Döbeln
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Das Spiel ihres Lebens

Seit Jahrzehnten sind Sandra Pohl und Sandra Laudel im Handball aktiv. Das Jahr 2019 war dabei ein besonderes.

Von Dirk Westphal
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Denken mit 41 Jahren noch nicht ans Aufhören: Sandra Laudel (links) und Sandra Pohl von der HSG Neudorf/Döbeln.
Denken mit 41 Jahren noch nicht ans Aufhören: Sandra Laudel (links) und Sandra Pohl von der HSG Neudorf/Döbeln. © Dirk Westphal

Schon 41, aber kein bisschen handballmüde. „Laudel“ und „Klausi“ prägen nach wie vor zum großen Teil das Gesicht der Frauenmannschaft der HSG Neudorf/Döbeln. Sachsenmeisterschaft 2018, Sachsenpokalgewinn 2019, der Einzug in die 2. Runde des DHB-Pokals – in den vergangenen Jahren hatten die beiden Sandras mit ihrer Mannschaft reichlich Grund zum Feiern.

So bestritten Laudel und Pohl, die im Abstand von nur zwei Monaten geboren wurden, am 5. Oktober das Spiel ihres Lebens. Zu Gast in der ausverkauften Döbelner Stadtsporthalle war mit dem Bundesligadritten der Vorsaison, TuS Metzingen, ein europäisches Spitzenteam, in dem Nationalspielerinnen aus sieben Ländern aufliefen. Trotz der 7:53--Niederlage ein unvergleichliches Erlebnis auch für die beiden Neudorf/Döbelner Routinierinnen, die obwohl sie sich nicht ähnlich sehen, oft verwechselt würden.

Schon das Weiterkommen gegen den Viertligameister VfV Spandau in der ersten Runde des DHB-Pokals, wäre eine tolle sportliche Erfahrung gewesen. „Da hatten wir auch nicht geglaubt, dass wir das gewinnen“, schätzt Sandra Pohl ein. „Das war schon eine grandiose Leistung, denn von der Papierform her lag die Favoritenrolle klar bei den Gästen.“ Taktisch und spielerisch hatte der Sachsenpokalsieger die jungen Berlinerinnen an ihre Grenzen gebracht und mit 19:16 aus dem Wettbewerb geworfen.

Mehrere Highlights im Jahr 2019

Aber nicht nur an diese Highlights erinnern sich die beiden Sandras rückblickend auf das Jahr 2019. Vielmehr hätte die Mannschaft mit Platz vier in der Meisterschaft und dem erstmaligen Gewinn des Sachsenpokals ihr Potenzial absolut abgerufen. „Wir hatten wegen dreier Schwangerschaften und mehreren Verletzungen ja fast keine Spielerinnen“, erklären sie. 

„Fast die gesamte erste Reihe fehlte und plötzlich mussten die ran, die vorher auf der Bank saßen“, sagt Pohl und fügt an: „Trotzdem haben wir den vierten Platz geholt. Das war mit die geilste Saison, denn die ganzen Ausfälle musst du erst mal über die lange Zeit stemmen.“ Wegen dieser Personalnot war Pohl überhaupt erst wieder eingesprungen. Das wäre gar nicht so geplant gewesen, denn eigentlich hatte die 41-Jährige zum wiederholten Mal versucht, ihre Karriere zu beenden.

Begonnen hat diese für Sandra Pohl vor rund 34 Jahren beim HSV 90 Döbeln. Später führte sie ihr sportlicher Weg nach Limbach-Oberfrohna in die Sachsenliga und später sogar in die Regionalliga zum SHV Oschatz. Dort spielte „Klausi“ wie sie aufgrund ihres Mädchennamens Klausner seit Kindertagen gerufen wird, immerhin sieben Jahre und holte auch mehrfach den Sachsenpokal. „Ich wollte höherklassig spielen. Das ist doch der Traum eines jeden Jugendspielers“, begründet Pohl ihren Weggang aus Döbeln im Jahr 1998.

Im Gegensatz zu Pohl war Sandra Laudel der Handball nicht in die Wiege gelegt worden. Nachdem sie vorher Badminton spielte, kam die Spielwarenfachverkäuferin 1993 zum Handball. Erst im Alter von 15 Jahren. „Nachdem ich beide Sportarten parallel betrieben habe, entschied ich mich für den richtigen Mannschaftssport“, erzählt die Blondine. „Ich war völlig talentfrei und bin mit meinen Aufgaben gewachsen.“ Sie sei das beste Beispiel dafür, dass fast alles zu trainieren ist. 

„Sonst würden wir beide ja jetzt nicht zusammen hier sitzen als Spielerinnen der Sachsenliga. Es ist sehr viel Training, Wille, Leidenschaft dabei“, erklärt sie ihren erfolgreichen sportlichen Werdegang. Und auch Trainer Daniel Reddiger äußerte zuletzt, dass ihn Sandra Laudel immer wieder erstaune, einfach ein Phänomen wäre. „Es ist Wahnsinn, von der Kondition und der Schnelligkeit her“, fügt Sandra Pohl an.

Das ganze Rundherum würde es ihnen und der gesamten Mannschaft allerdings auch einfach machen, ihre Leistung abzurufen. „Mit Daniel haben wir einen Trainer, der für alles ein Händchen und eine Lösung hat“, sagt Laudel und fügt an: „Wenn der Gegner eine Auszeit macht, erahnt er ganz oft, was passiert und stellt uns darauf ein.“ Das sei der Hammer. Und auch bei Ausfällen würde er Lösungen finden, an die niemand anders denke. „Und die funktionieren dann auch“, lobt Pohl ihren Coach. Auch dass Reddiger immer die richtigen Worte finden würde, um die Mädels wieder aufzubauen, wäre ein Mosaikstein des Erfolgs.

Trainer als Erfolgsgarant

„Das ist echt Wahnsinn“, sagt Pohl, auch weil er mit seinen 30 Jahren noch so jung ist und erst am Anfang seiner Trainerkarriere stände. Viele im Umfeld seien am Anfang eher skeptisch gewesen. Auch wegen der eher lässigen Art des Oschatzers. „Hut ab, was der leistet“, lobt Pohl, und Laudel fügt an: „Er lässt einfach, bei aller Ernsthaftigkeit, auch den Spaß nicht außen vor.“

Gerade der Spaß sei auch ein Grund für die beiden zweifachen Mütter, weiter Handball zu spielen. Vor allem das Verständnis ihrer Partner würde das möglich machen. „Wenn das jemand nicht so unterstützt, kannst du das nicht machen“, sagt Pohl. „Dafür sind wir übelst dankbar“, fügt Laudel an. Gerade Sandra Pohl hätte schon mehrfach versucht, eine andere Sportart zu betreiben. Aber es würde einfach nicht gehen. 

„Du findest einfach woanders nicht den Ausgleich, wenn du so lange Handball gespielt hast“, sagt Laudel und Pohl erklärt: „Dieser Mannschaftsport ist etwas ganz besonders. Es geht nicht nur darum, zu spielen. Es ist vielmehr der Zusammenhalt, dass du mal jemanden erzählen kannst, was dir auf der Seele brennt. Oder du sitzt nach dem Training zusammen und quatschst über etwas anderes als deine Kinder.“

Die Mischung macht es

Gerade auch durch die Mischung in der Mannschaft, in der Spielerinnen von 17 bis 41 dabei sind, würden andere Themen aufkommen. „Wir lachen viel, haben Spaß und man kann auch mal jemanden auf die Schippe nehmen“, sagt Pohl, „weil man sich kennt.“ So würde die Truppe zusammen gewinnen und verlieren und wäre das gemeinsame Sporttreiben ein toller Ausgleich zum Alltag. „Ich bin in der Elternzeit und da siehst du zu Hause niemand anders. Als ich wieder mit dem Training begonnen habe, war ich richtig aufgeregt. Da habe ich mich so gefreut, mal wieder etwas anderes zu reden, als was essen wir“, sagt Laudel.

Entsprechend war auch die Auslosung der zweiten DHB-Pokalrunde Anfang September ein großes Thema. Die ganze Truppe war plötzlich da, und jede Spielerin wollte in irgendeiner Form gegen die Tussis aus Metzingen dabei sein. Wie ein Hühnerhaufen, so aufgeregt, sei die Mannschaft gewesen. Daniel Reddiger hätte seine Truppe erst mal wieder auf den Boden der Realität zurückholen und erinnern müssen, dass es auch noch Punktspiele gibt. Das wäre, laut Pohl, auch richtig gewesen. Sandra Laudel dagegen befand sich nach der Auslosung in einem Tunnel. Sie wäre noch nie so fokussiert gewesen. Fünf Minuten dabei zu sein, das hatte sie sich nach ihrer Babypause vorgenommen. 

„Man hat die einmalige Kulisse im Hintergrund wahrgenommen, sich aber nicht ablenken lassen“, sagt Laudel. Daniel Reddiger und Sten Heller hätten die Mannschaft für die schwierige Aufgabe top vorbereitet, auch wenn nicht extra trainiert worden wäre. „Dennoch hast du diesen übelsten Klassenunterschied von Anfang an gemerkt“, analysiert Laudel das Spiel. „Alle, die fett im Training standen, dachten, sie seien fit. Dann aber machten die Gegnerinnen einen Schritt, wo wir drei machen.“ „Es war schon ein ganz anders Tempo, das so ein Kontrahent geht“, fügt Pohl an und weiter: „Unser Ziel war es eigentlich, mit 1:0 in Führung zu gehen. Aber das ist uns nicht gelungen.“ Dann wäre auch sofort abgepfiffen worden, meint Sandra Laudel lachend.

Vielmehr ließen die Metzingerinnen dann in keiner Minute des Spieles irgendwie Luft an ihre Aktionen ran und begeisterten das Publikum mit einer absolut konsequenten Gangart.

Aufhören ist noch kein Thema

Enttäuscht war über die klare Niederlage in den Neudorf/Döbelner Reihen deshalb niemand. Und auch ans Aufhören dachte keine Spielerin. Selbst die beiden Sandras nicht, für die es sicher ein guter Zeitpunkt gewesen wäre, ihre Karriere zu beenden. „Aber was sollen wir denn dann machen?“, fragt Laudel, die gemeinsam mit Pohl angefügt: „Das ist uns gar nicht in den Sinn gekommen.“ 

Überhaupt würden sie oft gefragt, wie lange sie das noch machen wollen. Bis sie ihre Sporttasche nicht mehr tragen könne, antwortet Pohl dann. „Aber zum Glück habe ich Rollen dran“, sagt sie. So gäbe es derzeit keine Antwort auf die Frage, wobei die 41-Jährigen mit ihrer Mannschaft auch in den kommenden Jahren in der Sachsenliga eine ordentliche Rolle mitspielen wollen. Und natürlich in dieser Saison den Sachsenpokal verteidigen.