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Das sind Sachsens Unternehmer des Jahres

In ihrer Firma haben sie was gegen dicke Luft. Die Geschichte der Löbauer ULT AG ist aber auch die Geschichte einer Familie mit Schlagzeug, Saxofon und Luftpumpe.

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© Matthias Rietschel

Tilo Berger

Man nehme ein Schlagzeug, ein Saxofon, eine Mundharmonika, gebe reichlich Begeisterung und Talent dazu, mixe alles mit einem Schuss Rhythmus und schließe die Augen. So klingt das Rezept, um auf andere Gedanken zu kommen. Die Musik vertreibt den Alltag, von ferne rauscht gleichmäßig das Meer, und eine Frauenstimme fragt leise „Möchten Sie etwas trinken?“.

Augen wieder auf. Die Instrumente schweigen, aber die Musikanten sind noch da. Stefan Jakschik mit dem Saxofon, sein Bruder Alexander mit dem Schlagzeug, Firmensprecher Stefan Meißner mit der Mundharmonika. Was da leise rauscht, ist nicht das Meer, sondern sind Luftfilter im Probebetrieb. Und auf dem Tisch steht Mineralwasser aus der Oberlausitz, der Heimat der Herren und eines vierten, der still die Situation genießt: Christian Jakschik, Vater der beiden Brüder und Gründer der Umwelt-Lufttechnik Aktiengesellschaft (ULT AG) in Löbau.

Solche Momente sind selten bei ULT. Mindestens einer der Jakschiks ist eigentlich immer unterwegs, irgendwo zwischen Japan und den USA, China und Frankreich. Das Unternehmen hat Kunden und Partner rund um den Globus. Seine Absaugtechnik kommt da zum Einsatz, wo Luft zu filtern und zu reinigen ist: Bei einem großen deutschen Zahnbürstenhersteller, wo täglich um die 200 Kilogramm feinsten Staubes anfallen. In China, um die berühmten Terrakotta-Krieger von Staub zu befreien. In Rostock, wo eine Werft für Luxusschiffe besonderes Klima braucht. In Herrnhuts Sterne-Manufaktur, um Klebstoffdämpfe aus der Luft zu entfernen. Bei Instrumentenbauern, um Lötrauch abzusaugen. In der Pharma-Industrie, wo in Reinräumen keine Dämpfe durch die Luft wabern dürfen.

Alles begann in einer Garage

All das war nicht absehbar, als Christian Jakschik 1994 in der Garage seines Löbauer Hauses die ersten Filter zusammenbaute. Der promovierte Ingenieur kam aus der Branche, doch jetzt wollte er seine Ideen im eigenen Unternehmen verwirklichen. Schon Mitte 1994 wurde die Garage zu klein. Der Mittvierziger mietete ein altes Industriegelände in Reichenbach zwischen Löbau und Görlitz und stellte erste Mitarbeiter ein. Fünf Jahre später musste ein Neubau her. Den ließ Jakschik im Gewerbegebiet Kittlitz errichten, im Norden seiner Heimatstadt Löbau. Er hätte auch irgendwo an der Autobahn oder in einem Ballungszentrum wie Dresden bauen können. Aber es sollte Löbau sein. Als der Unternehmer sein neues Domizil 2000 im Beisein des damaligen sächsischen Wirtschaftsministers Kajo Schommer (CDU) einweihte, hatte er schon 15 Mitarbeiter und stellte bald die ersten Lehrlinge ein.

Christian Jakschik baute ein weltweites Netz von Händlern auf. Er kaufte die Lufttechnik-Sparte eines westdeutschen Unternehmens hinzu. Und vergrößerte 2007 die Produktionsfläche, weil der Kittlitzer Betrieb schon wieder aus den Nähten platzte.

In all das wuchsen die drei Kinder der Eheleute Martina und Christian Jakschik hinein. Auch die Mutter arbeitete im Unternehmen, war die gute Seele, die ihrem Mann den Rücken frei hielt für seine Dienstreisen zu Kunden und auf Messen. „Mit 18 war ich manchmal mit meinem Vater unterwegs“, erinnert sich Stefan Jakschik, inzwischen 40 und selbst promovierter Ingenieur. Die Brüder studierten an der Technischen Universität Dresden: Stefan Elektrotechnik, der sieben Jahre jüngere Alexander Wirtschaft. Ihre Schwester studierte Kirchenmusik und wurde Organistin. Die Jungs arbeiteten nach dem Studium bei Dresdener Firmen, um Erfahrungen außerhalb von ULT zu bekommen. Aber beide wussten, dass sie eines Tages in Vaters Betrieb einsteigen würden. 2011 ging Stefan diesen Schritt, 2014 Alexander.

Ein Jahr später übergab ihnen Christian, inzwischen 65, die Verantwortung für das Unternehmen. Im Vorstand der Aktiengesellschaft verantwortet Stefan Jakschik jetzt das Technische, Alexander den Vertrieb und die Finanzen. Der Firmengründer sitzt im Aufsichtsrat und hilft, wann immer die neuen Vorstände es wollen.

Nicht allein wegen des Wechsels an der Spitze war 2015 für den Familienbetrieb ein besonderes Jahr. Auch nicht wegen des zweistelligen Umsatzplus’, das inzwischen fast normal ist. Aber 2015 erschloss sich ULT ein neues Geschäftsfeld und baut jetzt auch Technik zum Lufttrocknen. Die Zahl der Mitarbeiter kletterte auf 80 und hat sich damit seit 2011 verdoppelt. Und 2015 war das Jahr, in dem Mohammed Ata Shik Ibrahem aus Syrien sein Praktikum antrat. Der Flüchtling hatte in seinem Heimatland Jura studiert, aber das hilft ihm in Deutschland nicht weiter. Er will nun Mechatronik studieren und dafür bei ULT Praxis schnuppern. „Auf diese Weise lerne ich auch schneller Deutsch“, sagt der junge Mann.

Gelebte Internationalität

Es ist nicht das erste Mal, dass die Jakschiks die Firmentüren für ausländische Mitarbeiter oder Praktikanten öffnen. 2014 etwa absolvierte eine junge Chinesin hier ihr Praktikums- und Bachelorsemester. Zuvor hatte sie ihr Mechatronik-Studium an der Hochschule Zittau/Görlitz als Jahrgangsbeste abgeschlossen. Mit der Hochschule arbeitet ULT ohnehin eng zusammen. So stiftete das Unternehmen dort einen Lehrstuhl.

In Bautzen, wo Stefan und Alexander Jakschik mit ihren Familien wohnen, engagiert sich ULT auch für Flüchtlinge, sponsert beispielsweise Lehrmaterial und Schulranzen für Kinder. Die Firmenchefs wollen das nicht zu hoch bewertet sehen. „Wir sind ein weltweit tätiges Unternehmen, sind Internationalität gewohnt“, sagt Alexander Jakschik.

Wenn die Jakschiks an 2015 zurückdenken, dann auch mit Jazz im Hinterkopf. Es war das Jahr, in dem „Klangfarben“, das Jugend-Jazz-Orchester der Oberlausitz, eine neue CD mit weltbekannten Titeln wie „What a wunderful World“ oder „When the saints go marchin’ in“ aufnahm. Auf der Rückseite des Covers stehen drei Namen, die das Jazz-Orchester unterstützen und auch die Produktion dieser CD möglich machten. Einer davon: ULT. „Wir verstehen uns als Unternehmen in der Region, da ist es selbstverständlich, dass wir uns hier einbringen“, sagt Stefan Jakschik. Aus diesem Grund greift ULT auch der Kirchenmusik in Löbau finanziell unter die Arme.

Bei Musik, gehörter wie selbst gespielter, können die drei Männer am besten abschalten. Oder auch bei Sport. Und weil der mit anderen zusammen mehr Spaß macht, gibt es bei ULT eine Betriebs-Laufsportgruppe – die „Luftpumpe“. Gemeinsame Läufe stehen ebenso auf dem ULT-Programm wie Wanderungen, Sommerfeste oder Fahrten in den Sonderzügen des Vereins Ostsächsische Eisenbahnfreunde. Und wenn Mitarbeiter mal wegen kranker Kinder oder ähnlicher Anliegen ihre Arbeitszeit verschieben wollen, geht in der Regel ein Weg rein. „Wir haben doch selber Kinder und wissen, wie das ist“, sagt Stefan Jakschik.

Bei Familienfeiern kommen immer alle zusammen – Martina und Christian Jakschik, ihre drei Kinder und die mittlerweile neun Enkel. Ein Thema ist bei solchen Anlässen tabu: die Arbeit. „Und wenn doch mal jemand damit anfängt, schreiten die Frauen ein“, schmunzelt der Seniorchef.

Der Preis „Sachsens Unternehmer des Jahres“ ist eine Gemeinschaftsinitiative von Sächsischer Zeitung und Freier Presse sowie von Volkswagen Sachsen, der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft PwC, der Sachsen Bank, der Sparkassen-Versicherung Sachsen und des Eventausrüsters Congressteam, Dresden.