Gehalt", weiß Pflegedienstleiterin Andrea Beyer.
Bei der Karriere ist einiges machbar, Fort- und Weiterbildungen werden angeboten. Doch auch mit diesen Aussichten bleibt der Arbeitsmarkt hart umkämpft. Junge Leute lernen selten Pflegeberufe. Die Aussicht auf Schichtarbeit an 365 Tagen im Jahr trage unter anderem dazu bei, dass es an willigen Nachwuchs fehlt.
Die Fachkräfte aus Mexiko werden über eine Agentur vermittelt. "Das alles kostet den deutschen Steuerzahler keinen Cent, nur das Unternehmen Azurit", so Ralph Domschke. Mit ihrem natürlichem Temperament sind die ausländischen Pflegekräfte übrigens sehr beliebt bei den Bewohnern. Auch auf die vietnamesischen Kollegen im Haus trifft dies zu.
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