Von Kevin Schwarzbach
Riesa. Es ist die alte Frage nach der Schuld, liebe Leserinnen und Leser. Wer trägt die Verantwortung? Ich oder die anderen? Was für eine blöde Frage – natürlich die anderen. Das zumindest ist der Tenor zur Riesaer Blitzer-Bilanz 2016. Insgesamt 7 052 Temposünder erwischten die Ordnungshüter der Stadt Riesa im vergangenen Jahr, etwas mehr als 160 000 Euro spülten die Verwarnungen in die Stadtkasse. Welch skandalöse Abzocke! Auf der Facebookseite der SZ Riesa schreiben sich die Kommentatoren schon wieder die Finger wund. Sie wittern „unwürdige Methoden“, vermuten, dass die Stadt „geil ist aufs Blitzen“, oder glauben, dass lediglich dort gemessen wird, „wo es Kohle zu machen gibt“. Das Blitzen an sich sei allein dafür erfunden worden, um eine stets verlässliche Einnahmequelle zu erschaffen.
Ja, ich kenne dieses Gefühl, liebe Leserinnen und Leser. Plötzlich blicken Sie in ein rotes Licht, die Hände erstarren am Lenkrad und der Kopf beginnt zu glühen. Wut, Angst, Verzweiflung. Es folgt die gedankliche Rekonstruktion. Wie schnell war ich unterwegs, als das rote Licht auftauchte? 61, 57, 55? Na ja, auf jeden Fall zu schnell. Und warum müssen die hier überhaupt blitzen? Das ist doch kein Unfallschwerpunkt, verdammt noch mal. Abends dann noch ein paar Beschwerdenachrichten an die Freunde, ein paar Klagen auf Facebook. Schnell stellen wir fest: Andere teilen das eigene Leid, schon formiert sich die Gruppe. Wir, die Unschuldigen. Es wird gegen alle geschimpft, die auf das entscheidende Puzzlestück gar keinen Einfluss hatten. Das Gaspedal.
Allein der Autofahrer ermöglicht durch seine Unkonzentriertheit das teure Foto, allein die Autofahrerin macht durch ihre gewollte oder ungewollte Tempoüberschreitung den Griff ins Portemonnaie nötig. Und auch wenn es nur 54 statt 50 Kilometer pro Stunde sind: Autofahren wird schnell zum tödlichen Spiel. Da kann es nicht schaden, kontinuierlich an die Regeln erinnert zu werden. Und bei elf Stundenkilometern zu viel werden innerorts gerade mal 25 Euro fällig. Eine läppische Strafe gegen die circa 230 Euro in der Schweiz. Doch bevor sich bei den Blitzer-Gegnern unter Ihnen die Halsschlagader zu einer Bockwurst verformt, versuche ich mich an ein wenig Versöhnung. Wir Riesaer scheinen gar nicht so draufgängerische Autofahrer zu sein, zumindest im Vergleich zur Stadt Radebeul. Dort haben die Ordnungshüter 2016 siebenmal so viele Temposünder aus dem Verkehr gezogen und damit fast eine Million Euro zusammenbekommen. Unbelehrbare Fahrer oder gierige Stadtverwaltung? Diese Woche kann wohl kaum rasanter werden.