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Das ist Sachsens Unternehmer des Jahres

Holger Födischs Firma verkauft innovative Umweltmesstechnik - vor allem nach China.

Von Frank Johannsen
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Er fing zu DDR-Zeiten als Praktikant im Betrieb an. Heute gehört Holger Födisch die Umweltmesstechnik-Firma, deren Geschäft im Wesentlichen auf seinen Ideen basiert.
Er fing zu DDR-Zeiten als Praktikant im Betrieb an. Heute gehört Holger Födisch die Umweltmesstechnik-Firma, deren Geschäft im Wesentlichen auf seinen Ideen basiert. © Foto: Peter Endig

Straßenlaternen, die nebenbei den Feinstaub in der Luft messen. Eine Handy-App, die Joggern sagt, wann sie wegen zu dicker Luft besser nicht vor die Tür gehen. Litfaßsäulen, die in stickigen U-Bahn-Stationen die Luft reinigen. Wenn man Holger Födisch nach seinen Plänen für die Zukunft fragt, sprudeln die Ideen nur so aus ihm heraus. „Manches wird sicher Blödsinn sein. Aber manches wird auch kommen.“ Und seine Firma Dr. Födisch Umweltmesstechnik aus Markranstädt bei Leipzig, die ihr Geld bisher vor allem mit Staubmessern für Kraftwerke, Müllverbrennungsanlagen und Industrie verdient, soll dann ganz vorne mitmischen.

Schon die Tatsache, dass es die Firma überhaupt gibt, ist den pfiffigen Ideen des Tüftlers an der Spitze zu verdanken. Denn das erste eigene Produkt, mit dem der promovierte Ingenieur 1992 auf den Markt kam, hatte er zu DDR-Zeiten selbst entwickelt – als Abfallprodukt seiner Doktorarbeit, die er in den 1980ern an der damaligen Technischen Hochschule Merseburg im heutigen Sachsen-Anhalt schrieb. Dabei ging es darin gar nicht um Staubmessgeräte – sondern um die Verbesserung von Elektrofiltern in Braunkohlekraftwerken. „Und dafür brauchte ich ein Staubmessgerät. Doch das gab es in der DDR nicht zu kaufen. Also hab ich selbst eins entwickelt.“

Als Födisch dann vier Jahre nach Abschluss der Doktorarbeit von der Treuhand den Betrieb in Markranstädt übernahm, holte er den Eigenbau aus Studienzeiten aus der Schublade – und brachte 1992 den Partikelflussmesser PFM 92 auf den Markt. „Damit fing alles an.“ Noch heute ist der triboelektrische Staubmesser das meistverkaufte Gerät der Firma. „Das ist unser Brot-und-Butter-Geschäft. Davon bauen wir 1.000 Stück pro Jahr“, erzählt Födisch. Das aktuelle Modell, 2014 eingeführt, heißt PFM 14. Doch auch das Ur-Modell wird nach wie vor gebaut.

Umsatz macht die Firma aber inzwischen vor allem mit den deutlich anspruchsvolleren Staubkonzentrationsmessgeräten, die Födisch 1997 ins Sortiment nahm: Zwar wurden davon zuletzt nur 300 Stück pro Jahr verkauft – aber zu deutlich höheren Preisen. Während der Staubmesser PFM, der vor allem in Kraftwerks- und Fabrikschornsteinen Alarm schlägt, wenn der Filter ein Leck hat, für 1500 bis 2000 Euro zu haben ist, kosten die zwei Meter hohen Analyseschränke mehr als das Zehnfache. Das dritte Hauptprodukt sind inzwischen Gasanalysegeräte, die etwa in Chemiewerken zum Einsatz kommen. Rund 200 wurden davon 2018 verkauft. „Und produziert wird alles hier in Markranstädt.“

Dabei hatte Födisch 1991 von der Treuhand nicht viel mehr als ein paar marode Gebäude übernommen. „Das war ein Schrotthaufen“, erinnert sich der Chef. Das Gebäude am Rande von Markranstädt war in den 1930ern als Schwelerei errichtet worden, um aus Braunkohle Flugbenzin zu machen. In der DDR wurde daraus dann ein Versuchsstand des VEB Entstaubungstechnik. Hier wurden neue Filter für die Industrieschlote der DDR entwickelt, Prototypen gebaut und dann auch erprobt.

"Das war alles nur Schrott, keine Aufträge - und dafür sollten wir noch 300.000 D-Mark zahlen"

Und bei genau diesem VEB hatte Födisch 1987 direkt nach der Hochschule angeheuert. Zwei Jahre später wurde er dann 1989, noch kurz vor der Wende, Betriebsleiter in Markranstädt – mit gerade einmal 29 Jahren. Viele der damals 18 Mitarbeiter kannte der gebürtige Wolfener da bereits: 1981/82 war er als Student schon zum Praktikum hier gewesen. „Damals haben mich die Leute noch Bier holen geschickt – und jetzt war ich plötzlich ihr Chef.“ Krumm genommen habe er das aber niemandem.

Dann kam die Wende – und die Treuhand suchte einen Käufer für den Betrieb. Mehrere Investoren schauten sich auch den Versuchsstand in Markranstädt an – und winkten ab. „Diesen Schrotthaufen wollte niemand haben.“ Also entschied sich Födisch, den Betrieb zusammen mit drei Kollegen selbst zu kaufen – mit ihm als Mehrheitseigner. „Das war alles nur Schrott, keine Aufträge – und dafür sollten wir noch 300.000 D-Mark bezahlen. Völlig idiotisch“, sagt Födisch heute. Doch es klappte. 1994 kam der erste Großauftrag. „Das war für uns der Durchbruch.“

Den einstigen „Schrotthaufen“ in Markranstädt hat Födisch längst in einen schmucken Vorzeigebetrieb verwandelt – mit Solarzellen auf den Dächern, einer Stromtankstelle für E-Autos und eigener Sporthalle. 85 Mitarbeiter hat er allein in Markranstädt, zusammen mit allen Tochterfirmen sind es sogar über 200. Der Umsatz der Gruppe liegt bei 35 Millionen Euro. „Und die Rendite ist außergewöhnlich gut.“

Der wichtigste Markt ist dabei längst nicht mehr Deutschland – sondern China. Schon 2005 hatte Födisch in Hangzhou ein kleines Büro mit zwei Mitarbeitern aufgemacht – das zunächst vor sich hin dümpelte. Bis 2015. Dann verordnete die Regierung in Peking den Fabriken und Kraftwerken des Landes eine schlagartige Reduzierung der Emissionen. „Da sind unsere Umsätze durch die Decke gegangen.“ Plötzlich suchten die Chinesen händeringend nach passender Staubmesstechnik. „Und wir hatten in China schon einen Fuß in der Tür.“ 2016 machte er dort schon 14 Millionen Euro Umsatz. Und in Zukunft? Langfristig werde der Trend zu viel kleineren Messgeräten gehen, die immer und überall die Schadstoffe messen – und für jeden Bürger in Echtzeit abrufbereit sind. „Smart-City“, nennt das der Firmenchef – und zeigt stolz auf die beiden Straßenlaternen vor dem Hauptgebäude. Die spenden nicht nur Licht, sondern messen ganze nebenbei die Luftschadstoffe. „Das ist die Zukunft.“

Zum Beweis zückt Födisch sein Tablet. Zehn Messstellen hat er bereits auf eigene Kosten aufgestellt – und kann sich die Werte in Echtzeit anschauen. „Bei mir zu Hause sind die Werte aber gerade hoch“, sagte er erschrocken beim Blick aufs Tablet. „Da sollte man heute besser nicht rausgehen.“ Genau das würde er gern allen Bürgern als Service anbieten. „Wenn man das flächendeckend aufbaut, könnte jeder in Echtzeit sehen, wie bei ihm vor Ort die Schadstoffwerte sind.“ Bislang gebe es zwar von den Kommunen keine große Nachfrage nach der smarten Messlaterne. Doch das werde sich ändern, ist Födisch sicher. „Und wir sind dann darauf vorbereitet.“


Wilfried Hänchen erhält den Sonderpreis für das Lebenswerk

© Foto: Thomas Kretschel

Ausdauer wird belohnt: Wilfried Hänchen beteiligt sich seit 2015 Jahr für Jahr am Wettbewerb. Allein dafür hätte ihm die Jury natürlich noch längst nicht den Sonderpreis für das Lebenswerk verliehen. Dafür allerdings, dass sich der 71-Jährige mit seiner Unternehmensgruppe seit mehr als 20 Jahren in einem äußerst schwierigen Marktumfeld bewährt und Tag für Tag die Welt von Kindern ein Stück gesünder und besser machen will, durchaus schon.

Die Hänchen-Gruppe ist schwerpunktmäßig in der Schul- und Kita-Versorgung aktiv, aber auch etliche Betriebe, Senioreneinrichtungen und Krankenhäuser werden mit derzeit täglich rund 25.500 Mittagessen und 8.500 Frühstücks- und Vesperportionen versorgt. Der Leitgedanke bei der Zubereitung: So gesund und so regional wie möglich. Hinzu kommt, das Hänchen Geschäft auch immer sozial versteht: Im Laufe der Jahre hat er etliche kippelnde Betriebe übernommen und so mehrere hundert Arbeitsplätze erhalten können.


Wie die Jury auf den Sieger kam

Die Jury: Christoph Ulrich, Chefkorrespondent Freie Presse, Tobias Schniggenfittig, CVD-Mediengruppe, Bernhard Holfeld, Hörfunkchef MDR Sachsen, AOK-Plus-Vorstand Stefan Knupfer, PwC-Direktorin Margitta Markert, LBBW-Direktor Peter Kröger, SZ-Redakteur Mi
Die Jury: Christoph Ulrich, Chefkorrespondent Freie Presse, Tobias Schniggenfittig, CVD-Mediengruppe, Bernhard Holfeld, Hörfunkchef MDR Sachsen, AOK-Plus-Vorstand Stefan Knupfer, PwC-Direktorin Margitta Markert, LBBW-Direktor Peter Kröger, SZ-Redakteur Mi © Foto: Ronald Bonß


Von Michael Rothe

Das Sprichwort von der Qual der Wahl ist eben nicht nur ein Sprichwort – so knapp wie in diesem Jahr ist die Entscheidung, wer Sachsens „Unternehmer des Jahres“ wird, wohl noch nie ausgefallen. Ohne zu viel zu verraten: Es war ein Kopf-an-Kopf-Rennen, an dessen Ende sich die Juroren nach durchaus engagierter Diskussion schließlich doch recht einmütig auf den Preisträger einigten.

Denn auch das gehört gewissermaßen zum Ritual der Jurysitzungen: Nicht nur die dicken Aktenordner, in denen in diesem Jahr die Unterlagen von immerhin 57 Firmen steckten, deren Chefs und Chefinnen die Bedingungen erfüllen und am Wettbewerb teilnahmen. Sondern ebenso, dass die Jurymitglieder, die von Berufs wegen jeweils einen unterschiedlichen Blick auf die Kandidaten haben, für „ihre“ Favoriten kämpfen. Für die Journalisten haben dabei andere Dinge hohes Gewicht als für die Verlagsmanager, den Banker, die Wirtschaftsprüferin, den Auto-Experten oder den Vorstand der Gesundheitskasse.

Wenn aber nach einigen Stunden die Argumente ausgetauscht sind, die Punkte zusammengezählt werden – dann hat die Jury gemeinsam eine Entscheidung getroffen. Und die orientiert sich nie allein an betriebswirtschaftlichen Kennziffern, sondern auch am jeweils Besonderen, das die Firmen und ihre Führungspersönlichkeiten ausmacht: Die ungewöhnliche Geschäftsidee, das soziale Engagement, die Förderung des Nachwuchses, herausragende Investitionen, Erfinder- und Entdeckergeist. Auch für den steht Holger Födisch, der diesjährige Preisträger.

Dass der Prozess der Entscheidungsfindung so lebhaft verlief, spricht am Ende aus – einmütiger – Sicht der Jury auch bei der mittlerweile 14. Auflage des Unternehmerpreises wieder für einen guten Jahrgang. Und schon im März 2020 sieht man sich wieder: mit dicken Aktenordnern, gewichtigen Argumenten – und der Qual der Wahl.


Wertvolle Schöne

© Foto: SZ


Von Lars Radau

Sie ist in der Tat ein Hingucker. Nicht nur wegen des Kleids aus zehn Gramm Blattgold, das die Bronze-Statue der Bildhauerin Malgorzata Chodakowska noch wertvoller macht. Dabei zählt ohnehin weniger der materielle Wert. Viel entscheidender – und schlicht unbezahlbar – ist der ideelle Wert und die Botschaft, die die Schöne vermittelt. Wer sich die Dame, rank und schlank, 1,20 Meter hoch, 40 Kilo schwer, ins Büro stellen kann, hat es geschafft – und sich unter etlichen Mitbewerbern und deutlich weniger Bewerberinnen als „Sachsens Unternehmer des Jahres“ durchgesetzt. Die vergoldete Schöne ist kein Wanderpokal, sondern Partnerin fürs Leben, Motivationsschub für sich und die Mitarbeiter und Neidobjekt für Konkurrenten.

Vom 30. November 2018 bis zum 8. Februar 2019 konnten Mann und Frau sich um die Schöne bewerben oder vorgeschlagen werden. Von den Kandidaten wurden als Mitgift erwartet: zehn oder mehr Mitarbeiter, mindestens fünf Jahre am Markt, 500.000 Euro Jahresumsatz, eigene Anteile am Unternehmen. Der Firmensitz in Sachsen war nicht Bedingung – aber die gute Tat und Impulse im Freistaat.

Für Impulse im Wirtschaftsgeschehen sorgen erst recht neu gegründete Unternehmen. Dem trägt der Wettbewerb Rechnung, indem seit 2017 der Sonderpreis „Sachsen gründet“ für vielversprechende Start-ups vergeben wird. Die Bewerber mussten mindestens ein Jahr am Markt sein, eine innovative Geschäftsidee und einen überzeugenden Businessplan vorlegen. Den Sieger unter letztlich 24 Wettbewerbsteilnehmern kürte nicht die Jury, sondern das Publikum der Unternehmerpreis-Gala. Die vier Finalisten hatten zuvor auf der Bühne des Ateliers im e-Tower der Gläsernen Manufaktur drei Minuten Zeit, um die Gäste für sich zu begeistern. Der Sieger freut sich über Medialeistungen im Wert von 50.000 Euro und eine Auslands-Unternehmerreise mit der Wirtschaftsförderung Sachsen. Er wird zeitnah in der SZ vorgestellt.