Von Jana Werner
Ein Schritt in das Reich von Mohammad Reza Nobari eröffnet einen Blick in eine prachtvolle Welt: Teppiche, so weit das Auge reicht. Inmitten der Hamburger Speicherstadt, hinter dicken, neugotischen Backsteinmauern, führt der 52-Jährige sein Orientteppich-Unternehmen.
Nobari kennt beinahe jeden in der Branche auf dem etwa 630 000 Quadratmeter großen Lagerhauskomplex, hat Händler kommen und gehen sehen. Das goldene Zeitalter der Teppich-Importeure scheint vorbei. Doch Nobari trotzt den rückläufigen Umsatzzahlen und setzt alles daran, dass Werk seines Vater fortzuführen. Nach 20 Jahren als angesehener Teppich-Exporteur siedelte Djavad Nobari 1968 mit seiner Familie aus dem Iran nach Hamburg über. „Wir haben klein angefangen – mit einer Lagerfläche von 150 Quadratmetern“, erinnert sich der Sohn, der bereits während der Schulzeit die Atmosphäre des Teppich-Handels bei seinem Vater aufsaugte.
„Das letzte Mal wollte ich mit vier Jahren etwas anderes werden, nämlich Polizist, seitdem nur noch Teppich-Händler“, erklärt der Iraner. Und so tritt er ganz selbstverständlich in die familiären Fußstapfen, erledigt anfangs „die dreckigste und schwerste“ Arbeit im Unternehmen, erlernt den Beruf von der Pike auf und studiert Betriebswirtschaftlehre. Heute lagert die Firma Nobari in Hamburg mit neun Mitarbeitern auf 1 750 Quadratmetern rund 8 000 verschiedene handgeknüpfte Perserteppiche – überwiegend in einer Größe von zwölf bis 112 Quadratmeter, zwischen 15 und 600 000 Euro kostbar für Kunden in Deutschland (35 Prozent des Umsatzes), im übrigen Europa, in den USA, Australien und Japan.
Der Laden läuft und darf sich nach Angaben von Nobari zu den Top-Ten-Importeuren der Stadt zählen. Allerdings verschließt der Diplom-Kaufmann, der auch Filialen in Teheran und Bukarest unterhält, nicht die Augen: „Die Teppich-Branche befindet sich in einer schwierigen Lage.“ Demnach habe es Mitte der 80er Jahre noch 319 Importeure in Hamburg gegeben. Mittlerweile sind es nach Angaben von Peter Fliegner, Geschäftsführer des Europäischen Verbandes der Orientteppich-Importeure, zwischen 140 und 150 Importeure im Stadtgebiet.
Außerdem wurde 2003 die Zollgrenze verschoben und das Freihandelsprivileg in der Speicherstadt abgeschafft. „Hamburg ist nach wie vor der weltweit größte Umschlagplatz für Orientteppiche, aber der Import ist in den vergangenen fünf Jahren dramatisch zurückgegangen“, beklagt Fliegner. Seit 2000 sei der Umsatz im Deutschlandgeschäft der bundesweit insgesamt etwa 180 Importeure um mehr als die Hälfte von knapp 480 Millionen Euro auf rund 228 Millionen Euro (2005) gesunken. „War der Frust im Hafen vor Jahren meterhoch, so ist er inzwischen weiter gestiegen“, betont Fliegner, denn auch 2006 existiere seit Mitte Februar kaum Nachfrage.
Fliegner führt die Umsatzeinbußen auf die allgemeine Konsumflaute und das veränderte Kaufverhalten zurück: „Die Generation meiner Eltern hat sich einen Teppich als Wertanlage zugelegt.“ Die jungen Leute von heute interessierten sich eher für Bodenbeläge wie Parkett und Laminat.
Nobari zufolge bedrohen die Nachknüpferländer wie Indien und Pakistan, die auf Bestellung preiswerte Massenware herstellen, zudem die Existenz der Orientteppiche. Nicht zuletzt führen frühere Abnehmer, Einzelhändler und Möbelhäuser, mittlerweile ihre Ware selbst ein. Dennoch sieht er gute Chancen, dass das Familienunternehmen auch in die nächste Generation übergeht. (ddp)