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Den Wolf zum Abschuss freigeben

Jäger und Schäfer fordern eine Quote für den Wolf. Damit allein ist es nicht getan, wie ein Forum mit Politikern zeigt.

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© SZ/Steffen Gerhardt

Von Steffen Gerhardt

Unzufriedenheit ist auf beiden Seiten zu spüren. Unzufriedenheit, wie mit dem Wolf in Deutschland umgegangen wird. Die eine Seite sind die vom Wolf betroffenen Jäger, Schäfer und weitere Halter von Nutztieren. Auf der anderen Seite die Politiker im Landkreis und im Freistaat. Zusammen trafen sie sich auf Einladung von Ministerpräsident Michael Kretschmer und im Beisein vom Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Michael Stübgen (beide CDU), in Kosel zu einem Gespräch mit den Bürgern. Die SZ fasst die wichtigsten Aussagen und Forderungen dieses Abends zusammen.

Wölfe genießen in Deutschland einen hohen Schutz. In anderen europäischen Ländern wie Frankreich oder Schweden ist ein kontrollierter Abschuss gestattet. Jäger und Tierhalter fordern das auch für Deutschland. Entscheiden muss das aber die Bundespolitik.
Wölfe genießen in Deutschland einen hohen Schutz. In anderen europäischen Ländern wie Frankreich oder Schweden ist ein kontrollierter Abschuss gestattet. Jäger und Tierhalter fordern das auch für Deutschland. Entscheiden muss das aber die Bundespolitik. © dpa

Landrat: Absolute Transparenz und Rechtssicherheit für die Entscheider

Landrat Bernd Lange, der zusammen mit seinem Bautzener Amtskollegen Michael Harig (beide CDU) gegen ein weiteres unkontrolliertes Ausbreiten des Wolfes in den Landkreisen ist, sieht an mehreren Stellen Handlungsbedarf. Auch wenn es der Rothenburger als seine Wünsche äußerte, für die Jäger und Schäfer im Saal sind das längst zu erfüllende Forderungen. Lange sprach von einer absoluten Transparenz zwischen den Jägern und Tierhaltern sowie den Behörden, die herzustellen ist. Zweitens müssen alle Zahlen auf den Tisch, die den Wolfsbestand betreffen. Offiziell wird von 700 Wölfen in Deutschland gesprochen. Lange sagt, dass es inzwischen über 1 000 sein dürften, die sich gen Westen verbreiten. Ihm geht es auch darum, dass die Entscheidungsträger Rechtssicherheit im Umgang mit dem Wolf bekommen. Lange ist als Landrat selbst betroffen. Nachdem er in Abstimmung mit dem sächsischen Umweltministerium einen Problemwolf zum Abschuss freigegeben hat, ist er mit Strafanzeigen von Tierschützern konfrontiert. Als Viertes ist da noch die Entschädigung betroffener Tierhalter. Hier wünscht sich Lange ein vereinfachtes Verfahren unter Beachtung örtlicher Gegebenheiten. Denn ein elektrischer Schutzzaun lässt sich nun mal nicht durch einen Bachlauf ziehen.

Schäfer: Entschädigungszahlungen fallen zu gering aus
Am eigenen Beispiel erläuterte Schäfer Martin Just aus Cunnewitz, wie sein Betrieb unter den wiederkehrenden Wolfsangriffen leidet. Der Erste war vor fast drei Jahren. Dem fielen 16 Schafe zum Opfer, sechs weitere Tiere wurden verletzt. Seitdem wird er immer wieder vom Rosenthaler Rudel heimgesucht, sagt er. Das Rudel macht nicht nur ihm Probleme. Inzwischen kommen 235 gerissene Tiere auf dessen Konto. Als „betriebswirtschaftlich nicht machbar“ bezeichnet er die Entschädigungszahlungen für die gerissenen Tiere. 150 Euro für ein Muttertier klingt zwar für den Außenstehenden viel. Aber mit dem Wegfall des Muttertieres gibt es auch keine Lämmer mehr von ihr.

Ihren eigenen Weg geht Tierhalterin Karola Tuschmor aus dem Landkreis Kamenz. Sie hat das Vertrauen in die Wolfsgutachter verloren. „Zu oft wurde mir schon gesagt, dass es sich um einen wilden Hund handelt, der meine Tiere angegriffen hat“, sagte sie. Deshalb hat sie über das Internet Kontakt zu einem eigenständigen Institut aufgenommen, das ihre Risse untersucht. Schließlich hängt vom Gutachten und ob es ein Wolf war, die Entschädigung ab. Inzwischen hilft sie mit ihrem Wissen auch anderen betroffenen Tierhaltern.

Jäger: Der Wolf verändert das Verhalten des Wildes
Die Jäger argumentieren, dass der Wolf nicht nur für beträchtliche Schäden am Wildbestand sorgt, sondern das Wild auch verunsichert. „Ich bin 27 Jahre Jäger“, sagt der ehemalige Molkereibesitzer Klaus Mayr aus Rothenburg. Er hat in dieser Zeit festgestellt, dass das Rehwild vor dem Wolf in immer größeren Rudeln Schutz sucht. Oft verdoppelt sich die Anzahl der Tiere. Bei den Schwarzkitteln ist das nicht anders. „Wenn hundert Wildschweine die Flucht durch ein Feld antreten, dann hat auch der Landwirt einen großen Schaden“, betonte Mayr.

Christian Berndt und Hans-Dietmar Dohrmann, beide ambitionierte Jäger, machen auf zwei weitere Probleme aufmerksam: Was ist mit den sogenannten Hybriden, also Wolfshunden? Rein äußerlich sind sie vom Wolf kaum zu unterscheiden. Fallen Sie mit unter den Schutzstatus des Wolfes oder können sie abgeschossen werden? Zudem gibt es unter den Wölfen auch Einzelgänger. Einer hat sich unlängst in Rothenburg herumgetrieben, berichtet Dohrmann. Ein weiterer ist in Lodenau gesichtet worden, als er am Tag den Schulweg der Kinder entlanglief. „Ist die Unversehrtheit des Bürgers nicht ein im Grundgesetz verankertes Recht?“, fragt der Vorsitzende des Jagdverbandes niederschlesische Oberlausitz. Aber der Wolf scheint noch darüber zu stehen. Wobei die Jäger auch klar sagen, ihnen geht es nicht um die Ausrottung dieser Tierart – so wie vor über 100 Jahren.

Ministerpräsident: Anzahl der Wölfe in einer Region soll begrenzt bleiben
An die Seite der Betroffenen stellt sich Michael Kretschmer. „Ich bin Ihr Verbündeter“, betont der Ministerpräsident. Er will, dass die Anzahl der Wölfe in einer Region begrenzt bleibt. Und: „Wir wollen, dass Tiere, die sich den Menschen nähern und Weidetiere angreifen, auch wirklich abgeschossen werden können.“ Kretschmer plädiert für eine schnelle Lösung, auch wenn jetzt die parlamentarische Sommerpause dazwischenkommt. Er nimmt die Bundesministerien für Umwelt und für Landwirtschaft in die Pflicht. In Staatssekretär Michael Stübgen hat er einen weiteren Verbündeten. Stübgen ist der Auffassung, dass aufgrund der starken Vermehrung der Wolf keine bedrohte Tierart mehr ist und deshalb nicht mehr unter strengem Schutz stehen muss. Dazu ist eine Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes notwendig. Dafür wollen sich beide Politiker in Dresden und Berlin stark machen. Nicht nur die Menschen, die am Dienstag zu dem Forum kamen, warten darauf.