Bautzen. Anfang Oktober hat es Bautzens Landrat Michael Harig (CDU) angekündigt: Künftig sollen die Flüchtlinge, die der Landkreis aufnehmen muss, entsprechend der Einwohnerzahl auf alle Städte und Gemeinden verteilt werden. Die Aufgabe müsse auf breitere Schultern verteilt werden. Es gehe nicht, dass einige Kommunen die Hauptlast tragen, während sich andere entziehen, so Harig. So verteilen sich die mehr als 2 000 Asylbewerber, die der Landkreis bisher aufgenommen hat, auf 14 Städte und Gemeinden. Dem Kreis gehören aber 59 Kommunen an. Im Raum Bautzen leben außer in der Stadt selbst bisher nur in den Gemeinden Neschwitz, Königswartha und Sohland Asylbewerber. In Malschwitz ziehen dieser Tage die ersten in das ehemalige Park-Hotel in Niedergurig ein.
Die Unterbringung in Heimen bevorzugt der Landkreis nach wie vor, so Harig, unter anderem, weil so die Betreuung einfacher zu organisieren sei. Aber angesichts der weiter steigenden Flüchtlingszahlen und weil die Verfügbarkeit größerer leerer Gebäude endlich sei, müsse man auch stärker auf dezentrale Unterbringung setzen – und auf die Solidarität der Gemeinden. Denn eine Nutzung von Turnhallen wolle man unbedingt vermeiden. Auf eine Anfrage des Kreises hatten im Sommer allerdings nur 26 Kommunen Objekte gemeldet. Zwar steht im sächsischen Flüchtlingsaufnahmegesetz, dass die Gemeinden zur Mitwirkung bei der Unterbringung verpflichtet sind. „Aber das nehmen offensichtlich nicht alle so ernst“, ist Harigs Fazit nach der bisherigen Abfrage.
Deshalb hat er im Oktober allen Bürgermeistern den Entwurf einer Erklärung geschickt, mit der sich die Kommunen nun selbst zur Mitwirkung verpflichten sollen. Die meisten haben das bisher abgelehnt. Der Landkreis hält dennoch daran fest. Bei der Asylkonferenz, zu der die Bürgermeister am Dienstag ins Landratsamt eingeladen waren, wurde vereinbart, den Text der Erklärung zu überarbeiten und zu präzisieren. Dann wird er erneut in alle Rathäuser geschickt.
Die Auffassungen der Bürgermeister
Alexander Ahrens (parteilos), Bautzen:
Ich werde im Stadtrat dafür werben, dass wir die Selbstverpflichtung unterschreiben, denn die Flüchtlingshilfe ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Aber ich erwarte von der Bundesregierung auch eine deutliche Positionierung, dass wir nicht wahllos alle aufnehmen können, die zu uns kommen. Ein Einwanderungsgesetz wäre da ein deutliches Signal. Wir werden dem Kreis auch weiterhin für die Unterbringung infrage kommende Objekte melden. Aktuell ist jedoch kein neuer Standort in der Diskussion. Mit vier Unterkünften (Spreehotel, Greenpark, ehemalige Berufsschule an der Dresdner Straße, Döberkitz) bringt die Stadt ihre Bereitschaft bereits deutlich zum Ausdruck.
Thomas Martolock (CDU), Cunewalde:
Wir werden die Selbstverpflichtungserklärung nicht unterschreiben. Darauf hat sich der Gemeinderat verständigt. Trotzdem grasen wir alles nach möglichen Quartieren ab. Einige haben wir schon 2014 benannt, aber nur eine Eingangsbestätigung erhalten. Bisher sind bei uns keine Flüchtlinge untergebracht. Zehn Objekte haben wir nun zusätzlich im Blick. Über Standorte, die geeignet sein könnten, informieren wir bei einer Einwohnerversammlung am 16. November. Aber ich denke, es macht keinen Sinn, noch mehr einzelne Objekte zu suchen. Stattdessen fordern wir den Kreis auf, eine zentrale Aufnahmestation zu bauen. Alles andere ist nicht mehr beherrschbar.
Michael Schulze (CDU), Doberschau-Gaußig:
Ich werde dem Landkreis die beiden kommunalen Wohnungen in Doberschau und Dretschen, die derzeit leer stehen, melden, mehr nicht. Darauf haben wir uns im Gemeinderat verständigt. Auf private Vermieter müsste der Landkreis selbst zugehen, denn ich kann ihnen die vielen Fragen, die im Zusammenhang mit der Unterbringung von Flüchtlingen aufkommen, nicht beantworten. Das kann nur der Landkreis. Die Selbstverpflichtungserklärung werden wir nicht unterschreiben, da wir uns nicht zu etwas verpflichten wollen, was wir in der Zukunft nicht einhalten können. Denn wir wüssten nicht, wo wir immer mehr Menschen unterbringen sollten.
Gerald Meyer (parteilos), Göda:
Wir müssen als Gemeinde aktiv werden und mithelfen, um zu vermeiden, dass Turnhallen genutzt werden. Man muss aber sehen, was die Gemeinde leisten kann. Die Verantwortung für die Unterbringung können wir nicht übernehmen, aber bei der Suche nach Objekten können wir helfen, das ist nicht zu viel verlangt. Ich habe bereits mit einigen Vermietern gesprochen. Bisher hat Göda eine freie Wohnung in Prischwitz gemeldet. Zu einem Objekt in Seitschen, das bereits im Gespräch war, gibt es derzeit keinen neuen Stand. Dort müsste der Bebauungsplan geändert werden. Der Eigentümer hat sich aber bisher nicht bei uns gemeldet.
Lutz Mörbe (parteilos), Großdubrau:
Großdubrau hat dem Landkreis bisher zwei freie kommunale Wohnungen gemeldet. Auch das frühere Asylbewerberheim in Zschillichau, das seit Jahren leer steht, haben wir uns im Sommer noch mal angesehen. Aber das hat der Landkreis abgelehnt. Wir werden jetzt noch einmal auf die Suche gehen und auch private Eigentümer ansprechen. Die Selbstverpflichtungserklärung werden wir aber nicht unterschreiben. Dass wir bei der Unterbringung von Flüchtlingen mitwirken sollen, steht ja schon im Gesetz. Warum sollen wir uns da noch extra dazu verpflichten? Und wir haben Bedenken, ob wir das in der Zukunft leisten können.
Frank Lehmann (parteilos), Großpostwitz:
Wir werden unserer gesetzlich verankerten Pflicht zur Mitwirkung nachkommen, aber keine Selbstverpflichtungserklärung unterschreiben. Die Gemeinde Großpostwitz hat dem Landkreis im September vier Objekte gemeldet. Davon ist nur das Bahnhofsgebäude in kommunalem Besitz. Die anderen Objekte gehören privaten Eigentümern, sind aber zum Teil nicht so schnell nutzbar, weil sanierungsbedürftig. Kommunale Wohnungen haben wir keine. Deshalb sind wir auf die Mitwirkung anderer Vermieter oder Eigentümer von Grundstücken angewiesen. Daher bitten wir jetzt darum, uns Angebote zu übermitteln.
Norbert Wolf (CDU), Hochkirch:
Wir sperren uns nicht dagegen, den Landkreis zu unterstützen, aber die Selbstverpflichtung werden wir nicht unterschreiben. Denn wir sehen nicht ein, dass wir uns zu etwas verpflichten sollen, das ohnehin im Gesetz steht. Wir haben selbst keine leer stehenden Wohnungen oder Gebäude, aber mit privaten Eigentümern gesprochen. Es gibt bisher das Angebot einer Wohnung im Ortsteil Rodewitz, und der neue Eigentümer des Lebensgutes Pommritz möchte eine größere Zahl von Flüchtlingen unterbringen. Das werden wir dem Landkreis melden. Unsere Sporthalle würden wir aber nicht hergeben. Dagegen wehren wir uns vehement.
Swen Nowotny (CDU), Königswartha:
Die Kommunen sollten sich solidarisch verhalten und in dieser schwierigen Situation nicht auseinanderdividieren lassen. Das muss aber von innen heraus kommen. Eine Selbstverpflichtungserklärung ist da, glaube ich, nicht der richtige Weg. Wir haben entschieden, zusätzlich zu den zehn gemeldeten Wohnungen weitere fünf zur Verfügung zu stellen. Dort würden wir gern Familien aufnehmen, weil wir da die meisten Möglichkeiten der Integration sehen. Mit den Familien, die bereits da sind, gibt es schon gute Erfahrungen. Wir müssen aber auch deutliche Signale an die Bundespolitik senden, dass es nicht so weitergehen kann.
Olaf Reichert (parteilos), Kubschütz:
Wir werden uns der gesetzlich geforderten Mitwirkung nicht verschließen. Andererseits sind unsere Möglichkeiten sehr begrenzt, was geeignete Objekte und die Infrastruktur betrifft. Trotzdem wird die Unterbringung von Flüchtlingen auch um Kubschütz keinen Bogen machen. Wir müssen Lösungen finden, und ich werde mich dieser Diskussion stellen. Wir werden weiter nach Objekten suchen. Zwei Gebäude waren schon mal im Gespräch, die frühere Schule in Purschwitz und ein Gebäude am Flugplatz. Aber dazu gab es noch keine Resonanz vom Landkreis. Der schlechteste Weg wäre, wenn unsere Turnhalle beschlagnahmt werden würde.
Matthias Seidel (CDU), Malschitz:
Wir hatten die frühere Grundschule in Niedergurig und zwei Wohnungen angeboten. Doch nun wird das ehemalige Park-Hotel in Niedergurig zum Asylbewerberheim mit 150 Plätzen. Deshalb kommt die Schule nicht mehr infrage, denn wir können nicht noch mehr Flüchtlinge in einem Ort konzentrieren. Wir werden zwar im Gemeinderat noch mal über das Thema sprechen, uns aber mit weiteren Meldungen an den Kreis zurückhalten, so lange andere Gemeinden keine Flüchtlinge aufnehmen. Die Selbstverpflichtungserklärung werden wir nicht unterschreiben, denn dass wir mitwirken sollen, steht ja schon im Gesetz.
Gerd Schuster (CDU), Neschwitz:
Die Botschaft ist angekommen, dass auch das Zutun der Gemeinden gefragt ist. Es bringt nichts, wenn Kommunen und Landkreis gegeneinander arbeiten. Der Kreis wird ja auch einfach vor diese Aufgabe gestellt. Als Bürgermeister haben wir uns aber entschlossen, gegenüber der Bundeskanzlerin mit Nachdruck auf die Grenzen der Belastbarkeit hinzuweisen. Deshalb haben wir eine gemeinsame Grundsatzerklärung verfasst. In der Gemeinde Neschwitz leben bereits 32 Asylbewerber. Weitere Plätze haben wir bisher noch nicht gemeldet. Wir haben jetzt zwar noch ein Objekt im Blick, das ist aber in keinem guten baulichen Zustand.
Thomas Polpitz (CDU), Obergurig:
Wir wollen den Landkreis im Rahmen unserer Möglichkeiten schon unterstützen, aber eigentlich sind wir hilflos. Ich weiß nicht, wo wir Menschen unterbringen sollen. Die wenigen kommunalen Wohnungen, die wir noch haben, sind belegt. Was sonst in der Gemeinde an Wohnraum leer steht, ist meist in einem ziemlich schlechten Zustand. Wir hatten auch das Gelände des Mähdrescherwerkes im Blick, aber nach Rücksprache mit dem Unternehmen kann man es sich dort eher nicht vorstellen. Wir gehen jetzt noch mal alle Orte durch, und in unserem Gemeindeblatt bitten wir darum, dass uns private Eigentümer Objekte melden.
Wir haben keine Objekte zur Unterbringung von Flüchtlingen an den Kreis gemeldet, und wir werden auch die Selbstverpflichtungserklärung nicht unterschreiben. Die übergroße Mehrheit des Gemeinderates hat sich dagegen ausgesprochen. Wir sind der Meinung, die Situation sollen diejenigen ausbaden, die sie heraufbeschworen haben. Die Gemeinde hat zwar im Ortsteil Wetro einige freie Wohnungen, aber die sind nicht saniert. Wir wissen auch um die Bedenken von Bürgern. So haben einige angekündigt, dass sie ausziehen wollen, wenn in ihrer Nachbarschaft Flüchtlinge untergebracht werden sollten.
Vinzenz Baberschke (CDU), Radibor:
Wir haben bisher 15 leer stehende kommunale Wohnungen in Milkel angeboten. Andere Objekte stehen derzeit nicht zur Diskussion. Wir sind weiter auf der Suche und dazu auch im Gespräch mit privaten Eigentümern. Die Gemeinde selbst hat keine verfügbaren Gebäude mehr. Unsere vier freien Wohnungen in Quoos müssten erst saniert werden. Das können wir aber derzeit nicht leisten. Die geforderte Selbstverpflichtungserklärung sehe ich eher als einen symbolischen Akt. Wir sind alle zusammen darauf angewiesen, alle möglichen Plätze zu finden, um die Menschen unterzubringen. Aber wir sind an der Grenze.
Sven Gabriel (FDP), Schirgiswalde-Kirschau:
Ich gehe davon aus, dass alle Städte und Gemeinden die Erklärung unterschreiben müssen. Die Zahl der Asylbewerber, die im Kreis erwartet werden, steigt rasant an. Anders als durch eine gerechte Verteilung der Menschen auf alle Orte ist dieser Ansturm nicht zu bewältigen. Wenn jemand eine Alternative dazu sieht, dann soll er sie sagen! In unserer Stadt sind noch keine Flüchtlinge untergebracht. Bisher haben wir dem Kreis schon etwa fünf leer stehende kommunale Wohnungen angeboten. Jetzt werden wir noch mal Straße für Straße durchgehen und alle unsere Objekte, die als Quartier infrage kommen könnten, melden.
Hagen Israel (parteilos), Sohland:
In unserer Gemeinde sind 45Asylbewerber in einem Heim in Wehrsdorf untergebracht. Weitere 50 Plätze werden dort in den nächsten Tagen fertig und dann auch belegt. Außerdem haben wir dem Landkreis schon 2014 fünf Wohnungen in verschiedenen Häusern der Gemeinde mit etwa 20Plätzen gemeldet, aber keine Reaktion darauf bekommen. An kommunalen Immobilien können wir nichts weiteres anbieten. Die Selbstverpflichtungserklärung wollen wir nicht unterschreiben. Das hat der Gemeinderat mit deutlicher Mehrheit beschlossen. Wenn der Landkreis sie jetzt überarbeitet, werde ich das noch mal im Gemeinderat thematisieren.
Jürgen Arlt (Freie Wähler), Weißenberg:
Wir haben dem Landkreis bisher mehrere Wohnungen in verschiedenen Ortsteilen angeboten, zum Teil haben sich private Vermieter auch selbst gemeldet. Um die 30 Flüchtlinge könnten wir sicher unterbringen. Aber für 80, wie es uns angekündigt worden war, sehe ich keine Kapazitäten. Wir sind schon willig zu helfen. Aber uns fehlt auch die Infrastruktur. Wir haben nur einen Einkaufsmarkt in der Stadt, die Ortsteile liegen mehrere Kilometer vom Stadtzentrum entfernt und Busse fahren nur wenige. Über die Selbstverpflichtungserklärung werden wir noch mal im Stadtrat diskutieren, wenn der neue Entwurf vorliegt.
Michael Herfort (CDU), Wilthen:
Wilthen wird die Selbstverpflichtungserklärung nicht unterschreiben. Darüber herrscht im Stadtrat Einvernehmen. Ich sehe das als politisches Signal. Denn auch wenn alle Quartiere belegt würden, die jetzt verfügbar wären, retten wir uns damit nur ein paar Wochen weiter. Angesichts der erwarteten Flüchtlingszahlen ist das Problem der Unterbringung spätestens Anfang 2016 nicht mehr zu lösen. Wilthen hat dem Kreis noch keine Objekte angeboten und wird es auch nicht tun. Wir räumen keine öffentlichen Gebäude leer und bringen keine privaten Objekte ins Gespräch. Bisher leben in der Stadt etwa fünf Asylbewerber in Wohnungen.
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Festgelegt wurde auch, dass die Städte und Gemeinden nun bis zum 15. November Gebäude oder Grundstücke melden sollen, wo Unterkünfte geschaffen werden können. Die SZ hat alle Bürgermeister im Raum Bautzen gefragt, wie das Thema in ihrer Stadt oder Gemeinde nun angepackt werden soll. (SZ/MSM)