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Dem Kornhaus aufs Dach gestiegen

Die Sturmschäden sind repariert und die Eigentümer sollen sich gemeldet haben.

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© Claudia Hübschmann

Von Peter Anderson

Meißen. Den Job in luftiger Höhe übernimmt Dombauhüttenchef Frithjof Müller persönlich. Vorsichtig balanciert er über die blanken Latten des riesigen Dachstuhls. Orkantief Friederike hatte in der vergangenen Woche größere Teile des Meißner Kornhauses abgedeckt. Nun schließen Müller und seine Dombauhütte mithilfe einer Hebebühne schnell die weithin sichtbaren, offenen Stellen. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass das bröckelnde Denkmal noch mehr verfällt.

Seit gut zehn Jahren gehört das mit seinen Wurzeln bis ins Mittelalter reichende Bauwerk der von italienischen Gesellschaftern getragenen Venere GmbH mit Sitz in Österreich. Anfängliche Hotelpläne hatten sich spätestens mit der globalen Finanzkrise 2008 zerschlagen. Seitdem tauchten immer einmal wieder Verkaufsanzeigen mit Phantasiepreisen von bis zu fünf Millionen im Internet auf. Kenner des Immobilienmarktes gehen davon aus, dass es sich dabei um Testballons der Italiener handelt, die sehen wöllten, welcher Gewinn sich mit dem Kornhaus einstreichen lasse könnte. Verkauft worden sein soll das Denkmal durch die Meißner Wohnungsbaugesellschaft Seeg ursprünglich für eine halbe Million Euro. An eine Rückgabeklausel wurde allerdings nicht gedacht. Das fällt der Stadt nun gehörig auf die Füße.

Letztes Mittel Zwangsversteigerung

Eine gute Nachricht gibt es allerdings: Auf SZ-Anfrage hat das Büro von Oberbürgermeister Olaf Raschke (parteilos) jetzt mitgeteilt, dass ein „reger E-Mail-Verkehr“ mit den Besitzern gepflegt werde. Im Dezember sei ihnen mitgeteilt worden, dass für Besucher des Domplatzes eine akute Gefahr durch herabfallende Dachziegel bestehe. Die Kosten für Bauzäune zum Absichern eines Streifens am Kornhaus müsse die Venere GmbH übernehmen. Diese hätte zugesagt, sich zu kümmern. Aktuell summiert das Rathaus eigenen Angaben zufolge die Ausgaben für Bauzäune, Ordnungsamt, Feuerwehr. Dann sollen die Italiener eine Rechnung erhalten.

Gemeinsam mit der Stadt schlägt die Denkmalbehörde einen schärferen Ton an. Diese habe die Eigentümer „direkt und unmissverständlich“ aufgefordert, die bröckelnde Immobilie zu sichern, so das OB-Büro. Wie Raschke am Rande der Bauausschusssitzung am Mittwoch sagte, müsse im Extremausfall darüber nachgedacht werden, das Gebäude zwangsversteigern zu lassen. Das wäre vor allem dann eine Option, sollten die Italiener die Kosten für die sogenannte Ersatzvornahme, das heißt das Ausrücken der Kameraden, Aufstellen der Bauzäune und die anderen Aktionen des Rathauses nicht begleichen.

Rückendeckung darf Meißens OB in diesem Fall von vielen seiner Stadträte erwarten. ULM-Fraktionschef Wolfgang Tücks kündigt an, das Thema in der nächsten Klausurtagung von Räten und Verwaltung anzusprechen. „Ich sehe für das Kornhaus dann eine Zukunft, wenn es gelingt, dieses Objekt in das Eigentum des Freistaates Sachsen zu überführen, um dann über die Nutzungsoptionen nachzudenken“, teilt der Kommunalpolitiker auf SZ-Anfrage mit. Der Verkauf des Kornhauses werde jetzt von vielen Meißnern heftig kritisiert. Rückblickend geschehe das wohl zu Recht. Allerdings sei diese Immobilie sowohl für die Seeg als auch für die Stadt Meißen eine Nummer zu groß.

Begrüßt werden die klaren Ansagen der Stadt durch Vertreter des Steampunk-Vereins Zahnrad & Zylinder. Oberbürgermeister und Bauaufsicht hätten das einzig Richtige getan“, so Jeannette Mahlow. Abgestimmt mit Stefano Bersani, einem der italienischen Kornhaus-Besitzer, hatte der Verein in den letzten beiden Jahren versucht, das leerstehende Haus für die Öffentlichkeit zu erschließen. Ein Steampunk-Festival setzte einen neuen bunten Farbtupfer in Meißens Veranstaltungslandschaft. Zur langen Nacht wollten hunderte Gäste einen Blick in das lang versperrte Innere des Denkmals werfen. Ende Oktober 2017 untersagten Vertreter der Venere GmbH allerdings jegliche weitere Aktivitäten mit einem Verweis auf den schlechten baulichen Zustand. Erbaut wurde das Wirtschaftsgebäude ursprünglich um das Jahr 1470. Es entstand somit in der gleichen Phase wie die Albrechtsburg unter Baumeister Arnold von Westfalen. Die Um- und Ausbauarbeiten im 19. Jahrhunderten führten dann zu dem heutigen Stilmischmasch. Noch bis Ende des 20. Jahrhunderts diente das Kornhaus aufgrund der Wohnungsnot in der DDR als Mietshaus.