Merken

Das letzte Kapitel vor Gericht

Der Bertelsmann Buchclub soll abgewickelt werden. Mehrere wichtige Vertriebspartner wollen das nicht hinnehmen.

Teilen
Folgen
© dpa

Von Erich Reimann

Das letzte Kapitel in der langen Geschichte des Bertelsmann Buchclubs wird noch einmal spannend. Mit einer Millionenklage wehren sich vor dem Düsseldorfer Landgericht Vertriebspartner des Gütersloher Konzerns gegen das Aus für das Traditionsunternehmen, das einst Millionen Deutsche mit Lesestoff von Johannes Mario Simmel über Pearl S. Buck bis Heinrich Böll versorgte. Es ist ein Prozess, der selbst einige romanhafte Züge hat. Es geht um die Kündbarkeit von unkündbaren Verträgen, um das Ende jahrzehntelanger Partnerschaften und um viel Geld.

Für Bertelsmann ist die Sache klar. Der Bertelsmann Buchclub schreibe „seit mehr als zehn Jahren nichts als Verluste“, betonte der Rechtsanwalt des Konzerns, Georg Maier-Reimer, gestern in der mündlichen Verhandlung. Niemand könne verlangen, einen solchen Verlustbringer weiterzuführen. Bertelsmann will deshalb Ende dieses Jahres das Buchclub-Geschäft einstellen. Der Konzern kündigte den Vertriebspartnern bereits im Juni vergangenen Jahres.

Diese Vertriebspartner sind eine Besonderheit des Clubs. Es handelt sich um Buchhändler und andere Unternehmen, die auf eigene Rechnung Mitglieder warben und dann an Bertelsmann „verpachteten“. Derzeit gibt es noch fast 200 000 dieser Club-Mitglieder, insgesamt sind es rund 600 000.

Guido Gebhard, einer der Kläger, betonte, der mit dem Endes des Buchclubs verbundene Wegfall der Umsatzprovisionen sei für viele von ihnen existenzbedrohend. Deshalb wehren sie sich gegen die Bertelsmann-Pläne. Vor Gericht verwiesen sie darauf, dass die Verträge überhaupt kein Kündigungsrecht für Bertelsmann vorsähen.

Und ganz aussichtslos ist ihre Klage wohl nicht. Der Vorsitzende Richter Martin Vomhof machte deutlich, dass die Kündigung der Verträge nach der vorläufigen Einschätzung der Kammer ungültig sei. Zwar heiße unkündbar juristisch gesehen nicht „auf ewig“. Doch sehe das Bürgerliche Gesetzbuch bei langfristigen Miet- und Pachtverträgen erst nach 30 Jahren ein Sonderkündigungsrecht vor. Und die Uhr begann nach vorläufiger Einschätzung der Richter frühestens mit dem ersten formellen Pachtvertrag 1986 zu ticken.

In anderen Punkten machte Vomhof den Klägern allerdings weniger Hoffnung. So hält das Gericht die Forderung nach Schadenersatz für Umsatzausfälle durch die Schließung der Buchclub-Filialen für unbegründet. Es gebe in den Verträgen keine Verpflichtung für Bertelsmann, stationäre Geschäfte zu betreiben. In früheren Äußerungen bezifferten die rund 250 Buchclub-Vertriebspartner den Schaden auf einen zweistelligen Millionenbetrag.

Gleich mehrfach legte der Richter beiden Seiten nahe, doch noch einen Vergleich zu schließen. Andernfalls will das Gericht seine endgültige Entscheidung am 29. September verkünden.

Bertelsmann-Patriarch Reinhard Mohn hatte den „Bertelsmann Lesering“ 1950 gegründet. Die Kunden bezogen Bücher im Abo – zu günstigeren Preisen. Seine beste Zeit hatte der Buchclub nach der Wende Anfang der 90er-Jahre: Damals gab es allein in Deutschland sieben Millionen Buchclub-Mitglieder. Doch wenig später begann der Niedergang. Im Internet-Zeitalter funktioniert das Club-Modell nicht mehr. (dpa)