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Das Maskottchen

Jens Schöntube aus Zittau steckt im Kostüm des Löbauer „Friedrich“. Eine Herzens-Aufgabe, auch zum Tag der Sachsen.

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© Rafael Sampedro

Von Markus van Appeldorn

Sollte Hollywood jemals einen Film über Jens Schöntube drehen, dann wird es im Kino-Trailer sicher heißen: „Jens Schöntube ist der ,Friedrich‘!“ Mit einem donnernden Ausrufezeichen. Hollywood kann warten. Aber bereits jetzt ist Schöntube weit über die Grenzen seiner Heimatstadt Zittau hinaus bekannt. Wo er auftaucht, klicken die Kameras. Frauen und Kinder schmiegen sich an ihn. Er ist der Mann, der unter dem Löbauer Maskottchen „Friedrich“ steckt. Er haucht der Plüsch-Version des Gusseisernen Leben ein.

Seit sechs Jahren steckt Schöntube jetzt im Turm. Er macht den Job mit absoluter Hingabe, viel Herzblut und noch mehr Schweiß. Bis zu 40 Grad heiß wird es in dem Kostüm. Aber das macht ihm nichts aus. Der „Friedrich“ ist ihm beinahe zur zweiten Identität geworden. „Ich mag das, als Friedrich rumzulaufen“, sagt er, „Die Momente, die ich unterm Friedrich erlebe, sind die wertvollsten.“

Dabei hat er sich nie um den heißen Job gerissen. Das war ein Zufall. Seit vielen Jahren ist der 37-Jährige Mitglied bei den Ostsächsischen Eisenbahnfreunden. Im August 2011 betreute er für den Verein den Souvenirstand bei Historik Mobil im Zittauer Gebirge. Dort hatte im Vorfeld der Landesgartenschau 2012 auch das Maskottchen „Friedrich“ einen Auftritt. Allein, es fehlte jemand, der reinschlüpft. Jens Schöntube bot spontan seine Hilfe an. Und die ersten Schritte als „Friedrich“ wurden für ihn zum Erweckungsmoment.

Nach der Landesgartenschau wurde „Friedrich“ dann wegen seines großen Erfolges zum Stadt-Maskottchen erklärt. Und das bescherte Schöntube dauerhafte Einsätze. „Ungefähr sechsmal im Jahr bin ich im Turm unterwegs“, sagt er. Den Auftritt beim Tag der Sachsen erlebt er in diesem Jahr bereits zum dritten Mal. 2011 in Kamenz war er dabei. Und 2016 in Limbach-Oberfrohna nahm er als „Friedrich“ gar den Staffelstab entgegen. „Solche Momente im Turm sind unbezahlbar.“

Schöntube verlieh dem „Friedrich“ mit der Zeit einen eigenen Charakter. Ursprünglich war es nicht vorgesehen, dass der Turm spricht. „Aber wenn die Menschen, die vor einem stehen, immer wieder sagen: „Der arme Kerl unter dem Kostüm“, fällt es schwer, immer stumm zu bleiben.“ Schöntube wollte aber nicht von seinem Leid klagen, sondern von seinem Glück berichten. „Viele sagen, wir leben am Arsch der Welt. In Wirklichkeit leben wir im Herzen von Europa“, sagt er, „Hier im Dreiländereck wächst Europa wirklich zusammen. Ich möchte den Menschen die Schönheit der Oberlausitz und die Lebensqualität der Region vermitteln und sie auffordern, hierherzukommen.“ Privat, sagt er, sei er eher schüchtern. „Aber unter dem Turm bin ich ein anderer Mensch und gehe auf alle zu.“

Dafür hat sich Jens Schöntube auch ausführlich mit der Heimatgeschichte befasst. Mit der Historie des Gusseisernen sowieso, aber auch etwa mit dem Sechsstädtebund und vielen anderen Begebenheiten in der Oberlausitz. „Ich verkaufe ein Produkt“, sagt er, „das Produkt heißt Löbau, die Oberlausitz und mein Eisenbahnverein.“ Der nämlich gehört auch dazu, meint Jens Schöntube. „Das Motto des Tags der Sachsen lautet schließlich ,Mit Volldampf nach Löbau‘.“ Deshalb fühlt er sich gerade auch als Eisenbahnfreund berufen für den Job: „Wir Eisenbahnfreunde sind halt robust und diszipliniert. Das braucht man für die Aufgabe als Maskottchen.“

Besonders die Robustheit. Unter dem Kostüm ist es im Sommer brüllend heiß. Gerade mal die Schuhe des Kostüms kann sich Schöntube selbst an und ausziehen. Für den Rest braucht er eine Crew, die ihm hilft. „Ich habe durch die Augen des Turms ein stark eingeschränktes Blickfeld. Und ich kann auch nur in sehr kleinen Schritten gehen“, sagt er. Deshalb braucht er auch immer einen oder mehrere Begleiter, gewissermaßen als Bodyguards und Helfer. Er erinnert sich noch gut an seinen Auftritt beim Tag der Sachsen in Kamenz: „Die rund fünf Kilometer des Festumzugs ging es fast nur bergauf.“ Oft stemmt Schöntube Vierstunden-Schichten unterm Turm.

All diese Strapazen sind für Jens Schöntube nebensächlich. Voller Lebensfreude erfüllt er den Job. „Wenn der Kopf und die Seele nicht stimmen, kannst du gewisse Tätigkeiten nicht ausüben. Ich mach das für die Stadt Löbau und es macht einen Riesenspaß.“ Auch wenn’s noch nicht fürs Kino reicht, ins TV ist er jetzt schon mal gekommen. Am 19. August um 18.15 Uhr hat der MDR in der Sendung „Unterwegs in Sachsen“ ein Porträt von Jens Schöntube ausgestrahlt.