Von Tobias Winzer
Freital. Dauerrauschen am Tag und in der Nacht, anfahrende Busse vor der Tür, Hupen und quietschende Reifen. Fast 2 000 Menschen sind in Freital solch starkem Lärm ausgesetzt, dass sie damit langfristig ihre Gesundheit riskieren. Das geht aus der aktuellen Lärmkartierung hervor, die das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) für die Stadt Freital erstellt hat. Die Sächsische Zeitung erklärt die Details und sagt, wie das Problem gelöst werden soll.
Was genau ist das Ergebnis der Lärmkartierung?
Berechnet wurden die Lärmwerte für drei Straßenzüge in Freital: die Dresdner Straße, die Wilsdruffer/Kesselsdorfer Straße sowie für einen kurzen Abschnitt der Autobahn A 17 auf Pesterwitzer Gebiet. Der Grund: Allein für diese drei Straßen schreibt die Europäische Union eine regelmäßige Lärmberechnung vor.
Voraussetzung ist, dass es sich um Hauptverkehrsstraßen im Stadtgebiet mit einer Belastung von mehr als drei Millionen Kraftfahrzeugen pro Jahr handelt. Das Ergebnis der Lärmberechnung: 1 890 Freitaler sind tagsüber dauerhaft Lärm von mehr als 65 Dezibel ausgesetzt. Nachts haben 1 877 Freitaler regelmäßig unter einem Geräuschpegel von mehr als 55 Dezibel zu leiden.
Wie kommen diese Grenzwerte zustande?
Die Werte von 65 Dezibel tagsüber und 55 Dezibel nachts sind keine gesetzlich verankerten Grenzwerte, sondern gelten als Schwelle zur Gesundheitsrelevanz, wie das LfULG mitteilt. Das heißt, eine Belastung oberhalb dieser Werte erhöht das Risiko gesundheitlicher Schäden. Die Werte basieren auf medizinischen Langzeitstudien sowie Forschungen.
Welche gesundheitlichen Schäden drohen?
Laut LfULG unterscheidet man zwischen Wirkungen auf das Gehör, wie sie erst bei sehr hohen Lärmpegeln auftreten, und Wirkungen auf den Organismus. Diese beginnen bei den genannten Werten. Die Wirkungen basieren auf Stressreaktionen des Körpers und führen beispielsweise zu einem erhöhten Risiko von Herz- und Kreislauferkrankungen und Bluthochdruck. Zudem können wegen Schlafstörungen und zusätzlichen Aufwachreaktionen weitere Gesundheitsschäden auftreten, wie beispielsweise Konzentrationsstörungen oder psychische Beeinträchtigungen.
Wie kommen die berechneten Lärmwerte genau zustande?
Straßenverkehrslärm wird grundsätzlich nicht gemessen, sondern berechnet. Würde man den Lärm messen, gäbe es wegen sogenannter Störgeräusche, wie zum Beispiel Hundegebell oder Vogelgezwitscher, verfälschte Werte. Ziel ist es aber, Aussagen über die durchschnittliche Lärmbelastung zu treffen. Daher wird über komplexe Rechenmodelle die durchschnittliche jährliche Belastung ermittelt. In die Berechnung fließen zum Beispiel Verkehrsmengen, zulässige Höchstgeschwindigkeiten, Straßenbeläge ein. Es wird in einem Raster von zehn mal zehn Metern gerechnet.
Wo in Freital ist der´Lärm am größten?
Dazu kann die Stadt noch nichts sagen. Nur so viel: Es gebe etliche Stellen an den drei Straßen, wo die Grenzwerte überschritten würden. Die Stadt hat die Lärmkarte nun einem Planungsbüro übergeben, das die Ergebnisse auswerten und sich mit dem LfULG abstimmen soll. Unter anderem soll geklärt werden, wie bestimmte Werte zustande gekommen sind. Eventuell werden einzelne Werte noch korrigiert. Wie aus der Lärmkarte des LfULG hervorgeht, sind vor allem die Wohnhäuser an der Dresdner Straße in Potschappel, an der Ecke Dresdner Straße/Wilsdruffer Straße sowie an der Kesselsdorfer Straße in Wurgwitz von übermäßigem Lärm betroffen.
Ist die Lärmbelastung in Freital schlimmer geworden?
Nach den ersten Zahlen sieht es so aus. Die Zahl der Betroffenen sei relativ hoch, sagt die Stadt – ohne jedoch Einblick in die Daten zu geben. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf die noch ausstehende Prüfung der Werte. Die Erhöhung der Betroffenenzahl kann aber damit zusammenhängen, dass zum Beispiel an der Dresdner Straße Baulücken geschlossen worden sind und ehemalige Geschäfte zu Wohnungen umgebaut wurden. Deshalb leben mehr Menschen dort. Der Straßenlärm wird in Freital alle fünf Jahre berechnet.
Wie geht es nun konkret weiter?
Die Stadt muss einen sogenannten Lärmaktionsplan vorlegen. Wie der Name schon sagt, muss die Stadt darin konkrete Vorschläge machen, wie das Lärmproblem an den kritischen Stellen gelöst werden soll. Welche das sein könnten, dazu will sich die Stadt derzeit noch nicht äußern. Sie verweist auf die derzeit laufende Arbeit des beauftragten Planungsbüros.
Fakt ist, dass die Stadt an einigen Stellen in Freital in der Vergangenheit schon tätig geworden ist. So wurde die Dresdner Straße einspurig umgebaut und begrünt. An die Wilsdruffer Straße wurden vereinzelt Lärmschutzwände gesetzt. Einzelne Haushalte in Pesterwitz bekamen wegen der Nähe zur Autobahn Schallschutzfenster.
Wann ist mit den Ergebnissen zu rechnen?
Laut LfULG muss der Lärmaktionsplan bis 18. Juli vorliegen. Das wird die Stadt allerdings nicht schaffen – auch, weil die Lärmkarte erst zu spät fertig wurde, wie es heißt. Im Rathaus geht man davon aus, dass der Plan nach der Sommerpause im September oder Oktober fertig ist.
Wann erfahren die Freitaler, ob es bei ihnen zu laut ist?
Wenn der Lärmaktionsplan fertig ist, soll es auch eine Informationsveranstaltung für Bürger geben. Im Rathaus überlegt man derzeit, ob diese im Rahmen einer Ausschusssitzung des Stadtrates stattfindet oder ob die Pläne einfach nur öffentlich im Rathaus einsehbar sind.
Bekommt die Dresdner Straße nun eine Lärmschutzwand?
Nein, sicher nicht. Das würde zwar den Lärm für die Anwohner reduzieren, würde aber die Straße verschandeln und wäre auch wegen des begrenzten Platzes kaum umsetzbar. Generell müssen bei den Lärmschutzmaßnahmen verschiedene Interessen miteinander abgewogen werden.
Wie das LfULG betont, kann auch nicht garantiert werden, dass die Werte überall unterhalb der kritischen Werte sinken. Ziel der von der EU verordneten Lärmkartierung sei eher, dass sich die Gemeinden regelmäßig mit dem Thema auseinandersetzen und durch die Veröffentlichung der Daten Druck entsteht, etwas gegen gesundheitsschädlichen Lärm zu tun. Oftmals seien viele kleine Schritte zu gehen. Eine Maßnahme kann zum Beispiel auch sein, den Radverkehr an der Dresdner Straße zu fördern.