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Garagenbesitzer kämpfen um ein Stück DDR-Kultur

Hinter den Toren der DDR-Garagen verstecken sich nicht nur Reifen und Sperrmüll. Bis heute wird hier geschraubt, geplaudert und getrunken. Nun müssen die Besitzer aber um ihr Eigentum fürchten.

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Ein Schild an der Einfahrt zu einem Garagenkomplex im Osten Leipzigs.
Ein Schild an der Einfahrt zu einem Garagenkomplex im Osten Leipzigs. © dpa/Sebastian Willnow

Leipzig. Erst an Plattenbauten, dann an Schrebergärten entlang, führt eine Straße in Leipzig zu einem Hof. Auf ihm: vier meterlange Garagenreihen, ein Holzgaragentor neben dem nächsten. Vor ihm: ein Zaun, an dem Plakate mit wütender Aufschrift hängen. "Anwohner wehrt Euch, Garagenabriss, Parkchaos" - die Garagenbesitzer machen ihrem Ärger Luft. Die Bauten sind Relikte der DDR. Nach über 30 Jahren stehen sie nun auf der Abrissliste.

Wie in Leipzig finden sich in ganz Ostdeutschland zahlreiche dieser Garagenhöfe, deren immaterielle Bedeutung weitaus höher ist als die Steine, aus denen sie früher meist in Eigenregie gebaut wurden. Auf den Höfen traf man sich, man schraubte, werkelte, aß, trank und lachte zusammen. Eine Garage war die Ergänzung zur kleinen Wohnung und dem Schrebergarten nebenan. Die heutigen Besitzer kämpfen nun um den Erhalt des Mikrokosmos Garagenhof.

Der Grund für die unklare Zukunft der Garagen ist ein Erbe der Vergangenheit. Zwar sind die einzelnen Garagen in Privatbesitz, die Grundstücke, auf denen sie stehen, gehören jedoch den Kommunen. Nach DDR-Gesetz war dies einst möglich. Geltendes Recht sieht allerdings vor, dass es keinen Unterschied zwischen Grundstück- und Gebäudeeigentümer geben darf.

Durch ein 1995 in Kraft getretenes Gesetz war dieser rechtliche Missstand bislang kein Problem. Nun sehen sich viele Kommunen in der Pflicht, eine Entscheidung treffen zu müssen.

In Leipzig soll nach Angaben der Stadt auf dem Grundstück des Garagenhofs eine Schule entstehen. Weil es in der Umgebung aber schon drei Schulen gibt, werde eine neue gar nicht gebraucht, sagt Steffen Brabnik vom Leipziger Garagenhofverein: "Uns geht es uns darum, dass wir die Autos von der Straße wegbekommen." Es werde geklaut und Parkplätze seien rar. Deshalb solle der Hof bleiben. "Aber vor allem ärgert mich einfach, wie die Politik, wie die Grünen, mit uns und diesem Kulturgut umgehen", ergänzt der Leipziger.

Tomasz Petersohn, Lutz Hartung und Steffen Brabnik (v.l.n.r.) vom Leipziger Garagenhofverein und Garagenbesitzer Dieter Naundorf tauschen sich über ihre Probleme aus.
Tomasz Petersohn, Lutz Hartung und Steffen Brabnik (v.l.n.r.) vom Leipziger Garagenhofverein und Garagenbesitzer Dieter Naundorf tauschen sich über ihre Probleme aus. © Deutsche Presse-Agentur GmbH

Die ostdeutschen Kommunen haben ganz unterschiedliche Pläne mit den Höfen. Im Gegensatz zu anderen Städten will das sächsische Grimma laufende Verträge für die Garagen vorerst nicht kündigen, um sie abreißen zu können, sagt Oberbürgermeister Matthias Berger (parteilos): "Für uns steht im Vordergrund, dass rechtlich Sicherheit und Klarheit geschaffen wird." Dafür müssten alte Verträge umgewandelt und in Fällen eines Weiterverkaufs der Garage neue Verträge aufgesetzt werden, die der Kommune ein Mitspracherecht einräumen, so der Jurist.

Vorgeschoben, meint Brabnik: "Die Politik will uns das Autofahren vermiesen." Der 61-Jährige hat die Garage von seinem Vater geerbt. Bis heute trifft er sich hier regelmäßig mit anderen Garagenbesitzern. Als Kind wuselte Brabnik zwischen ihnen umher, während die heute betagten Männer an Trabbi oder Simson schraubten.

Auch heute wird in vielen Garagen noch geschraubt.
Auch heute wird in vielen Garagen noch geschraubt. © dpa/Sebastian Willnow

Bestünden Altverträge, also solche, die unter DDR-Recht geschlossen wurden, sieht der Vizepräsident des Verbands Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN), Peter Ohm, keinen Grund zu handeln: "Hier gibt es auch nach Auslaufen der Übergangsfrist eine gesicherte Rechtsgrundlage, an der man nicht schrauben muss. Es sei denn, man möchte seine Situation als Grundstückseigentümer verbessern." Kommunen ginge es vor allem darum, den Besitzerinnen und Besitzern der Garage keine Entschädigung zahlen zu müssen und auch andere Pflichten eines Eigentümers auf sie abzuwälzen.

"Dabei geht es um die Sicherheit, Instandhaltung, aber auch um die Abrisskosten für die Garagen", erklärt Ohm. Besonders in Sachsen verzeichne der VDGN, der allein in Leipzig 22 Garagenvereine mit rund 2.750 Mitgliedern vertritt, immer wieder Fälle, in denen Eigentümerinnen und Eigentümer der Garagen unter Druck gezwungen würden, neue Verträge zu unterschreiben. Damit gingen die Garagen automatisch in kommunalen Besitz über. "In einigen Fällen mussten wir dann feststellen, dass die Nutzerinnen und Nutzer dann rechtlos sind. Man könnte also sagen, die Leute werden übers Ohr gehauen."

Was im neuen Jahr nach Auslaufen der gesetzlichen Frist auf dem Leipziger Garagenhof passiert, wissen Brabnik und die anderen Besitzer nicht. Einem Abriss durch die Stadt steht dort jedoch nicht nur ein unausgefochtener Rechtsstreit mit dem VDGN, sondern auch der erklärte Widerstand der Besitzerinnen und Besitzer im Wege. (dpa)