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"Das werden harte Verhandlungen"

Sachsens Grüne stimmen für Koalitionsgespräche mit CDU und SPD. Nicht alle sind begeistert.

Von Thilo Alexe
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Christin Melcher und Norman Volger, Vorsitzende der sächsischen Grünen, auf der Landesversammlung ihrer Partei in Leipzig.
Christin Melcher und Norman Volger, Vorsitzende der sächsischen Grünen, auf der Landesversammlung ihrer Partei in Leipzig. © dpa/Sebastian Willnow

Leipzig. Sachsens Grüne könnten im Höhenflug sein. Bei der Landtagswahl schnitten sie so gut wie noch nie ab und verdoppelten ihr Zweitstimmenergebnis. Die Partei gewann – auch das gab es noch nie – Direktwahlkreise in Dresden und Leipzig. Und dennoch: „Viele von uns hätten sich auch noch mehr erhofft“, sagt Leipzigs Grünen-Chef Matthias Jobke.

Dass die Sachsen-Grünen nicht eines der in Umfragen prognostizierten zweistelligen Ergebnisse erreichten, verursacht bei ihnen Schmerzen. Dennoch stehen sie vor einem Novum. Voraussichtlich gehört die Partei bald einer Koalition an, zusammen mit der lange bekämpften CDU und der SPD. „Das ist nicht unsere Wunschkoalition“, betont Jobke vor rund 120 Delegierten des Landesparteitags am Samstag in Leipzig. Die meisten sehen das auch so. Dennoch stimmen nur sieben Grüne gegen die Aufnahme von Koalitionsgesprächen, fünf enthalten sich. Die Partei nimmt Kurs nach Kenia auf, so wie vor ihr schon CDU und SPD.

Das Ergebnis ist nicht überraschend. Schon zum Auftakt schwören Vertreter der Parteispitze die Basis auf ein Ja ein. Landeschef Norman Volger präsentiert eine Nachwahlbefragung. Demnach befürworten 80 Prozent der Grünen-Wähler eine Kenia-Koalition. Eine weitere Lesart, die nach Kenia führt, bezieht sich auf das bessere Europawahlergebnis der Grünen. Bei der Landtagswahl stimmten offenbar Ex-Grünen-Wähler für CDU-Chef Michael Kretschmer, um die AfD zu verhindern. Soll heißen: Das CDU-Resultat kann grüne Spurenelemente enthalten.

In der Aussprache betonen mehrere Redner die Verantwortung der Ökopartei für den Freistaat. „Wichtig ist, dass dieses Land Veränderung erfährt“, sagt Dresdens Umweltbürgermeisterin Eva Jähnigen. Landtagsfraktionschef Wolfram Günther gibt sich selbstbewusst. Die Grünen, die 8,6 Prozent bei der Wahl erreichten, stünden zwar der CDU mit mehr als 30 Prozent gegenüber. Doch der Grünen-Anteil in einem künftigen Koalitionsvertrag solle höher sein, als es diese Zahlen nahelegen.

Was sind die Knackpunkte nach dreiwöchiger Sondierung? Die Grünen hoffen auf einen früheren Braunkohleausstieg als 2038. Sie wollen die Gemeinschaftsschule als zusätzliche Option und sperren sich gegen erweiterte Polizeibefugnisse wie etwa die Onlinedurchsuchung.

Eloquent beschreibt Innenpolitiker Valentin Lippmann die Gespräche mit der CDU. „Ich habe manchmal das Gefühl, wir haben mit einer Schallplatte verhandelt, die einen Sprung hatte.“ Wenn die Grünen auf mehr Bürgerrechte gedrängt hätten, sei regelmäßig der CDU-Satz gekommen: „Wir brauchen mehr Befugnisse für die Polizei.“ Die CDU, kalauert Lippmann, verhalte sich wie das „Eichhörnchen in Ice Age“. Sie habe Angst vor dem Verlust ihrer Nuss – sprich: vor Argumenten.

Katja Meier, frühere Spitzenkandidatin der sächsischen Grünen zur Landtagswahl, spricht bei der Landesversammlung.
Katja Meier, frühere Spitzenkandidatin der sächsischen Grünen zur Landtagswahl, spricht bei der Landesversammlung. © dpa/Sebastian Willnow

Die Dresdner Stadträtin Anja Osiander gibt zu bedenken, dass die sächsische Union auf von ihr weggewanderte AfD-Wähler achte: „Die CDU hört da hin.“ Ex-Landesgeschäftsführer Till Käbsch fordert harte Verhandlungen. Es sei aus Sicht der Grünen fatal, dass in den Sondierungsrunden das Bekenntnis zum Kohlekompromiss festgehalten worden sei, „von dem wir wissen, dass er für die Klimaziele nicht ausreicht“. Anderseits müssten, so Käbsch, die Grünen den Klimaschutz vorantreiben: „Wenn wir es nicht tun, tut es niemand.“

Immerhin haben sich CDU, SPD und Grüne auf einen Abbaggerstopp für einen von Braunkohleabbau bedrohten Ort erreicht. „Pödelwitz bleibt“, ruft der Abgeordnete Gerd Lippold in den Saal. Ex-Landeschef Karl-Heinz Gerstenberg wirbt für eine „Koalition der Vernunft“. Der Dresdner Stadtrat Michael Schmelich zeigt sich skeptischer: „Es gibt gute Gründe zu zweifeln, dass die Grünen ihre Chance haben, in dieser Koalition sich durchzusetzen.“ Keniakritiker Johannes Lichdi redet zwar nicht in Leipzig. Der Ex-Abgeordnete twittert aber: „Zu viele erscheinen mir von ihrer ‚staatspolitischen Verantwortung‘ zu besoffen, um ein Sachsenkenia- Ausstiegsszenario auch nur denken zu können.“

Der Abgeordnete Thomas Löser stellt mit Blick auf das Wahlergebnis fest: „Wir haben eigentlich keine Wahl.“ Das mache es so schwer. Spitzenkandidatin Katja Meier ist zuversichtlich: „Das Sondierungsergebnis macht deutlich, dass wir hier was erreichen können.“

Klar ist: Die CDU und die von ihr dominierte Verwaltung wird es den Grünen nicht leichtmachen. Am 21. Oktober sollen die Koalitionsrunden beginnen. „Das werden lange und harte Verhandlungen“, sagt Lippmann. Über das Ergebnis entscheiden bei den Grünen die Mitglieder.