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Das blaue Flämmchen

SZ-Adventskalender, Türchen 19: Sagen aus der Sächsischen Schweiz - Wie ein armer Mann einen großen Schatz findet – und verliert.

Von Peter Ufer
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Lea (4) aus Hohnstein als „Das blaue Flämmchen“.
Lea (4) aus Hohnstein als „Das blaue Flämmchen“. © Foto: Marko Förster

Am Dohnaer Friedhof vorbei führt die Straße nach Heidenau, dort liegt eine schmucke Siedlung. Kurz davor versteckt sich im Straßengraben eine verwitterte Tür. Hinter ihr soll früher ein weiter unterirdischer Gang begonnen haben. Jetzt ist dort alles versunken und still, in der Walpurgisnacht aber war es einst lebendig an dem Ort.

Ein müder Mann geht nach Hause, just in der Stunde, da gute und böse Geister ihr Wesen treiben. Sorgenbeladen geht er; er denkt nicht an Geisterstunde und Hexenzauber. Da kommt vom Friedhof ein blaues Flämmchen. Zum Erschrecken ist dieses leuchtende Flackern. Eine Stimme geistert daraus: „Komm mit!“ Zag folgt der Aufgeforderte. Mit tastenden Schritten und verkrampften Fingern. „Komm her!“ Kleiner wird das Gespensterleuchten. Ins Gezweig huscht es. Nach geht der Mann – wie im Fiebertaumel. „Mach auf!“ Mit eisernen Griffen wuchtet er die verwitterte Tür im Straßengraben auf. Riesenkräfte hat er plötzlich. Unheimliche Finsternis füllt den Gang. „Komm mit!“ Ein tritt er ins Dunkel. Eine alte Schaufel lehnt an der Wand. „Nimm und grab!“ Drohend plötzlich die Flammen-Stimme: „Dreh dich nit um! Was immer auch kumm!“ Der Mann erfasst die Schaufel. „Eile dich, eile! Hast Zeit nur kurz’ Weile!“ Der Mann gräbt und gräbt. Seine Kräfte wachsen, bald gähnt ein tiefes Loch. Unter den Schichten gleißt’s und glänzt’s. „Schaff, eile, eile!“ ermuntert das Flämmchen. Da zerreißt ein wahnsinniger Schrei die Stille, als ob einer grausam gemartert würde. Des Arbeitenden Herzschlag stockt. „Schaff, schaff!“ ertönt ängstlich das Flammstimmchen. Immer verlockender funkelt’s und schimmert’s aus der Tiefe. Jetzt erhebt sich tobender Sturm. Es donnert und blitzt.

Im Schweiße schafft der Zitternde weiter. Da ist es ihm, als ob eiserne Griffe sein Gesicht wenden wollen. Unwiderstehlich will es ihn herumziehen. „Schaff, eile!“, klagt das fast erlöschende Flämmchen. „Und dreh dich nit um!“

Da loht es plötzlich um ihn. Der Gang steht in heller Feuersglut. Jetzt hämmert die Sturmglocke durch das Toben. Hilfeschreie von tausend Wahnsinnigen brodeln in dem wallenden Tal des Städtchens. Da ist die letzte Erdschicht entfernt. Ein großer Kessel blitzender Steine, Gold- und Silberstücke steht in geheimnisvollem Licht. Gierig langt der Gräber danach. Auf brandet mit unerhörter Wucht das fürchterliche Toben und Flammen. So höllisch schrecklich, dass er den Schatz vergisst und im Taumel den Kopf wendet. Nur eine Sekunde. Des Flämmchens Stimme zerbricht im Dunkel wie edles Glas. Polternd und berstend versinkt der Schatz. Ein Donnerschlag lässt die Erde erbeben. Der Mann wird auf die Straße geschleudert.

Still ist’s draußen, die Mondsichel lächelt über das friedliche Tal. Eben verkündet die Uhr die erste Stunde. Der Mann steht mit leeren Händen da.

Gelesen werden die Sagen täglich, 17 Uhr, auf dem Pirnaer Canalettomarkt vom Weihnachtsmann, auch das Kalenderkind ist dann mit auf der Bühne.