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Das Wald- und Niesenproblem

Weggeworfene Papiertaschentücher verrotten langsamer als gedacht. Die Nationalparkwächter in der Sächsischen Schweiz haben die Nase voll.

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Von Gunnar Klehm

Es sollte eigentlich eine Vorzeigeveranstaltung werden, als Verantwortliche anderer Nationalparks vor Kurzem in der Sächsischen Schweiz weilten. Die Exkursionen waren der Nationalparkverwaltung am Ende aber eher peinlich. Grund dafür waren Papiertaschentücher. „Ein Kollege aus einem anderen Nationalpark sagte mal zu mir: Ihr seid nicht der Nationalpark der tausend Treppenstufen, sondern der tausend Taschentücher“, sagt Hanspeter Mayr, Sprecher der Nationalparkverwaltung in Bad Schandau.

Entlang der Hauptwanderwege liegen sie zuhauf. Es handelt sich offenbar um ein größeres Problem, dessen die Nationalparkverwaltung nicht Herr wird. „Diese Art von Vermüllung am Wegesrand kenne ich eigentlich nicht, noch nicht einmal bei Nicht-Nationalparks“, sagte Wanderer Lukas G. zur Sächsischen Zeitung. Zusammen mit einer sechsköpfigen Wandergruppe war der Baden-Württemberger zwei Tage rund um den Großen Winterberg und die Schrammsteine unterwegs. „Wirklich alle paar Meter lagen Papiertaschentücher rum. Also nicht irgendwo hinterm Gebüsch – Stichwort Toilettengang – oder im Zusammenhang mit Wanderer-Rastplätzen“, meint G. Für ihn und seine Mitwanderer ein absolutes Phänomen, das sie so noch nirgends anders gesehen haben – und sie wandern viel, wie Lukas G.sagt. In der Nationalparkverwaltung ist man sehr betrübt, wenn man bei Wandergruppen den Beinamen Tempotaschentuch-Nationalpark weghat.

Dort hat man nun reagiert. Die Mitarbeiter sammelten zwar schon tonnenweise Müll pro Jahr ein, das sei aber nun mal nicht die Hauptaufgabe. Um den Papiertaschentuch-Frevel zu reduzieren, hat die Nationalparkverwaltung jetzt eine Plakatkampagne gestartet. Unter dem Motto „Lasst uns nicht fallen“ wird darauf hingewiesen, dass Papiertaschentücher zwar irgendwann mal verrotten, was aber bis zu drei Jahre dauern kann. Das Plakat wurde in den acht Informationsstellen des Nationalparks und im Nationalparkzentrum in Bad Schandau angebracht. Demnächst wird es auch an die Tourist-Informationen verteilt und ist inzwischen auch im Fahrgastfernsehen in der S-Bahn zu sehen. Auch die Nationalparkpartner sollen noch mit Flyern und Plakaten beliefert werden.

Wieso ausgerechnet im Nationalpark Sächsische Schweiz so viele Taschentücher in die Natur geworfen werden, ist völlig unklar. Ist es der Schweiß der steilen Aufstiege, den die Taschentücher aufnehmen müssen? Sind die Besucher alle erkältet?

Möglicherweise könnte die Besucherfrequenz eine Rolle spielen. Die Sächsisch-Böhmische Schweiz ist im nationalen wie im internationalen Vergleich ein besonders intensiv touristisch erschlossenes und gut besuchtes Schutzgebiet. Fast zwei Millionen Besucher kommen jährlich. 1,5 Millionen davon genießen das Panorama vom Wahrzeichen der Sächsischen Schweiz, der Bastei. Damit ist es der Punkt in allen deutschen Nationalparks mit der höchsten Besucherdichte. Eine Rolle könnte aber auch spielen, dass Papierkörbe rar sind an den Wanderwegen.