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Dankeschön, Herr Borrmann!

Am Freitag wurde der Leiter der Kötitzer Oberschule in seinen Ruhestand verabschiedet. Nach über 40 Jahren in diesem Haus. Das ist rekordverdächtig.

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© Sven Görner

Von Sven Görner

Coswig. Besondere Ereignisse verlangen besondere Maßnahmen. So wie am Freitag in der Oberschule Kötitz. Da war auf der Homepage zu lesen, dass ein Sonderstundenplan gilt. Die vielen Autos, die völlig ungewohnt zur Mittagszeit im Umkreis des Hauses parkten, waren ein weiteres Indiz dafür, dass hier etwas Besonderes passiert.

Das Ereignis fand in der Turnhalle statt. Und der Mann, um den es dabei ging, saß unauffällig in der ersten Reihe. Akteure der Veranstaltung waren Schüler, Lehrer, Eltern und auch ein paar Ehemalige – Lernende und Lehrende. Sie alle waren gekommen, um Harald Borrmann Dankeschön und Auf Wiedersehen zu sagen. Dass ein langjähriger Lehrer und Schulleiter in den wohlverdienten Ruhestand geht, ist an sich nichts Besonderes. Im Fall von Harald Borrmann aber schon.

Immerhin arbeitete der Coswiger über 40 Jahre in dem Haus. Die letzten 25 davon als Schulleiter. Das ist rekordverdächtig. Allein seit der Wende sah er sieben Minister kommen und gehen, zahlreiche Referenten, noch mehr Lehrer und über 1 000 Schüler. Nicht zu vergessen die zahlreichen Änderungen im Bildungssystem, erinnerte sein Stellvertreter und ab Montag amtierende Leiter der Schule, Matthias Müller.

Dabei sei er immer Lehrer mit Leib und Seele geblieben, mit viel Verständnis für seine Schüler. Wer die Ruhe und Aufmerksamkeit und auch die Reaktionen der Mädchen und Jungen auf bestimmte Aussagen beobachtete, musste zwangsläufig zu dem Schluss kommen, dass dies nicht nur wohlgemeinte Worte waren.

Doch nicht nur die gegenwärtigen Schüler scheinen gut mit ihrem Lehrer und Schulleiter ausgekommen zu sein, wie das viele Händeschütteln und sogar einige Umarmungen zeigten, sondern auch viele der Ehemaligen, mit denen er heute noch oft ein Schwätzchen macht, wenn man sich irgendwo trifft. Sehr zur beiderseitigen Freude. Auch manche Erinnerungen werden dabei ausgetaucht. Etwa daran, wie für den Sportunterricht anfangs der Ballsaal des Kötitzer Gasthofs genutzt wurde – und als dem Koch der Putz in die Töpfe bröckelte, schließlich ein Raum in der damaligen Cowaplast genutzt wurde. Das hieß für die Schüler 20 Minuten Fußmarsch hin und wieder zurück, egal bei welchem Wetter. Im Sommer fand der Sportunterricht auf dem Schulhof statt. Aber auch der war dafür nur wenig geeignet, erinnert sich ein ehemaliger Schüler. Der Hundertmetersprint endete so regelmäßig in einem Zaun.

Harald Borrmanns Verabschiedung fand am Freitag übrigens dort statt, wo er die Schule kennengelernt hatte, wie er selbst sagt. „Ich fragte, wo der Sportplatz ist und bekam die Antwort: ,Hier‘.“ Es war der erwähnte Schulhof. Und die Sporthalle?, sei seine nächste Frage gewesen. Auch die gab es wie gesagt nicht. Keine guten Bedingungen für einen Sport- und Geschichtslehrer. „Ich wollte daher nur drei Jahre bleiben“, erinnert sich Harald Borrmann, der für seine Schüler damals der Sportlehrer im blauen Trainingsanzug war. Mit 22 Jahren nicht viel älter als seine Zehntklässer.

Dass er länger, viel länger blieb, bedauert wohl niemand. Auch er selbst nicht. Harald Borrmann hat es verstanden, viele seiner Schüler für den Sport zu begeistern Und er verstand es, sie an verschiedene Sportarten heranzuführen. Ob nun Kanu, Handball, Schwimmen oder Volleyball. Und das sogar mit einigem Erfolg. Holm Döring schaffte es im Volleyball beispielsweise sogar in die Nachwuchsnationalmannschaft, erinnert sich ein Ehemaliger.

Dass man Harald Borrmann nach der Wende zum Schulleiter machte, überraschte wohl keinen seiner ehemaligen Schüler. Dabei waren erneut seine Improvisationsgabe und sein Talent fürs Organisieren und Motivieren gefragt. In den ersten 15 Jahren durchlief die Schule viele Auf und Ab’s. Die Schülerzahlen sanken und 2007 drohte sogar die Schließung. Doch Borrmann kämpfte, wie es Sportler nun einmal tun. Und er überraschte mit neuen Ansätzen und Konzeptionen. Die Sprachförderung für Zuwanderer oder die Alpaka-Therapie gingen durch die Presse. Und dabei gelang es ihm immer, seine Mannschaft hinter sich zu formieren, die ihn bei seinen Zielen unterstützte. Heute gehört die Kötitzer Oberschule mit über 300 Schülern zu den beliebtesten der Region und kann schon seit Jahren nicht mehr alle Anfragen bedienen.

Den Sportplatz hat Harald Borrmann noch zu DDR-Zeiten gemeinsam mit den Eltern gebaut. Der Schulhallenbau folgte erst nach der Wende in seiner Schulleiterzeit. Gern hätte er vor seinem Abschied noch zwei Sachen zu Ende gebracht: den Ergänzungsbau mit neuem Speisesaal und Unterrichtsräumen sowie die Sportplatzmodernisierung. Letztere plant die Stadt nun für 2017. Und der Anbau soll im neuen Schuljahr zur Verfügung stehen. Als FDP-Stadtrat wird er mit darauf achten, dass das auch eingehalten wird. Und als Mitglied im Schulförderverein bleibt Harald Borrmann auch weiterhin der Schule verbunden. Bei einem Urgestein wie ihm darf man dabei wohl ruhig von seiner Schule sprechen. Am Freitag aber hat er erst einmal seinen Schreibtisch geräumt. Still und bescheiden wie immer.