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Das Geschäft mit den Schulranzen

Die Eltern gingen noch mit Ledertasche oder Einheitsmodell aus Stoff und Pappe in die Schule, auf ihre Kinder wartet heute die bunte Markenwelt.

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© dpa

Von Miriam Bandar

Draußen fällt noch Schnee. In einem osthessischen Kaufhaus blickt die sechsjährige Ida etwas ratlos auf die Reihen verschiedener Schulranzen. Die für ihre Rücken passenden Modelle sind gefunden, nun soll sie sich zwischen Dutzenden von Designs entscheiden. Alles genau geteilt nach Mädchen und Jungs: Da lockt die Version „Lilac Unicorn“ mit Glitzerstern und Einhorn, auch „Glitter Heart“ und „Cinderella“ setzen auf süßlich-pinken Glitzerchic. Auf Jungs warten mit „Power Tractor“, „Commander“ und „Raptor“ weit aggressivere Designs in dunklen Farben.

„Mama, such du aus, ich weiß nicht“, sagt das künftige Schulkind. Die Verkäuferin greift zielgenau zum teuren Modell: „Schau mal, da sind Klettis dabei, die kannst du abmachen und wieder aufkleben. Und echte Glitzersteine – das gefällt dir doch, oder?“ Um die 250 Euro kosten die Schulranzen im Set mit Turnbeutel und Mäppchen. „Bei den „Limited Editions“ müssen sie schnell sein, bis Ostern sind die vergriffen“, rät die Verkäuferin der Mutter.

Hunderttausende Eltern und Kinder machen sich derzeit deutschlandweit auf die Suche, um ihren Erstklässlern einen möglichst gut ausgestatteten Bildungsstart zu ermöglichen. Für das laufende Schuljahr zählte das Statistische Bundesamt 725 100 Einschulungen. Der richtige Ranzen hat dabei eine zentrale Bedeutung.

„Natürlich ist das ein Hype“, sagt der Mitbetreiber von www.schulranzenparty.de, Simon Pitton-Heep, aus dem Taunus. Er veranstaltet mit seinem Mann seit fast 20 Jahren Ranzen-Verkaufspartys. Zahlreiche Einzelhändler haben die Idee übernommen. Standort der Partys im Rhein-Main-Gebiet sind Autohäuser: „Dann können die Väter nach den Autos gucken und die Mütter kaufen mit den Kindern den Ranzen.“ Neben Essen, Trinken und Kinderschminken bieten dort auch Banken und Hersteller von Plastikdosen und -geschirr ihre Dienste an. 200 bis 300 Ranzensets verkauft der Händler an einem Tag. Fast 300 Euro kostet sein teuerstes, mit Swarovski-Steinen verziertes Set. Um die Familien am anderen Ende der Einkommensskala kümmert sich in Frankfurt die Arbeiterwohlfahrt mit ihrem Projekt „Mein erster Schulranzen“. Kinder seien die Altersgruppe, die am stärksten von Armut betroffen sei. „Die Einschulung ist einer der Anlässe, an dem dies offensichtlich wird“, sagt Sprecher Johannes Frass. Über die Kindergärten suchen sie nach Familien, die Hilfe brauchen und kaufen ihnen Ranzen. Statt gebrauchter Ranzen gibt es Tornister der neuesten Kollektion: „Alles andere würde die Kinder stigmatisieren.“

Wie viel Umsatz mit den Schulranzen gemacht wird und wie viele deutschlandweit im Jahr verkauft werden, kann der Bundesverband der Schuh- und Lederwarenindustrie nicht sagen. Aber „es fällt auf, dass der Durchschnittspreis gestiegen ist“, heißt es. Das könne an der qualitativ hochwertigeren Verarbeitung liegen. Die Trends gingen hin zu ergonomisch gestalteten Ranzen mit verstellbaren Gurten, die so auch mitwachsen könnten. „Die Kinder sind schon in einem Konsumrausch“, sagt der Inhaber zweier Ranzen-Spezialgeschäfte in Frankfurt und Bad Hersfeld, Harald Lassner. Extras wie Klett-Sticker, Magnete, Leuchten und elektronische Spielereien wie im Stoff auftauchende Schmetterlinge sollen die Kleinen begeistern und die Eltern bewegen, mehr auszugeben. (dpa)