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„Das waren keine sieben mageren Jahre“

Der Kamenzer OB Roland Dantz bilanziert die Zeit von 2011 bis 2018. Er steht jetzt allein zur Wahl und hofft, dass dennoch viele wählen.

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© Photo: Matthias Schumann

Kamenz. Stell Dir vor, es ist Wahl, und keiner geht hin? Am 23. September sind die Kamenzer jedenfalls aufgerufen, für die nächsten sieben Jahre einen Oberbürgermeister direkt zu wählen. Der Urnengang ist bereits entschieden, denn nur Amtsinhaber Roland Dantz (60) steht auf dem Stimmzettel. Das bedeutet, dass jeder Wähler auch einen anderen Namen daruntersetzen könnte, aber diese Form des Widerwortes bleibt unerheblich. Vielleicht hilft es der Wahlbeteiligung, dass gleichzeitig ein Bürgerentscheid zur Gemeindefusion von Kamenz und Schönteichen stattfindet? Die SZ hat mit dem OB-Kandidaten gesprochen:

Herr Dantz, Ihre zweite Amtszeit auf dem Rathaus-Chefsessel geht zu Ende. Sie war erfolgreich, oder nicht?

Das sollen die Kamenzer selbst bewerten. Aber, wenn man das biblische Gleichnis bemüht, dann kann man von sieben mageren Jahren seit 2011 nun wirklich nicht sprechen. Aber das Gleichnis hinkt auch etwas, denn dann müssten auf sieben fette ja sieben magere Jahre folgen. Und das glaube ich nun wirklich nicht.

Woran machen Sie die positive Bilanz seit 2011 fest?

Unsere Stadt hat weiter wirtschaftlich Fuß gefasst. Auch im Landkreis Bautzen wird der westliche Teil zwischen Radeberg und Kamenz längst als eigenständige Wachstumsregion wahrgenommen, und daran haben wir mitgewirkt. Viele Bestandsunternehmen haben sich stabilisiert, und neue Mitspieler wie die Liofit GmbH, die Akkus aufarbeitet, oder Bauelemente Kunath haben sich neu etabliert.

Dem Chronisten fällt vor allem die Daimler-Tochter Accumotive ein ...

Natürlich ist das 500-Mio-Euro-Engagement ein Segen für die Stadt. Wobei man nicht vergessen darf, dass der Stadtrat mit einer weitreichenden Entscheidung den Weg dafür freigemacht hatte. 50 Hektar beplante Ackerfläche für mehr als vier Millionen Euro zu erwerben, das war nicht ohne Risiko gewesen. Aber, der Erfolg hatte ja ohnehin viele Väter. So hatte sich der langjährige Geschäftsführer der Accumotive, Frank Blome beim Daimlervorstand sehr für die Investition ins Zeug gelegt.

Sie meinen, alles ist möglich, wenn nur die richtigen Leute zur richtigen Zeit zusammentreffen?

Das macht viel aus. So hatten wir bis 2011 ja auch das Sakralmuseum hinbekommen, weil die Stadt im leider viel zu früh verstorbenen Pfarrer Jörg Naumann von der evangelisch-lutherischen Kirchgemeinde einen wichtigen Partner hatte. Und beim Accumotive-Engagement zog die Ewag Kamenz um Vorstandschef Torsten Pfuhl ganz stark mit. Die Medienversorgung am Ochsenberg war nicht nur selbst ein Millionenvorhaben, sondern auch eine Punktlandung. Und so etwas spricht sich natürlich rum.

Jetzt hat sich rumgesprochen, dass die Hoyerswerdaer Genossenschaft „Lebensräume“ Wohnungen für Accumotive-Mitarbeiter bereitstellt. Wäre das nicht eher was für die SWG?

Das ist in der Tat ein wichtiges Thema, und die KDK als Mutter der städtischen Wohnungsgesellschaft wird auf der Klaviatur mitspielen. Der Stadtrat wird noch im Herbst zum Thema beraten. Ziel ist es, in akzeptablem Zeitraum etwa 30 zusätzliche Wohnungen für Werksmitarbeiter bereitzustellen. Darüber hinaus haben wir im Rathaus den Fokus auch auf innerstädtische Eigenheimstandorte gelegt. An der Eselsburg tut sich bereits was, und auch in der Elsteraue wäre noch einiges möglich.

Ein in der Bürgerschaft oft nachgefragtes Thema ist die Infrastruktur, insbesondere auch der innerstädtische Straßenverkehr ...

Hier haben wir viel erreicht. In meiner ersten Amtszeit war uns der Ortseingangsbereich aus Richtung Pulsnitz wichtig gewesen, jetzt haben wir den aus Richtung Königsbrück in Schuss gebracht. Die hässlichen Scheunen sind beinahe verschwunden, die Stadt begrüßt die Anreisenden jetzt sehr gepflegt. Auch der Markt ist schön geworden, ich habe von Gästen nur Positives gehört. Hier hat sich das gemeinsame Engagement von Bürgerschaft, Citymanagement, City-Initiative, Rathaus und Stadtrat wirklich gelohnt. Froh sind wir auch über die Goethe- und die Saarstraße oder auch den straßenbegleitenden Radweg nach Zschornau-Schiedel.

Was tut sich bei der Stadtumfahrung?

In den letzten Jahren hat die Nord-West-Spange zwischen S 100 und S 94 Priorität erhalten. 2013 hatte der damalige Landratvize Steffen Domschke weitsichtig mitgezogen, als es eigentlich um die Sanierung der Kreisstraße in Brauna und Liebenau ging. Wir würden hier einen Ziel-Punkt-Verkehr zum Industriegebiet in Bernbruch hinbekommen und vor allem Ost- und Nordstraße deutlich entlasten. Das sind berechtigte Forderungen der Anwohner. Wir unterstützen die Planung, die aber nicht einfach ist, weil viele private und Umweltbelange zu berücksichtigen sind. Vielleicht sind wir in etwa fünf Jahren soweit.

Von diesem Straßenbau wäre Schönteichen direkt betroffen. Wäre auch da die Gemeindefusion hilfreich?

Gewiss, aber beide Seiten würden ja gleich mehrfach profitieren, wenn die Kamenzer „Ja“ zur Fusion zum frühestmöglichen Zeitraum sagen. Die Löschwasserbereitstellung in den neuen Ortsteilen ist die dringendste Pflichtaufgabe. Die Stadt bekäme sie zu 75 Prozent gefördert, und auch bei der Grundschule Brauna würde es vorangehen. Zunächst bei der Sanierungsplanung. Die Stadt kann jährlich mit 480 000 Euro Mehreinnahmen durch die Fusion rechnen und würde ihre Mittelzentrumsfunktion stärken. Ich sehe keine Situation auf uns zukommen, die nicht zu beherrschen wäre. Auch deshalb empfehle ich als OB-Kandidat jedem Kamenzer die Zustimmung.

Stichpunkt innerstädtischer Schulstandort. Hier ist der Stadt offenbar etwas gelungen, was vor sieben Jahren einfach undenkbar erschien ...

Das stimmt. Die Beharrlichkeit der Kamenzer hat sich ausgezahlt. Auch dank wichtiger Fürsprecher – wie Aloysius Mikwauschk, der sich für die Nachnutzung des Schweitzerhauses am Flugplatz stark gemacht hat. Das war ein wichtiger Schlüssel für ein Lessinggymnasium in der Innenstadt, wo es ja auch hingehört. Mittlerweile zieht der Landkreis Bautzen als Schulträger kräftig mit, und das muss er auch, weil die Zeitschiene eng bemessen ist.

In der Stadtwerkstatt wurde jetzt Kritik an der ungenügenden Einbeziehung des Gymnasiums in Sachen Schulneuanbau geäußert. Wie sehen Sie das?

Natürlich wäre es gut, wenn sich Kollegium und Schülerschaft in den Prozess beim Landkreis stärker einbringen könnten. Wobei das Erreichte nicht schlecht geredet werden sollte. Der Kreis hat bewiesen, dass er Schulen bauen kann. Das Lessinggymnasium wird – wie die 2. Oberschule auch – eine moderne Lerneinrichtung sein, Beim Pkw würde man von einem Oberklasse-Auto reden. Die Schulleitung ist gut beraten, mit dem Schulträger und den Planern zusammenzuwirken, damit die neuen Räume mit Leben erfüllt werden können. Auch mit alternativen Bildungsangeboten, wie man es sich wünscht. Natürlich sind wir noch beim Schulsportproblem gefragt. Ich bin mir sicher, dass wir auch dafür eine gute Lösung finden. Wenn Kamenz 2025 das 800-jährige Jubiläum der Ersterwähnung feiert, werden wir gemeinsam auch auf einen tollen Campus anstoßen.

Sie haben keinen Gegenkandidaten. Ist das gut für die Demokratie?

Die Parteien und Wählergruppierungen und alle, die es gewollt hätten, hatten die Chancen für eigene Kandidaten. Vielleicht ist die jetzige Situation auch eine allgemeine Wertschätzung meiner Arbeit? Gut wäre es, wenn sich diese Wertschätzung nun auch in einer ordentlichen Wahlbeteiligung niederschlagen würde.

Im Mai 2019 sind Kommunalwahlen. Welchen Stadtrat wünschen Sie sich?

Gut sind Persönlichkeiten im Rat, die offen sind, die reflektieren können und in der Lage sind, die Perspektiven zu wechseln. Es muss um Sachpolitik gehen, die im Gegensatz zur reinen Machtpolitik steht. Mit dieser Prämisse sind wir in Kamenz jedenfalls immer gut gefahren.

Gespräch: Frank Oehl