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Das Geschäft mit den einsamen Herzen

Einer 90-Jährigen wird ein teurer Auftrag zur Partnervermittlung verkauft. Dass die Frau schwer dement ist, habe die Angeklagte nicht bemerkt, sagt sie.

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© Colourbox.com

Von Jürgen Müller

Sie wirkt adrett, serös, vertrauenserweckend. Die Beine übereinandergeschlagen sitzt die 64-Jährige in ihrem perfekt sitzenden, pinkfarbenen Kostüm scheinbar entspannt vor Gericht. Sieht so eine Betrügerin aus?

Die Staatsanwaltschaft wirft der Frau aus einem Ortsteil von Wilsdruff jedenfalls Betrug vor. Als freie Mitarbeiterin einer Partnervermittlung soll sie im Juli 2014 einer 90 Jahre alten Radebeulerin einen Partnervermittlungsvertrag aufgeschwatzt haben. Und das, obwohl sie laut Anklage genau wusste, dass die alte Frau schwer demenzkrank ist und unter Betreuung steht, weil sie nicht mehr geschäftsfähig ist. Sie habe die alte Frau zur Unterschrift überredet und ihrem Arbeitgeber einen rechtsgültigen Vertrag vorgetäuscht, so die Staatsanwältin. Laut Anklage sollte die Rentnerin für die Partnervermittlung insgesamt 1 500 Euro in sechs Raten zu je 250 Euro zahlen.

Die Angeklagte, die als freie Handelsvertreterin 15 Jahre für die Partnervermittlung arbeitete, jedoch seit Januar vorigen Jahres für diese nicht mehr tätig ist, ist sich keiner Schuld bewusst. Deshalb hat sie auch gegen einen Strafbefehl Einspruch eingelegt. Sie sollte 1 600 Euro Strafe wegen Betruges zahlen. Doch das will sie nicht, sie habe nicht betrogen. „Ich konnte mich mit der Frau ganz normal unterhalten. Manches musste ich ausführlicher erklären, weil sie ja schon älter war“, sagt sie. Eineinhalb bis zwei Stunden habe das Gespräch gedauert. Dass die Frau dement war, habe sie nicht bemerkt. „Sonst hätte ich den Vertrag nicht gemacht“, sagt sie.

Die Tochter der Geschädigten, die auch die Betreuerin ist, sagt jedoch etwas ganz anders aus. Eine Nachbarin habe sie angerufen und mitgeteilt, dass ihre Mutter mit Rock und Oberteil eines Schlafanzuges draußen herumlaufe. Auch, dass sie ihren Hund mithatte, vergaß sie. „Als ich ankam, war eine Frau da. Sie sagte weder ihren Namen, noch was sie wolle. Als ich ihr sagte, dass meine Mutter dement sei und betreut wird, meinte die Frau, dann habe sich das ja erledigt“, erinnert sich die Zeugin. Doch am nächsten Tag sei die Frau wieder bei ihrer Mutter gewesen und habe ihr den Vertrag aufgeschwatzt. Ihre Mutter hat das alles gar nicht erfasst. „Sie sagte mir, sie habe nichts gemacht und nur unterschrieben, dass sie weiter bei der Volkssolidarität Mittag essen könne“, sagt die Tochter. Dass die Partnervermittlerin da war, hatte sie schon wieder vergessen. „Ich weiß nichts, es war niemand da“, sagt sie ihrer Tochter.

Die ruft bei der Sparkasse an, lässt sofort das Konto sperren. Doch da ist es schon zu spät. 280 Euro Abschlagszahlung und 60 Euro Vermittlergebühr sind bereits abgebucht. Sofort löst die Frau das Konto auf. Gerade noch zur rechten Zeit. Schon am nächsten Tag versucht die Partnervermittlung erneut, Geld abzubuchen, laut Zeugin 4 000 Euro. Diesmal vergeblich.

Die Tochter wendet sich an die Agentur. Die bietet ihr daraufhin einen sogenannten Monte-Carlo-Vertrag an. Dabei erklärt der Gläubiger, auf einen Teil seiner Forderung zu verzichten, soweit der Schuldner einen Teil seiner Verbindlichkeit in einer Rate oder in mehreren regelmäßigen Raten zurückzahlt. Wenn der Schuldner jedoch eine Rate oder den Mindestbetrag verspätet oder gar nicht leistet, wird der gesamte geschuldete Betrag sofort fällig.

Die Tochter lehnt das ab. Eigenartigerweise hört sie nie wieder etwas von der Partnervermittlung. Die schickt weder einen Mahnbescheid, noch klagt sie das Geld gerichtlich ein. Die Tochter hat große Zweifel, dass ihre Mutter einen Partner suchte. „Sie war über 60 Jahre mit ihrem Mann verheiratet, er war ihr ein und alles“, sagt sie. Auch habe sie nicht mehr selbst telefonieren können. Nur ihre Nummer und die der Enkelin seien im Telefon als Kurzwahl gespeichert gewesen.

Entscheidend ist, ob der Angeklagten ein Tag vor Vertragsabschluss deutlich gemacht wurde, dass die alte Frau unter Betreuung steht. Um das zu klären, sollen nun am 6. August weitere Zeugen gehört werden. Die Geschädigte selbst wurde zwar vom Gericht geladen, kann jedoch nicht angehört werden. Sie ist vor über einem Jahr gestorben.