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Das letzte Taschengeld für den Historienzug

Vor einem Jahr ist Andy Schubert aus Dürrröhrsdorf gestorben. Seine Eltern erinnern auf besondere Weise an ihn.

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© René Meinig

Von Annechristin Bonß

Dürrröhrsdorf. Schwarz glänzt der Stahl, hoch ragt der Schlot empor, das eisenbahntypische Zischen kommt vom Tonband – Andy Schubert hätte diese Lokomotive im Dresdner Verkehrsmuseum gut gefallen. Der 16-Jährige liebte Eisenbahnen. Zusammen mit seinen Eltern ist er oft hier gewesen. Die Schmalspurlokomotive „IV K“ mochte der Junge aus Dürrröhrsdorf-Dittersbach am meisten. Doch heute steht sein Vater Dietmar Schubert allein neben dem Dampf-Koloss. Sein Sohn Andy ist vor einem Jahr gestorben. Der Vater will nun auf besondere Art an ihn erinnern.

Andy Schuberts großes Hobby waren Eisenbahnen. So oft wie möglich besuchte er Museen zum Thema.
Andy Schuberts großes Hobby waren Eisenbahnen. So oft wie möglich besuchte er Museen zum Thema. © Fotos: privat
Dieser Schnellzugwagen soll restauriert werden. Dafür wurde er nach Ostritz bei Zittau transportiert.
Dieser Schnellzugwagen soll restauriert werden. Dafür wurde er nach Ostritz bei Zittau transportiert. © Fotos: privat

Noch gut erinnert sich Dietmar Schubert an jenen unheilvollen Tag. Es war ein Sonnabend im September. Andy war mit den Kumpels unterwegs, kam gegen Mitternacht nach Hause, wünschte den Eltern noch eine gute Nacht. Als die am nächsten Mittag nach ihm sehen wollten, lag er tot im Bett. Der Notarzt konnte nicht mehr helfen. Später stellten Ärzte ein Herz-Kreislauf-Versagen fest. Anzeichen dafür hatte es nicht gegeben. Andy war gesund. Zwar konnte er wegen seiner schlechten Sehkraft nicht Lokführer werden – das war sein Traum. Dafür hatte er andere Pläne. Nach der zehnten Klasse wollte er eine Ausbildung zum Notfallsanitäter machen. Dafür absolvierte er ein Praktikum beim Arbeiter-Samariter-Bund. Von dort kam Wochen nach seinem Tod eine finanzielle Aufwandsentschädigung für seine Mühe: 175 Euro. „Wir wollten mit dem Geld etwas machen, das auch Andy gefallen hätte“, sagt Dietmar Schubert.

Verein sucht weitere Spender

Lange mussten der 56-jährige Softwareentwickler und seine Frau nicht suchen. Über das Verkehrsmuseum bekamen sie den Kontakt zur Initiative Sächsische Eisenbahngeschichte vermittelt. Der Verein kümmert sich seit 2011 hauptsächlich um sächsische Regelspurfahrzeuge mit Schwerpunkt auf dem Erhalt historischer Bahnwagen. Nun starten die zwei Dutzend Mitglieder ihr erstes großes Restaurierungsprojekt. Sie wollen den letzten erhaltenen sächsischen Schnellzugwagen wieder aufbauen. Der wurde 1909 in Bautzen gebaut und war in der ganzen Region unterwegs. Im Frühjahr 1945 wurde er zerstört, notdürftig repariert und diente den Sowjets zum Transport von Reparationsgut. Im Bahnhof Radebeul-West wurde der Waggon dann als mobiler Schulungsraum der Deutschen Bahn genutzt. Die Vereinsmitglieder suchen nach Fotos und Relikten aus dieser Zeit, um die Historie des Waggons zu dokumentieren. Der verfiel nach der Wende immer mehr, auch weil er unter freiem Himmel abgestellt war. Erhalten ist nur noch der Rahmen des Waggons, Dach und Inneneinrichtung wurden ausgebaut oder sind stark geschädigt. Die Sanierung kostet 300 000 Euro. Für den neuen Rahmen aus Metall und Hartholz sind 80 000 Euro eingeplant. Die sollen bis Ende des Jahres zusammenkommen. Dafür hat der Verein eine Patenschaftsaktion gestartet. Dietmar Schubert und seine Frau haben jetzt die Patenurkunde mit der Nummer 1 bekommen. Klappt alles, kann die Restaurierung in einer Werkstatt in Ostritz bei Zittau Anfang 2017 starten. Große Spender will der Verein auch gewinnen, indem er Fahrten in dem Waggon anbietet. Als Zugmaschinen könnten Dampflokomotiven von befreundeten Vereinen dienen.

Andy Schubert wäre sicher gern mitgefahren. „Immer wenn wir im Urlaub waren, mussten Eisenbahnen im Programm sein“, sagt sein Vater. Auf Mallorca bewunderte der Junge die historische Kleinbahn nach Soller. In Kroatien fuhren sie gezogen von einer elektrischen Lok durch eine riesige Karsthöhle. Lissabon erlebten sie von den alten Straßenbahnen aus. Auch bei der Dresdner Parkeisenbahn war Andy gern dabei. Als Viertklässler kam er zum Team. „Er hat Eisenbahnen geliebt und sich sehr dafür interessiert“, sagt Dietmar Schubert. Die Patenurkunde soll eine Erinnerung sein. „Der historische Waggon hätte ihm gut gefallen.“

Informationen zur Spendenaktion gibt es im Internet: