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Das Lachen kommt zurück

Eine schwere Krankheit wirft den 3-jährigen Jonathan in Bischofswerda weit zurück. Seine Eltern bekommen Hilfe.

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© Steffen Unger

Von Gabriele Naß

Bis vor einem Jahr war alles gut. Ralph und Jeanette Weich sahen mit Freude zu, wie ihr Sohn Jonathan heranwuchs und sich entwickelte wie ein ganz normales Kind. Unter ganz besonderen Umständen war er in ihr Leben getreten, wurde überraschend geboren am Tag ihrer Hochzeit.

Jetzt ist Jonathan drei Jahre und vier Monate alt. Aber viel von dem, was Gleichaltrige können und was er selbst schon drauf hatte, kann er nicht mehr. „Im Kopf ist bei unserem Sohn alles gut, motorisch aber nicht“, sagt Mutti Jeanette. Es sind die Folgen einer Krankheit, die nach Angaben der Eltern immer noch nicht zweifelsfrei diagnostiziert werden konnte. Gehirnentzündung könnte der Junge vor einem Jahr bekommen haben. Ärzte würden aber noch daran arbeiten, herauszufinden, ob auch ein Gendefekt oder eine Stoffwechselkrankheit Ursache für Jonathans plötzlich aufgetretene schwere Krankheit sind.

Nicht sitzen, laufen, kaum sprechen

Die Ungewissheit ist für die Familie quälend. Wie die Eltern erzählen, kam der Junge mit Bauchschmerzen in die Kinderklinik am Krankenhaus Bautzen. Wenige Tage später habe er nicht mehr laufen können, nicht sitzen, schlecht greifen, kaum sprechen. „Er wollte, aber er konnte nicht. Für uns sah unser Junge aus wie jemand nach einem Schlaganfall“, sagt Jeanette Weich. Die Behandlung wird in der Uniklinik fortgesetzt. Die Weiches bekommen stationäre Reha in Kreischa und ambulante Betreuung in Bischofswerda.

Schlimmer geworden ist Jonathans Zustand schon längere Zeit nicht mehr. Das stimmt die Eltern zuversichtlich. Der Junge steht wieder auf und kann an der Hand laufen. Er will auch wieder sitzen. Aber er kann sich noch immer nicht wieder bewegen wie andere Kinder in seinem Alter. Seine Eltern bekamen für ihn Pflegestufe 2 zugesprochen und stellten ihren Lebensrhythmus auf das kranke Kind ein. „Er braucht sehr viel Hilfe und besondere Zuwendung“, sagt Vati Ralph, der bei einer Softwareentwicklerfirma in Dresden arbeitet. Dankenswerterweise habe es ihm sein Arbeitgeber ermöglicht, vorübergehend auch von zu Hause aus zu arbeiten. Jonathan und seine Mutti brauchen den zupackenden Vati gerade umso mehr. Das zweite Kind der Familie ist unterwegs.

Würde gern wieder die Kita besuchen

Für ihren Jonathan wünschen sich die Eltern trotz der Krankheit Normalität. Sie sehen ihn gern wieder im Kindergarten. Seinen Platz in der Kita der Stadt Bischofswerda „Butterbergwichtel“ hat er noch. Die Eltern bezahlten dafür, obwohl sie Jonathan zu Hause behalten mussten. Ganz einfach ist das mit dem Zurückkehren in die Einrichtung aber nicht. Ohne Hilfe kann Jonathan den Kindergartenalltag ja noch nicht wieder bewältigen. Jetzt gibt es diese Hilfe zum Glück auch.

Vom Landkreis wurde den Eltern eine sogenannte 1:1-Betreuung bewilligt. Rund 63 Euro pro Betreuungstag stehen dadurch bereit. Es ist das maximal Mögliche im Rahmen eines Spektrums, das zur Verfügung steht, um Kinder mit Behinderung oder mit drohender Behinderung in Einrichtungen zu integrieren. Nur in seltenen Fällen komme diese Maximalleistung zum Tragen, teilt das Landratsamt auf Anfrage mit. Mit dem Geld allein war es für Jonathan und seine Eltern aber nicht getan.

Viele Telefonate mit den Behörden

Nach der Bewilligung der Hilfe durch das Landratsamt blieb offen, wer Jonathan in der Kita als Hilfe zur Seite gestellt werden kann. Der Landkreis übernimmt keine Lohnkosten oder Lohnkostenteile für eine bestimmte Person und teilt mit, „vielmehr stellt die Kindertageseinrichtung die Leistung des behindertenbedingten Mehrbedarfs sicher und erhält dafür die Geldleistung.“ Der Träger der Kita könne die Aufnahme des Kindes aber verweigern, wenn er nicht in der Lage ist, die Leistung zu erbringen. Der Advent, Weihnachten und der Jahreswechsel verliefen für die junge Familie in Bischofswerda angespannt. Es gab viele Telefonate mit Behörden. Und dabei bekamen sie das Gefühl, man schiebt sich den Ball hin und her und niemand würde ihnen helfen können.

Doch dann kam diese Woche. Sybille Müller, die zuständige Amtsleiterin bei der Stadtverwaltung Bischofswerda, stellte den Eltern des kleinen Jonathan eine Lösung vor. Demnach kann er ab nächster Woche zur Probe in die städtische Kita Regenbogenvilla gebracht und ab 1. Februar von 9 bis 12, später auch bis 14 Uhr betreut werden. Ihm zur Seite gestellt wird eine junge Mutter aus Dresden, die gerade bei der Stadt ein freiwilliges soziales Jahr absolviert. Ihre familiären Abläufe habe sie so umgestellt, dass sie morgens rechtzeitig in der Kita und für den kleinen Jonathan da sein kann. Nachmittags arbeitet sie vorerst wie bisher im offenen Treff der Stadt an der Belmsdorfer Straße. Damit die Wege kurz sind und die junge Frau beide Tätigkeiten kombinieren kann, wurde für Jonathan die Kita Regenbogenvilla ausgesucht. Sie liegt im selben Wohngebiet wie der Treff. Die Eltern haben dem Kita-Wechsel schon zugestimmt und sind dankbar. Zumal die Stadt ihnen auch für das zweite Kind einen Platz in der Regenbogenvilla zusichert.

Kein Spielraum bei Erziehern

Anfänglich zögerte die Stadtverwaltung Bischofswerda, die Betreuung zu organisieren, räumt Sybille Müller ein. Zwar gibt es in Deutschland einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für drei- bis sechsjährige Kinder. „Wir stellen deswegen auch den Platz zur Verfügung“, sagt sie. Aber die integrative Betreuung müsse man nicht zwingend gewährleisten. Die Amtsleiterin verweist hier auf eine Gesetzeslücke.

Aus dem Pool ihrer rund 70 Erzieherinnen hätte die Stadt Bischofswerda Jonathans zusätzliche Betreuung nicht absichern können, erklärt die Amtsleiterin. Warum das, da keine Erzieherin und kein Erzieher voll beschäftigt ist? „Mit unserem Personal können wir nur den gesetzlich vorgeschriebenen Betreuungsschlüssel absichern. Es bleibt kein Spielraum“, sagt die Amtsleiterin. Jemanden aus dem Erzieherpool an Jonathans Seite zu stellen, hätte Lücken im Dienstplan und in der Betreuung anderer Kinder zur Folge. Mehr Spielraum sieht die Amtsleiterin da bei freien Trägern von Kitas, weil diese oft nicht nur Erzieher, sondern Mitarbeiter in verschiedenen Berufen beschäftigen und so flexibler reagieren könnten. Für mögliche weitere Fälle wie den des kleinen Jonathan sähe sich aber auch die Stadt gern gewappnet. Die Kooperation mit einem freien Träger komme dafür zum Beispiel infrage, so Müller.

Generell gibt es aber auch die Möglichkeit, dass „Eltern auf eine Integrationseinrichtung in der Nähe ausweichen, die bereit ist, das Kind mit seinen Besonderheiten zu betreuen“, heißt es beim Landratsamt. Das Netz solcher Einrichtungen sei im Landkreis glücklicherweise groß. Den Weichs in Bischofswerda wurde vom Landratsamt eine solche Einrichtung in Bautzen empfohlen. Sie wollten ihrem Kind aber nicht jeden Tag eine Fahrt zumuten. Und sich selbst auch nicht. Mutti Jeanette ist schwerbehindert. Als sie 16 war, konnte sie plötzlich nicht mehr normal laufen. Diagnostiziert wurde eine psychosomatische Gangstörung, sagt Jeanette Weich.

Dass der Familie und ihrem kranken Kind geholfen werden muss, war klar, sagt Sybille Müller. Aber auch, dass aufgrund der dünnen Personaldecke nur jemand Zusätzliches für die Betreuung von Jonathan infrage kommt. Dem Grunde nach hätte das jeder sein können, der Erfahrung hat mit Kindern. Großeltern etwa, die Zeit übrig haben. Die Lösung für Jonathan mit der jungen Frau war die schnellst mögliche. Darauf kam es wegen der bevorstehenden Geburt des zweiten Kindes auch an. Beide Seiten finden es so aber auch charmant.