Von Alexander Schneider
Mehr als 800 Mitarbeiter der Allianz AG geben ihren Versicherten telefonisch Auskunft. 18,8 Millionen Gespräche kommen so im Jahr zusammen, wie der Datenschutzbeauftragte des Unternehmens am Dienstag im Amtsgericht Dresden schilderte. Aber ein solcher Datenklau, der nun Gegenstand in diesem Strafprozess war, sei in dem Münchner Konzern überhaupt noch nicht vorgekommen.
Auf der Anklagebank saßen der Chef (57) einer Dresdner Detektei und ein Dresdner Rechtsanwalt (47). Im Sommer 2013 sollen die Männer vereinbart haben, bei der Allianz widerrechtlich Informationen zu erschleichen, sensible Krankendaten eines Arztes aus Wuppertal. Diese Daten seien dann in einem Arbeitsprozess in Wuppertal gegen den Arzt genutzt worden.
Laut Anklage habe der Detektiv bei der Allianz angerufen, sich als der Wuppertaler Arzt ausgegeben und habe mit Angabe von dessen Krankenversicherungsnummer die Informationen erhalten – dass der Arzt monatelang arbeitsunfähig gewesen sei, dass er mehr als 22 000 Euro Krankentagegeld von der Allianz kassiert habe oder dass er wegen Depressionen behandelt wurde. Damit hätten die Angeklagten gegen das Bundesdatenschutzgesetz verstoßen.
Für Zivilprozess gestöbert
Im Hintergrund schwelte ein bizarrer Zivilrechtsstreit. Der Wuppertaler Arzt hatte von einem Klinikkonzern offenbar Einkommen eingeklagt, wobei unklar gewesen sei, ob er überhaupt arbeitsfähig war. Es ging um sehr viel Geld. Laut Staatsanwaltschaft sei daher der Dresdner Anwalt beauftragt worden, mehr über den Arzt in Erfahrung zu bringen. Er habe sich dann an den Detektiv gewandt. Beide Angeklagte haben nun die Vorwürfe bestritten und zur Sache keine Angaben gemacht, von den Erklärungen ihrer Verteidiger abgesehen.
Zu den Ermittlungen kam es aufgrund von Anzeigen der Allianz und des Wuppertaler Arztes. Viel Belastendes hatte die Polizei damals nicht ermittelt. Woran sollen sich auch Versicherungssachbearbeiter, die täglich 40 bis 60 Kunden am Telefon bedienen, nach Monaten noch erinnern?
Entsprechend problematisch war nun die Beweisaufnahme. Die Auskünfte der Versicherung waren dokumentiert, wie im Prinzip auch jeder Anruf. Doch wer hatte angerufen? Die sensiblen Daten wurden an eine Fax-Nummer geschickt, eine Adresse in Berlin, ein Anschlussinhaber fand sich nicht. Klar war nur: Ohne Nennung der Krankenversicherungsnummer hätten Allianzmitarbeiter keine Daten herausgegeben – und: diese Informationen sind allein für den Versicherten selbst bestimmt und für niemanden sonst.
Wer ist der Geschädigte? Die Allianz? Oder der Arzt, der selbst eine umstrittene Rolle spielt und nun angeblich sechsstellige Summen von den Angeklagten und der Versicherung fordert? Die Richterin sprach den Anwalt frei. Ihm sei nicht nachzuweisen, ob er gewusst habe, dass die Detektei unlautere Mittel anwendet. Den Detektiv jedoch verurteilte sie zu einer Geldstrafe von 2 000 Euro. Es sei klar, dass er oder ein Mitarbeiter unter Nennung falscher Personalien die Daten erschlichen habe.