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Das Aufräumen nach der Flut

Das Unwetter vom Freitagabend hat in der Region Meißen teilweise verheerende Schäden angerichtet. Eine Reportage vom Morgen danach.

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© Claudia Hübschmann

Dominique Bielmeier

Lommatzscher Pflege/Meißen. Mit dem Schlamm, der das gesamte Grundstück von Karsten Schulze in Höfgen bei Ziegenhain überzieht, stimmt etwas nicht: Er knirscht. Der Gastwirt der Meißner Kleinmarktschänke kann auch schnell erklären, warum das so ist. Die dunkle, noch immer feuchte Masse ist nur oberflächlich Schlamm. Darunter liegen 15 Tonnen Steinsand und Mineralgemisch, die eigentlich unter das erst vor einem Monat fertiggestellte Carport gehören. Die Flut vom Freitagabend hat sie einfach mitgerissen und großzügig verteilt.

Der Tag nach der Überschwemmung

Nach dem Starkregen kam es in der Lommatzscher Pflege teilweise zu schweren Überschwemmungen. Das Grundstück von Karsten Schulze und seiner Familie in Höfgen wurde von den Schlamm- und Wassermassen geradezu überrollt.
Nach dem Starkregen kam es in der Lommatzscher Pflege teilweise zu schweren Überschwemmungen. Das Grundstück von Karsten Schulze und seiner Familie in Höfgen wurde von den Schlamm- und Wassermassen geradezu überrollt.
Zurück blieb nicht nur sehr viel Schlamm, der nun beräumt werden muss.
Zurück blieb nicht nur sehr viel Schlamm, der nun beräumt werden muss.
In den betroffenen Regionen entstand auch hoher Sachschaden.
In den betroffenen Regionen entstand auch hoher Sachschaden.
Das schlammige Wasser stand auch im Auto von Familie Schulze.
Das schlammige Wasser stand auch im Auto von Familie Schulze.
Die Aufräumarbeiten waren am Samstag in vollem Gange.
Die Aufräumarbeiten waren am Samstag in vollem Gange.
Sandsäcke zum Schutz vor den Wassermassen liegen noch an neuralgischen Stellen.
Sandsäcke zum Schutz vor den Wassermassen liegen noch an neuralgischen Stellen.
Die Einsatzzentrale des FFW Lommatzsch hatte am Freitag alle Hände voll mit dem Kampf gegen das Wasser und am Sonnabend mit der Koordination der Aufräumarbeiten zu tun.
Die Einsatzzentrale des FFW Lommatzsch hatte am Freitag alle Hände voll mit dem Kampf gegen das Wasser und am Sonnabend mit der Koordination der Aufräumarbeiten zu tun.
Besonders die  Riesaer Straße in Lommatzsch war nach dem Sturzregen von Schlamm bedeckt.
Besonders die Riesaer Straße in Lommatzsch war nach dem Sturzregen von Schlamm bedeckt.
Hier waren am Sonnabend etliche Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehr und des Bauhofes zugange um die teils halbseitig gesperrte Straße zu beräumen .
Hier waren am Sonnabend etliche Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehr und des Bauhofes zugange um die teils halbseitig gesperrte Straße zu beräumen .
Auf der Kirchstraße in Ziegenhain wurde am Tag nach dem Unwetter der Schlamm von der Straße und aus den Höfen gespült.
Auf der Kirchstraße in Ziegenhain wurde am Tag nach dem Unwetter der Schlamm von der Straße und aus den Höfen gespült.
Mit Besen und vollem Körpereinsatz versuchten die Ziegenhainer, dem Wasser Herr zu werden.
Mit Besen und vollem Körpereinsatz versuchten die Ziegenhainer, dem Wasser Herr zu werden.
Eine Brücke in Ziegenhain wurde vom Wasser um einen halben Meter verrückt, wie Ortswehrleiter Thiel zeigt.
Eine Brücke in Ziegenhain wurde vom Wasser um einen halben Meter verrückt, wie Ortswehrleiter Thiel zeigt.
Das Wasser schoss entlang des Ketzerbachs in bis zu 2,1 Meter Höhe und hinterliess Schlamm und Gestrüpp. auch auf der Brücke.
Das Wasser schoss entlang des Ketzerbachs in bis zu 2,1 Meter Höhe und hinterliess Schlamm und Gestrüpp. auch auf der Brücke.
Die Brücke musste gesperrt werden.
Die Brücke musste gesperrt werden.

„Das ist das Schlimmste, das wir je hatten“, sagt Schulze. Aus seinem Mund will das etwas heißen. Das Hochwasser von 2013 hatte einen Schaden von rund 18 000 Euro bei der Familie angerichtet. „Das wird es noch übertreffen.“ Traurige Bilanz der sintflutartigen Regengüsse: Zwei kaputte Rasentraktoren, eine überflutete Garage, eine völlig zerbeulte Biotonne, gebrochene Betonplatten vor dem Haus, ... Ein Auto sieht aus, als wäre es noch gut weggekommen, am Kühlergrill hängt nur ein Büschel Gras. Dann öffnet Schulze die Fahrertür: Der Innenraum ist bis über die Sitzflächen mit Schlamm überzogen. Auch hier stand das Wasser. Zur Bilanz kommen deshalb noch zwei zerstörte Autos.

Wenige Fahrminuten entfernt blickt Hartmut Märgel mit Tränen in den Augen über seinen Hof am Rand Ziegenhains. Nur eine große Pfütze auf der Wiese ist geblieben von der Flut am Freitagabend. An den Grasbüscheln, die sich im Zaun seiner Schafweide verfangen haben, erkennt man, wie hoch das Wasser stand. Die beiden Tiere konnte er gerade noch retten. „Das Gewitter war so gut wie durch“, erzählt Märgel und klingt noch immer fassungslos. Er telefonierte gerade mit einem Freund, der von der Überschwemmung bei sich Zuhause berichtete. Dann ging Märgel für zehn Minuten ins Haus. Als er zurück nach draußen kam, stand bereits alles unter Wasser. In der Nähe seines Hauses treffen sich Ketzerbach und Kelzgebach.

Höfgen, Ziegenhain, Leuben, Lommatzsch und die Gegend um Nossen: In diesen Orten hat das kurze, heftige Unwetter vom Freitagabend besonders große Schäden hinterlassen. Die Menschen, die es getroffen hat, waren teilweise bis tief in die Nacht damit beschäftigt, das Schlimmste zu beseitigen. „Als wir heute um halb acht angefangen haben, war alles noch verschlammt“, sagt Marcus Thiel, Ortswehrleiter der Feuerwehr Ziegenhain am Sonnabendvormittag.

Da sind die Kameraden gerade damit beschäftigt, die Kanäle frei zu spülen. In einem steckte ein roter Plastikeimer. „Deshalb konnte das Wasser hier nicht abfließen.“ Ein paar Meter entfernt wird ein Keller leergepumpt. Eine Stunde lang wird die Pumpe wohl laufen, bis er leer ist, schätzt Michael Thiel, der am Freitagabend Einsatzleiter vor Ort war. „Aller zehn Minuten stand das Wasser zehn Zentimeter höher.“

Hans-Jürgen und Katharina Förster im Haus direkt gegenüber kamen glimpflicher davon. Trotzdem sagt Katharina Förster: „Das hatten wir schon lange nicht mehr, dass das Feld mitkommt.“ Man werde gleich an die Flut 2002 erinnert. „Aber was erstaunlich ist: Alle Leute sind sofort da. Das macht das Dorf wirklich aus.“ Noch am Abend habe eine Freundin eine Schmutzwasserpumpe vorbeigebracht.

Man muss die Kirchstraße nur ein Stück weitergehen und dann links in einen Weg direkt am Ketzerbach entlang einbiegen, um zu verstehen, mit welcher Kraft der Bach durch den Ort geschossen sein muss. Das Gras hier wirkt wie in eine Richtung gekämmt. Ortswehrleiter Thiel hatte zuvor schon von einer Holzbrücke gesprochen, die der reißende Strom um einen halben Meter verrückt habe. Was er nicht erwähnt hatte, war, wie massiv die Brücke ist: Sie trägt sogar Autos über den Ketzerbach. Nur ein Baumstumpf hat sie gestoppt, sonst wäre sie vom Wasser mitgerissen worden.

Mit der Brücke wurde auch die einzige Zufahrt zum Haus von Familie Samek zerstört. An der Fassade hängt eine Hochwassermarke von 2002. Diesen Stand hat das Wasser längst nicht erreicht, trotzdem sind die Auswirkungen verheerend, wie Michael Samek berichtet: Trotz Flutschutz aus Metall wurde der Keller überschwemmt, Möbel konnten nicht schnell genug gerettet werden, auch die Kläranlage lief über.

Ortswechsel. Im Funkraum der Freiwilligen Feuerwehr Lommatzsch sitzen Burkhard Hänsel, Wachtleiter von Wachtnitz, und Steffen Pforte, stellvertretender Stadtwehrleiter von Lommatzsch, vor Bildschirmen. „Vor Landmaxx werden Besenstiele gebraucht“, sagt Hänsel in ein Mikrofon. Hier läuft die Koordination der Einsätze zusammen. „Momentan versuchen wir, sieben Lagen zu beheben“, so Pforte. Die Feuerwehr unterstützt den Bauhof beim Aufräumen – Schlamm wird geräumt, Gullydeckel werden gereinigt. Am schlimmsten war es in der Riesaer Straße zwischen Terence-Hill-Bad und Schützenhaus. Dort sei das Wasser als reißender Fluss runter geschossen. Weil am Freitag alle Kräfte rausfahren mussten, musste Kreisbrandmeister Ingo Nestler Verstärkung für die Befehlsstelle anfordern. Pforte beweist trotz allem Galgenhumor: „Wir hatten gestern die größte Kindertagsparty im Landkreis.“