Von Michael Rothe
Dresden. „Deutschland und vor allem Sachsen stehen beim Aufbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos auf dem Seitenstreifen, während andere Länder auf der Überholspur davonziehen.“ So kommentiert Stephan Kühn (Bündnis 90/Grüne) die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage seiner Bundestagsfraktion. Deutschland wolle Leitmarkt für Elektromobilität werden, doch Anspruch und Wirklichkeit klafften weit auseinander, sagt Kühn.
Mit einem Förderprogramm wollte die Bundesregierung flächendeckend Ladesäulen aufbauen. Aber ein Jahr nach dem Start seien die Förderanträge noch nicht abgearbeitet und nur 66 Ladepunkte nachweislich in Betrieb, so der Verkehrsexperte. Laut einem weiteren Programm mit dem Raststättenbetreiber Tank & Rast sollte an den Autobahnen mit 400 Stationen ein flächendeckendes Ladenetz stehen. „Auch das Ziel wurde verfehlt“, so Kühn. Laut der Antwort, die der SZ vorliegt, sind 300 Standorte ausgestattet. Tank & Rast, Marktführer mit 360 Tankstellen und 410 Raststätten, errichtete dort je ein bis zwei Dreifachlader mit 50 Kilowatt Ladeleistung – wie bereits an elf seiner zwölf Standorte in Sachsen.
Seit Anfang 2017 fördert der Bund anteilig den Aufbau öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur. In zwei Programmen standen insgesamt 400 Millionen Euro für bis zu 28 000 Normal- und Schnellladepunkte bereit. In Sachsen hielt sich das Interesse anfangs in Grenzen. Während in Nordrhein-Westfalen 2 874 Lademöglichkeiten bezuschusst wurden, sind es im Freistaat 190, in ganz Ostdeutschland 709. Die zweite Charge ist in Sachsen speziell bei Schnellladestellen jedoch überzeichnet: Es gibt 147 Anträge, das Geld reicht für 36.
Von den Subventionen profitieren laut Stephan Kühn nur wenige Länder, Energieriesen wie Innogy SE und die Autoindustrie. Zwei Prozent der geförderten Ladepunkte entstünden in Sachsen – „zu wenig für einen Autostandort, der Vorreiter bei Elektromobilität werden will“. Es reiche nicht, dass in Dresden, Leipzig und bald in Zwickau Elektroautos gebaut werden, sie müssten dort auch fahren können. Ein flächendeckendes Ladenetz sei nötig.
Am Montag hatte VW in seiner Gläsernen Manufaktur die zweite Schicht gestartet. Nun werden in Dresden täglich 72 statt 36 e-Golf gebaut. Die Nachfrage zieht an. Folge: sieben Monate Wartezeit. Laut Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle wurde bis Ende Februar aus Sachsen für 150 e-Golf der Umweltbonus beantragt. Trotz der Prämie von 4 000 Euro ist das Interesse an Elektroautos gering. 2017 wurden im Freistaat 620 solcher Pkws registriert, 0,5 Prozent aller Neuzulassungen. Damit liegt die Modellregion Elektromobilität unterm Bundesschnitt.