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Das Trauma von Dresden - Zerstörung, Neonazis und Gedenkstreit

Springerstiefel und Nazi-Parolen überschatten jährlich das Gedenken an Dresdens Zerstörung. Die Gegenwehr der Bürgerschaft zahlt sich aus - trotz juristischer Nachwehen.

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© dpa

Von Petra Strutz, dpa

Dresden. Die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Dresdens sagt es leise und betont: „Wir haben gelernt, dass man an diesem Tag nicht unbedingt Angst haben muss.“ Nora Goldenbogen meint damit den Tag, an dem sich Dresdens Zerstörung am Ende des Zweiten Weltkriegs jährt. Der 13. Februar ist - für Überlebende des Bombeninfernos und deren Nachkommen - ein Tag der Trauer und des Gedenkens. Aber er ist in den vergangenen Jahren auch zum Tag des Ärgers, der Wut und schließlich der Gegenwehr geworden. Die Stadt trotzt inzwischen den jährlichen Aufmärschen von Neonazis, die einst weitgehend ignoriert von der Bürgerschaft das Gedenken zu Propagandazwecken missbrauchten.

An diesem 13. Februar wird auch in der Neuen Synagoge öffentlich an die Kriegsschuld der Deutschen erinnert und der Opfer - nicht nur der Deutschen - gedacht werden. Genau wie auf Friedhöfen, in Kirchen und Konzertsälen. Für störende Neonazis soll es möglichst keinen Fuß breit Platz geben. Die Jüdische Gemeinde kann darauf vertrauen, dass am Abend eine Menschenkette um das Zentrum der Stadt auch ihren Gebetsort schützt - eben „dass man an diesem Tag nicht unbedingt Angst haben muss“, wie Goldenbogen sagt.

Die Aktion der Bürger für ihre Stadt und ihr Gedenken ist „Mit Mut, Respekt und Toleranz - Dresden bekennt Farbe“ überschrieben. Der Weg dahin war steinig. Dass man sich Rechtsextremen entgegenstellen muss, ist mittlerweile unumstritten. Schätzungsweise 13.000 Bürger reihten sich im vergangenen Jahr in die Menschenkette ein. Angesichts der Neonazi-„Trauermärsche“, zu denen immer wieder bundesweit aufgerufen worden war, hat die symbolische Gegenaktion auch immer viele Teilnehmer aus ganz Deutschland.

Umstritten sind hingegen die Aktionen, mit denen in vergangenen Jahren genehmigte Märsche von Rechten verhindert wurden. Blockaden, Gewaltausbrüche und die massive Polizeipräsenz stellten friedliche Aktionen am und um den Jahrestag herum in den Schatten. Die Gewalt war Wasser auf die Mühlen derer, die für ein stilles Gedenken plädierten und die Neonazis wie früher am liebsten nur ignoriert hätten. Ein trauriger Höhepunkt war 2011 erreicht, als Auseinandersetzungen zwischen gewaltbereiten Rechten und Linken eskalierten und mehr als 100 Polizisten verletzt wurden.

Noch immer laufen Verfahren gegen Blockierer. Ihnen wird vorgeworfen, gegen das Versammlungsrecht verstoßen zu haben. Ein Unding für die Betroffenen. „Friedliche Proteste in Sicht- und Hörweite der Neonazis müssen doch erlaubt sein“, sagt etwa der Grünen-Abgeordnete Johannes Lichdi. Seine Immunität wurde gerade wie die von Linke-Bundestagsabgeordneten aufgehoben, damit sie angeklagt werden können. Lichdi will sein Recht auf Gegenwehr notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht hin durchklagen.

Und er wird gleich anderen an diesem 13. Februar wieder auf die Straße gehen und sich notfalls hinsetzen, um die Neonazis zu stoppen, die eigentlich die Stadt als Aufmarschgebiet erobern wollten. 1.000 Rechtsextreme werden an diesem Mittwoch erwartet - vor drei Jahren kamen noch etwa 6.000 in die Stadt. „Wir sind noch nicht fertig mit dem Problem in Dresden, wenn 1.000 Neonazis kommen wollen“, sagt Nora Goldenbogen. Die Gegenwehr müsse weitergehen. (dpa)