Von Franz Werfel
Groß war die Freude, als vor wenigen Wochen klar wurde: Sachsen könnte Deutschlands längsten Eisenbahntunnel bekommen. Anfang November bestätigte das Bundesverkehrsministerium, dass der Neubau der Eisenbahnstrecke Dresden–Prag in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans eingestuft worden ist. Der Bund gibt seinen Segen – und stattet die Deutsche Bahn sofort mit dem Geld aus, dass sie für die Planungen braucht.

„Das Sächsische Verkehrsministerium hat das Projekt seit fast 20 Jahren im Fokus“, sagte der Referatsleiter für Eisenbahnen, Hubertus Schröder. Er eröffnete zusammen mit Pirnas Landrat Michael Geisler (CDU) vergangenen Donnerstag eine kleine Ausstellung im Foyer des Landratsamtes. Dort können sich die Bürger über das größte Bauprojekt der nächsten 20 Jahren informieren. Die SZ beantworten dazu die aktuell wichtigsten Fragen.
Warum soll die Strecke gebaut werden und was kostet sie?
Auf dem Weg von Dresden nach Prag fahren täglich etwa 140 Güterzüge durch das Elbtal zwischen Heidenau und Decin. Ziel ist es, diese sehr volle Strecke zu entlasten. Darum will Sachsen, dass auf der angedachten Neubaustrecke sowohl Personen- als auch Güterzüge fahren können.
Die jetzige Strecke an der Elbe ist wie ein Nadelöhr im europäischen Schienennetz. Hier rollt viel durch, was von Südosteuropa – wie Griechenland oder der Türkei – zu den Häfen nach Hamburg oder Bremerhaven will. Die neue Strecke ist Teil des europäischen Transitkorridors Orient/East Med. Er verbindet Skandinavien über die Häfen an Nord- und Ostsee mit dem Schwarzen und dem Mittelmeer und führt auf 2 820 Kilometern durch elf Staaten.
Auch für den Personenverkehr lohnt sich der Neubau, denn die Fahrtzeit zwischen Dresden und Prag würde sich deutlich verkürzen. Im Tunnel könnten Züge mit bis zu 200 Stundenkilometern fahren, hinter dem Tunnel auf tschechischer Seite sogar mit bis zu 350 Kilometern pro Stunde. Dauert die Fahrt von Dresden nach Prag heute rund 2:20 Stunden, sollen es dann nur noch 52 Minuten sein. Da parallel an Gleisen in Berlin gebaut wird, soll die Fahrt zwischen den beiden Hauptstädten nur noch 2:12 Stunden statt bisher 4:30 betragen. Die derzeitige Kostenschätzung beläuft sich auf insgesamt 2,3 Milliarden Euro. Etwa 40 Prozent dieser Summe könnte die EU aus einem Fördertopf bereitstellen.
Ab wann könnte gebaut und wann die Strecke frühestens fertig werden?
Wenn bei den Planungen alles glatt läuft, könnte der Tunnel frühestens ab 2027 gebaut werden, sagte Hubertus Schröder. „Vorher wird nur geplant.“ Das sei aufwendig, die Strecke aus Sicht der Ingenieure äußerst anspruchsvoll. Mit einer Länge von gut 26 Kilometern, davon rund 15 auf deutscher Seite, ist es der größte Tunnelbau der Republik. Bisher ist der Landrückentunnel in Hessen auf der Schnellstrecke Hannover-Würzburg der längste Eisenbahntunnel Deutschlands – mit 10,8 Kilometern.
Bei optimalem Verlauf der Bauarbeiten, so Schröder, könnte die Strecke frühestens 2035 eröffnet werden. Tschechiens Hochgeschwindigkeitsabschnitt wohl 2030.
Wo genau soll die Strecke in Sachsen und Tschechien verlaufen?
Insgesamt müssen in beide Richtungen 123 Kilometer Schiene neu verlegt werden, etwa ein Drittel davon auf deutscher Seite. Die Baumaßnahmen, die in Deutschland erfolgen, finden komplett im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge statt.
Zwei Röhren mit je einem Gleis sollen unter dem Osterzgebirge hindurchführen. Kurz hinter Heidenau, noch vor der Einfahrt in den Tunnel, ist ein Überholbahnhof geplant. Langsamere Züge können hier bei Bedarf oder im Notfall anhalten. Kurz vor Usti nad Labem verlässt die Strecke den Tunnel und geht über auf Tschechiens Hochgeschwindigkeitstrasse Lovosice-Prag.
Was bedeutet der Neubau für den Lärmschutz im Elbtal?
Hubertus Schröder sagt, dass die vom Bahnlärm betroffenen Menschen natürlich nicht bis 2035 warten können. „Parallel zum Neubau muss noch viel Geld in den Lärmschutz gesteckt werden.“ Derzeit diskutieren die anliegenden Gemeinden, ob sie für eine Lärmschutzwand sind. So wie Hubertus Schröder blickt Heidenaus Bürgermeister Jürgen Opitz (CDU) auf das Thema. „Es wird höchste Zeit, dass da etwas passiert“, sagte er. Opitz geht davon aus, dass mit der neuen Strecke auch mehr Züge durch Heidenau fahren werden. Effektiver Schallschutz setze direkt an der Lärmquelle, also an den Güterwagen an.
Die Bundesregierung hat beschlossen, dass sich bis 2020 der Lärm auf den Schienen halbieren muss – ausgehend vom Jahr 2008. Darüber hinaus hat der Bund festgelegt, dass ab dem Fahrplanwechsel 2020/21 in Deutschland nur noch Güterzüge mit Flüsterbremsen unterwegs sein dürfen. Das betrifft auch ausländische Waggons. Derzeit fahren rund 180 000 Güterwagen auf Deutschlands Schienen, nur ein Drittel davon gehört der Deutschen Bahn.
Werden auch Gefahrguttransporte durch den Tunnel geführt?
Zu Gefahrgütern zählen etwa giftige Gase sowie entzündbare Stoffe. Dass auch diese durch den Tunnel geleitet werden sollen, ist vielen Anwohnern im Elbtal wichtig. Der zuständige Bahnsprecher weist darauf hin, dass es für die Sicherheit in Tunneln EU-weite einheitliche Regeln gibt. „ Transportunternehmen müssen ihre Ladung nicht vorher anmelden“, so der Sprecher. Der Tunnel müsse in jedem Fall höchsten Sicherheitsansprüchen genügen und: „Alle Stoffe müssen auf der neuen Strecke transportiert werden können.“
Das Verkehrsministerium zeigt eine Ausstellung zum Bauprojekt. Sie kann bis Ende Februar 2018 im Pirnaer Landratsamt im Schloss Sonnenstein, Schloßhof 2/4, im Stadtflügel besichtigt werden.