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Das Autoland Sachsen verliert seine Busse

MAN will sein Neoplan-Buswerk in Plauen schließen – Widerstand formiert sich.

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© dpa

Von Lars Radau

Für Anders Nielsen war es am Ende schlicht eine Frage der Zahlen. Rund 900 Busse jährlich, heißt es bei der MAN-Sparte Truck & Bus, deren Vorstandschef Nielsen ist, könne das Plauener Neoplan-Werk bauen. 2013 seien es mit 280 Bussen nicht einmal ein Drittel gewesen. Die Nachfrage nach Luxusbussen wie etwa dem in Plauen gebauten Neoplan Starliner, bewege sich zudem europaweit „auf einem historischen Tiefstand“. In wichtigen Märkten sei die Wirtschafts- und Bestelllage schlecht, die Aussicht auf Besserung überschaubar – weshalb es sich nicht rechne, weiter in Plauen zu produzieren. Denn gleichzeitig betreibt MAN noch ein weitaus größeres Buswerk in der türkischen Hauptstadt Ankara – das ebenfalls bei Weitem nicht ausgelastet ist. Die Produktion aus Plauen soll dort ab März kommenden Jahres helfen, die Lücken zu schließen.

Für den Plauener Neoplan-Betriebsratschef Marcus Galle ist dieser Schritt indes „Selbstmord aus Angst vor dem Tod“. Die überraschende Entscheidung – Galle selbst war erst am Montagabend von Konzernvertretern über die Schließungs-Absichten informiert worden – hat für den Betriebsrat mit „betriebswirtschaftlicher Vernunft nichts zu tun“. Denn der Konzern habe erst in den letzten vier Jahren rund 18 Millionen Euro in das Plauener Werk investiert – zwölf davon für eine neue hochmoderne Lackiererei.

Deren Rückständigkeit war noch 2010 ein Argument dafür gewesen, die Fertigung von „Busgerippen“, dem Rohbau der Fahrzeuge, ins polnische Starachowice zu verlegen. Diese Kröte hatten die Plauener Mitarbeiter damals auch geschluckt, weil das Werk damals gleichzeitig zum Schwerpunkt-Standort für die Luxus-Busse wurde. Und weil man sich auf einen „Zukunftstraifvertrag“ einigte, der betriebsbedingte Kündigungen bis 2016 ausschließt.

Der ist sowohl aus Sicht von Marcus Galle als auch von Stefan Kademann, 1. Bevollmächtigter der IG Metall in Zwickau, derzeit eine Art As im Ärmel. Gemeinsam mit weiteren Gewerkschafts- und Betriebsrats-Vertretern reisen die beiden heute nach München, um mit dem MAN-Vorstand über die Schließungs-Pläne zu sprechen. Dass man sich im VW-Konzern, zu dem MAN gehört, an diese Zusage erinnert, zeigt das Angebot, das Anders Nielsen auf der Betriebsversammlung verkündete: Den 426 Mitarbeitern, die vom Aus in Plauen betroffen wären, sollen neue Arbeitsplätze bei VW Sachsen im rund 35 Kilometer entfernten Zwickau angeboten werden. Mit der Inbetriebnahme der neuen Fertigungslinie für Golf und Passat im Sommer 2014 und dem Anlauf des neuen Passat Variant ab Herbst 2014 würden dort zusätzliche gut ausgebildete Fachkräfte benötigt, sagte ein Sprecher von VW Sachsen.

Für Marcus Galle ist das indes nur die halbe Miete. Diese Ankündigung gebe den Kollegen und ihren Familien zwar etwas Sicherheit. „Priorität muss aber der Erhalt des Standortes haben“, sagte Galle der Sächsischen Zeitung. Das sei auch die deutliche Botschaft der Mitarbeiter gewesen, die sie auf der Betriebsversammlung „auch durchaus aggressiv“ vertreten hätten.

Sehr deutlich fiel auch die Reaktion des Plauener Oberbürgermeisters aus: Er sei „bestürzt und voller Unverständnis“, ließ Rathauschef Ralf Oberdorfer mitteilen. Die Schließungs-Ankündigung sei „ein Schlag ins Gesicht der Beschäftigten und zugleich ein neuerlicher Tiefschlag für Plauen, nachdem schon der MAN-Standort Plamaq liquidiert wurde“. Mit dem Neoplan-Werk stehe jetzt der letzte industrielle Arbeitgeber im Stadtgebiet auf der Kippe, hieß es gestern aus dem Rathaus. Auch Oberdorfer hat ganz offenbar erhebliche Zweifel am betriebswirtschaftlichen Sinn der Schließung. Er verwies darauf, dass er erst im September 2011 zur Grundsteinlegung für das neue Logistikzentrum des Werks – eine Investition von rund 20 Millionen Euro – eingeladen gewesen sei – vom selben Konzernvertreter, der ihm am Montagabend die Schließungs-Nachricht überbrachte.

Auch Sachsens Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP) reagierte enttäuscht und zeigte sich überrascht von den Plänen der MAN Gruppe. Sein Haus prüfe nun eine Rückzahlungsforderung für Fördermittel, da das Unternehmen damit verbundene Zusagen nicht eingehalten habe. DGB-Landeschefin Iris Kloppich warf Morlok indes „Untätigkeit“ vor. Er schaue der „Deindustrialisierung des Vogtlandes“ tatenlos zu. Landrat Tassilo Lenk (CDU) hält die Werkschließung für inakzeptabel und sprach vom „Vertrauensbruch an Menschen und Regionen“. Zudem werde ein Standort preisgegeben, für den jüngst noch ein Spatenstich als Zeichen von Zukunft und Investition gesetzt worden sei.

Doch das letzte Lied für den Standort ist zumindest für Marcus Galle und Stefan Kademann keinesfalls gesungen. „Wir haben nicht vor, die Schließung kampflos hinzunehmen“, betonten sie gestern unisono.