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Demenztherapie mit der Gräfin Cosel

Schon bald sollen Serviceroboter in der Alten- und Krankenpflege zum Einsatz kommen. Den Menschen ersetzen werden sie aber wohl nie.

Von Franziska Springer
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Die Serviceroboter Loomo, Anna Constantia und Pepper (v.l.) könnten menschlichen Pflegekräften schon bald die tägliche Arbeit erleichtern.
Die Serviceroboter Loomo, Anna Constantia und Pepper (v.l.) könnten menschlichen Pflegekräften schon bald die tägliche Arbeit erleichtern. © Matthias Rietschel

Dresden. Strahlend blaue Augen wenden sich dem näherkommenden Betrachter zu. „Mal sehen, was heute in der Zeitung steht“, schnarrt Anna Constantia, benannt nach der berühmten Gräfin Cosel. Die Stimme des Pflegeroboters klingt blechern und vielleicht einen Tick zu leise.

„Die Sprache ist eine der größeren Herausforderungen bei der Software-Entwicklung für Pflegeroboter“, sagt Robert Erzgräber. Der wissenschaftliche Mitarbeiter vom Institut für künstliche Intelligenz an der Dresdner Hochschule für Wirtschaft und Technik (HTW) bringt Anna Constantia seit zwei Jahren bei, was sie für ihren Einsatz als Pflegeroboter können muss. Unterstützt werden er und das Entwicklerteam der HTW von Psychologen der Universitätskliniken in Dresden und Erlangen. In Einrichtungen der städtischen Pflegegesellschaft Cultus wird die Wirksamkeit von Anna Constantia erprobt.

Deren Bewohner akzeptieren den künstlichen Pfleger erstaunlich gut – sieht er doch mit seinem transparenten Kopf, den starren Augen und den fehlenden Gliedmaßen einem Menschen so gar nicht ähnlich. „Das war Absicht“, erklärt Erzgräber. „Der Roboter soll als solcher zu erkennen sein.“ Personifiziert wird er dennoch – und das mit Erfolg: „Wir stellen ihn den Bewohnern immer mit Namen vor. Am Beginn einer Sitzung begrüßt er jedes einzelne Gruppenmitglied.“ Inzwischen gibt es Bewohner, die sich angeregt mit dem seltsamen Wesen unterhalten. Und das, obwohl Anna Constantia nur sagen kann, was ihr vorher einprogrammiert wurde. Selbst dazulernen kann sie nicht.

Das ist auch nicht nötig. Gesteuert wird der Serviceroboter von einem Pfleger per Tablet. Einsatz findet er derzeit vor allem bei einer nicht-medikamentösen Therapie für Demenzkranke. In regelmäßigen Sitzungen spielt er mit den Erkrankten Karaoke, nimmt dem Betreuer lange Ansprachen ab. Der kann seine Arbeitskraft effizienter einsetzen und sich besser auf den einzelnen Pflegefall konzentrieren. Künftig soll Anna auch bei der Nachtwache helfen, bettflüchtige Patienten etwa ansprechen und den Standort an den zuständigen Pfleger übermitteln. Der kann dann intervenieren und den Erkrankten schnell versorgen.

Wann der Pflegeroboter marktreif wird, kann Erzgräber noch nicht sicher sagen. „Im Idealfall kann Anna 2023 in den Verkauf gehen“, hofft der Software-Entwickler. Allein die Hardware wird dann mit etwa 30 000 Euro zu Buche schlagen. Trotz des hohen Preises ist eine große Nachfrage nach der künstlichen Pflegekraft zu erwarten. Derzeit leben allein in Sachsen rund 205 000 Pflegebedürftige. Bis zum Jahr 2030 wird deren Anteil voraussichtlich um weitere 20 Prozent steigen. Eine erschreckende Prognose für die Pflegebranche, die schon jetzt mit Fachkräftemangel kämpft.

Szenarien, in denen die Pflegearbeit künftig allein durch Roboter geleistet wird, erteilt Rainer Striebel aber eine klare Absage. „Die Vorstellung, dass im Bereich der Pflege die Vollautomatisierung gelingt, die fehlt mir im Moment“, beruhigt der Vorstand der AOK Plus Technikskeptiker. Dafür sei zwischenmenschliche Interaktion auch künftig zu wichtig.

Mit einem weiteren Problem sehen die Forscher sich außerdem konfrontiert: dem Datenschutz. Wenn Anna Constantia sich mit den Worten „Ich denke, ich kenne dich“ an ihr Gegenüber wendet, bewegt sie sich in einer rechtlichen Grauzone. Denn was Roboter über ihren Pflegefall wissen dürfen, darüber gibt es zum jetzigen Zeitpunkt noch keine gültigen Regelungen.