SZ + Politik
Merken

Landesbeauftragte: Rente für SED-Opfer soll steigen

Sachsens Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Nancy Aris, sieht Nachbesserungsbedarf. Dabei geht es nicht nur ums Geld.

Von Thilo Alexe
 3 Min.
Teilen
Folgen
Nancy Aris ist Landesbeauftragte
zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.
Nancy Aris ist Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. © Paul Glaser

Vor 30 Jahren ist es in Kraft getreten: das erste SED-Unrechtsbereinigungsgesetz. Es soll eine Würdigung des Einsatzes für Demokratie ermöglichen, vor allem aber, so gut es geht, Wiedergutmachung für politisches Unrecht. Weitere Gesetze folgten, vor zwei Jahren eine Novelle.

Doch damit soll nicht Schluss sein. Die SED-Opferbeauftragte beim Bundestag, Evelyn Zupke, regt Nachbesserungen an. Etliche Geschädigte scheiterten etwa bei der Anerkennung verfolgungsbedingter gesundheitlicher Beeinträchtigungen, sagte sie bei der Vorstellung ihres Tätigkeitsberichts im Juni.

Auch Sachsens Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Nancy Aris, sieht Nachbesserungsbedarf. Wie Zupke plädiert sie für die weitere Erhöhung der sogenannten SED-Opferrente. Derzeit erhalten in der DDR politisch Verfolgte 330 Euro im Monat.

Sie müssen dazu mindestens 90 Tage inhaftiert gewesen sein. Zudem gelten Bedürftigkeitsgrenzen. Bei einem Alleinstehenden liegt sie bei rund 1.340 Euro. Aris stimmt Zupkes Vorschlag zu, die Auszahlung von der wirtschaftlichen Lage der ehemals Verfolgten zu entkoppeln.

Erhöhung von zwei Prozent gefordert

Zurückhaltender reagiert sie auf deren Forderung nach einer „Dynamisierung“ der Rente. Das ist Aris zu unkonkret. „Ich bin dafür, eine konkrete Erhöhung, jährlich etwa zwei Prozent, gesetzlich festzuschreiben“, sagt die beim Landtag angesiedelte Beauftragte der Sächsischen Zeitung.

Im Jahr 2020 erhielten in Sachsen 7.264 in der DDR politisch Verfolgte und Inhaftierte die Opferrente. Aris zufolge lagen lediglich 16 Bezieher über der Einkommensgrenze und bekamen nur eine Teilauszahlung. Sie fragt, ob mit dem Wegfall der Prüfung nicht viel Verwaltungsaufwand eingespart werden könnte. „Dies würde zudem die Betroffenen von dem Stigma befreien, als bedürftige Bittsteller zu agieren.“

Handlungsbedarf sieht Aris auch bei den Ausgleichsleistungen. Die kann, vereinfacht gesagt, jemand bekommen, der aufgrund politischer Verfolgung seinen Beruf nicht ausüben konnte. Mittlerweile profitieren auch ehemals verfolgte Schüler von der Regelung, etwa wenn sie nicht zum Abitur zugelassen wurden.

Derzeit erhalten Berufstätige maximal 240 Euro, Rentner 180 Euro im Monat. Aris hält das für nicht nachvollziehbar, die Reduzierung gehe an der Lebenswirklichkeit vorbei. Rentner hätten häufig gleich hohe Lebenshaltungskosten wie Berufstätige, meist aber deutlich weniger Einkommen.

Kaum ein Antragssteller erhält Leistungen

Zudem macht sich die sächsische Landesbeauftragte stark für eine Erhöhung der Einkommensgrenze. Diese sei sehr niedrig angesetzt, daher bekomme derzeit kaum ein Antragssteller Ausgleichsleistungen. Unterstützung fließt, wenn das Einkommen geringer als 892 Euro im Monat ist. Lebt der oder die Betreffende in einer Bedarfsgemeinschaft, beträgt die Summe 1.293 Euro. „Die meisten Anträge scheitern an der Anrechnung der Partnereinkünfte“, betont Aris.

Das zugrunde liegende Gesetz wurde im Bundestag und Bundesrat beschlossen. Sachsen kann, wenn es etwas ändern will, über die Länderkammer eine Initiative starten. In zwei Jahren steht die Überprüfung der Opferrente an.

Aris hat aber noch andere Schwerpunkte als die Auseinandersetzung mit den Rehabilitierungsgesetzen. Mit ihrem Team berät sie Betroffene. Sie informiert über die DDR mit Veranstaltungen, einer eigenen Buchreihe und Ausstellungen. Vor allem in Schulen ist ihr Team aktiv. Neu ist das digitale Mitmachprojekt „Hi-stories – Geschichte vor Ort“, bei dem Jugendliche Geschichtsspuren aus der DDR erkunden und ihre Recherchen online stellen.

Aris ist zudem als Landesbeauftragte im Stiftungsrat der Stiftung sächsische Gedenkstätten vertreten. Derzeit engagiert sie sich für die Gedenkstätte Hoheneck. Die Gedenkstätte im ehemals größten Frauenzuchthaus der DDR soll voraussichtlich 2023 eröffnen. Aris drängt bei der Neukonzeption darauf, die Sicht der Betroffenen angemessen zu beachten.