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Wo der Stasi-Chef Urlaub machte

Der Lugsteinhof in Zinnwald zählt heute zu den bekanntesten Gästehäusern im Osterzgebirge. Dabei musste das Volk zunächst vor der Tür bleiben.

Von Mandy Schaks
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Das Hotel Lugsteinhof in Zinnwald wirbt gern damit, das höchstgelegene Hotel im Osterzgebirge zu sein. Und das kann man an schönen Wintertagen in fast 900 Metern Höhe auch sehen.
Das Hotel Lugsteinhof in Zinnwald wirbt gern damit, das höchstgelegene Hotel im Osterzgebirge zu sein. Und das kann man an schönen Wintertagen in fast 900 Metern Höhe auch sehen. © Egbert Kamprath

Das Hotel Lugsteinhof in Zinnwald atmet Zeitgeschichte wie kein anderes Gästehaus im Osterzgebirge. Dabei ist es gerade mal 40 Jahre jung, erlebte und überlebte aber in der kurzen Zeit zwei Gesellschaftsordnungen und musste nach der politischen Wende erst einmal ein öffentliches Haus werden. Als es am 11. Oktober 1978 als Ferienheim Am Lugstein eingeweiht wurde, meldete sich ein Generalmajor namens Markert persönlich. „In diesem Haus werden sich unsere Genossinnen und Genossen, dessen bin ich mir sicher, stets wohlfühlen und neue Kräfte schöpfen für den erfolgreichen Kampf gegen den Klassenfeind“, schrieb er. Nur reichlich zehn Jahre später war die DDR weg, das Gästehaus aber ist immer noch da.

1994 kaufte Familie Kadletz aus Hessen das Hotel von der Treuhandanstalt Berlin. Konrad Kadletz ist inzwischen alleiniger Gesellschafter. Seitdem wurden reichlich sieben Millionen Euro investiert. „Trotz allem wird der Lugsteinhof seinen Charme der Gründungsjahre behalten“, sagt Hotel-Geschäftsführer Jochen Löbel. Schließlich sei das auch für viele Gäste Anlass, immer wiederzukommen. Die SZ sprach mit ihm.

Herr Löbel, woran erinnern Sie sich, als Sie im Lugsteinhof begannen?

Zu meinem Arbeitsbeginn am 1. November 1994, 8 Uhr, herrschte Nebel und das dann vier Wochen durchgehend. Ich kam von den Hotels Friedrichshöhe in Oberbärenburg und Stephanshöhe in Schellerhau. Da gab es wenigstens ab und an im November klare Sicht. Mitte November 1994 hatte ich Befürchtungen, mein eigenes Gehalt nicht erwirtschaften zu können. Die Ängste waren berechtigt. Denn in der Stephanshöhe hatte ich Silvester 1993/94 insgesamt 600 Gäste. Für den Lugsteinhof waren für Silvester 1994/1995 bei 75 Doppelzimmern 100 Personen vorangemeldet. Aber wir konnten durch gezielte Werbung noch 60 Gäste gewinnen. In den letzten Jahren hatten wir dann auch im stets ausgebuchten Lugsteinhof 400 bis 500 Silvestergäste.

Das Haus wurde einst als Ferienheim für Mitarbeiter der Staatssicherheit gebaut, also das normale Volk kam gar nicht rein. Verraten Sie doch mal, wie machten diese Leute Urlaub? Haben Sie dazu etwas herausfinden können?

Das Ferienheim Am Lugstein wurde für Mitarbeiter der Bezirksverwaltungen des Ministeriums für Staatssicherheit, kurz MfS, errichtet. Im benachbarten Heim Lug ins Land durften nur hohe Offiziere und Generäle des MfS und des russischen Geheimdienstes KGB Urlaub machen. Um beide Heime war ein Zaun errichtet, selbst die Schneise 30 von der Wetterwarte bis zum Kahleberg wurde verlegt, um die Abgeschiedenheit nicht zu stören. Die Ferienheimgäste verbrachten circa 14 Tage bei Vollpension in Zinnwald ihren Urlaub. Im Haus selbst hatten sie alle Annehmlichkeiten – Frisör, Arzt, Schwimmhalle, Sauna, Kegelbahn usw. Sie mussten also das Gelände nicht groß verlassen. Einheimische, außer Belegschaft, Filmvorführer, DJ und ähnliche, durften das Haus nicht betreten. Selbst Urlauber mussten sich beim Betreten des Geländes ausweisen.

Und wie geheim ging es da zu?

Von der im Ferienobjekt untergebrachten Telefonüberwachung der Abteilung XXVI hatten selbst die Mitarbeiter des Ferienheimes keine Kenntnis. Die Räumlichkeiten waren selbst noch bis 1995 an die Deutsche Post/Deutsche Telekom vermietet.

Was waren die schwierigsten Momente in den 40 Jahren Lugsteinhof?

In den letzten 40 Jahren hat der Lugsteinhof vier Eigentümerwechsel fast unbeschadet überstanden. Das Haus war stets geöffnet, hatte aber nach dem Hochwasser am 12. August 2002 seine schwierigste Zeit zu bestehen. Wir hatten 600 000 Euro Schaden und von Mitte August bis zum 3. Oktober 2002 kaum Gäste.

Und was zählt zu den schönsten Augenblicken?

Die schönsten Momente sind immer die Abreisen und Wiederkehr zufriedener Gäste. Wir haben circa 500 Stammgäste, die uns übers Jahr mehrfach besuchen. Unsere Lesungen seit 20 Jahren sind Kultur auf dem Kamm und lassen uns so manche Sternstunde erleben, wie zuletzt am 6. Oktober dieses Jahres mit Gregor Gysi.

Was hat sich aus Ihrer Sicht am meisten verändert?

Wir konnten die Hotelzimmeranzahl von 50 auf 101 verdoppeln. Die größte Veränderung in den letzten Jahren ist die ungebremste Abwanderung vor allem junger Menschen aus der Region. Zinnwald hat fast die Hälfte seiner Einwohner seit 1990 verloren. Die Politik spricht ständig von der Stärkung des ländlichen Raumes, ohne dass spürbare Veränderungen eintreten. Die Populisten gewinnen dadurch leider an Zuhörern und machen uns Touristikern das Leben schwer. Mit der fehlenden Jugend macht leider auch das Fachkräfteproblem um den Lugsteinhof keinen Bogen.

Was wünschen Sie dem Lugsteinhof in den nächsten 40 Jahren?

Wir wollen unser Niveau als 3-Sterne-Superior-Familien- und Sporthotel halten und schrittweise weiter ausbauen. Wir hoffen, unser Dienstleistungsangebot trotz des Fachkräfteproblems weiterhin uneingeschränkt anbieten zu können. Die Zufriedenheit all unserer Gäste bleibt unser Hauptanspruch.

Durfte Ihr Haus auch Prominenz beherbergen und bewirten?

Prominenz, wenn Sie so wollen, der letzten 40 Jahre waren Stasi-Minister Erich Mielke, der letzte Vorsitzende des Ministerrates der DDR, Hans Modrow, der Leiter der Hauptverwaltung Aufklärung beim MfS Markus Wolf, Gustav-Adolf „Täve“ Schur, Gregor Gysi und fast alle, die im Osten Deutschlands ein Buch veröffentlicht haben. Zu Gast waren ebenfalls die letzten beiden und der aktuelle Ministerpräsident von Sachsen, der Dresdner Oberbürgermeister Dirk Hilbert, der Altenberger Bürgermeister Thomas Kirsten und, und, und. Hatte das Ferienheim Am Lugstein bei fast 100-prozentiger Bettenauslastung 1979 circa 30 000 Übernachtungen, waren es im Hotel Lugsteinhof im vergangenen Jahr 54 596. Dies sind knapp 70 Prozent Auslastung der uns jetzt zur Verfügung stehenden Gästebetten.

Und was konsumieren Ihre Gäste im Jahr zum Beispiel so?

Der Bierkonsum lag im vergangenen Jahr bei circa 32 000 Liter. Von Margon Mineralwasser und Rechenberger Tafelwasser wurden circa 35 000 Liter ausgeschenkt.

Chef Jochen Löbel ließ das Haus mehrfach zertifizieren, hier 2006. Fotos/Repros: Egbert Kamprath
Chef Jochen Löbel ließ das Haus mehrfach zertifizieren, hier 2006. Fotos/Repros: Egbert Kamprath
Viele Gäste erlebten hier schon unterhaltsame Abende und Feiern.
Viele Gäste erlebten hier schon unterhaltsame Abende und Feiern.
Viele Gäste erlebten hier schon unterhaltsame Abende und Feiern.
Viele Gäste erlebten hier schon unterhaltsame Abende und Feiern.
So sah die Speisekarte zum Tanz am 1. Weihnachtsfeiertag 1988 im Haus aus.
So sah die Speisekarte zum Tanz am 1. Weihnachtsfeiertag 1988 im Haus aus.
Im Keller war die Telefonüberwachung untergebracht. Hier die alte Ortsvermittlung von Zinnwald-Georgenfeld, über die alle Zinnwalder Telefonate liefen.
Im Keller war die Telefonüberwachung untergebracht. Hier die alte Ortsvermittlung von Zinnwald-Georgenfeld, über die alle Zinnwalder Telefonate liefen.