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Der blaue Dunst hat sich verzogen

Seit zehn Jahren darf in Restaurants nicht mehr geraucht werden. Drei Görlitzer Wirte erzählen, wie es heute läuft.

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© Nikolai Schmidt

Von Susanne Sodan

Görlitz. Gerd Lehmann steht hinter der Bar und schenkt Guinnes aus. Im Kings Pub auf der Hospitalstraße ist das Bier ein Dauerklassiker. Seit 18 Jahren schon führt Lehmann den Pub: Acht Jahre mit Rauch um sich herum, zehn Jahre ohne. „Ich bin ganz froh, dass es so gekommen ist“, sagt er über das Nichtraucherschutzgesetz. Hätte er 18 Jahre seines Berufslebens jeden Arbeitstag mit Rauch verbracht, „dann wüsste ich nicht, in welchem Zustand ich jetzt hier hinter der Bar stehen würde.“

Vor rund zehn Jahren begannen die Bundesländer gesetzliche Rauchverbote auszusprechen, von denen auch Restaurants, Bars und Diskotheken betroffen waren. In Sachsen war das ab 1. Februar 2008 der Fall. „Es war damals auf jeden Fall ein großes Thema“, erinnert sich Gerd Lehmann. „Wie immer bei etwas Neuem, man ist erst mal skeptisch.“ Vor allem auch deshalb, weil viele Gastronome Umsatzeinbrüche befürchteten, wenn die Gäste nun drinnen nicht mehr rauchen dürfen. „Am Anfang war tatsächlich ein kleiner Knick, in den ersten Monaten. Aber das hat sich schnell beruhigt.“ Diskussionen an der Bar seien damals auch eher selten gewesen, „aber mancher Gast wollte eben zum Bier gerne eine rauchen.“ Das ist im Kings Pub sogar möglich, aber nicht an der Bar, sondern im Raucherraum. Gerd Lehmann hat damals im hinteren Bereich vom Kings Pub einen Raucherbereich eingerichtet. Der muss laut Gesetz vom Hauptraum einer Gastronomie abgetrennt, als Raucherraum gekennzeichnet sein und Minderjährige dürfen keinen Zutritt haben.

Gerd Lehmann hat damals für den Raucherraum eine Wand einziehen lassen, „Für uns war das baulich relativ einfach machbar“, sagt er. Wenn das Wetter passt, sitzt, wer rauchen möchte, aber meist lieber draußen. „Man hat in einem Raucherraum eben auch immer den Geruch“, erklärt Lehmann. Für die allermeisten Gäste sei es inzwischen normal, dass im Pub nicht geraucht werden darf, „gerade für junge Erwachsene. Sie sind ja quasi mit dem Nichtraucherschutzgesetz aufgewachsen.“

Es ist gut, wie es ist, fasst auch Salü-Inhaber Tobias Göhlich zusammen. Ohne Rauch ist das Geschmacksempfinden für Speisen und Spirituosen ein ganz anderes, ein besseres, erzählt er. Große Sorgen habe er damals nicht gehabt, als die Diskussionen um das Nichtraucherschutzgesetz begannen. „Ich glaube, die Angst lag eher bei den Gästen.“ Wie es im Salü war, als sie dort noch rauchen durften, kann er nicht sagen. Damals betrieb er die Görlitzer Altstadt-Kultkneipe noch nicht. „Mir hat ein Gast aber mal erzählt, dass man manchmal vom Eingang aus nicht erkennen konnte, welcher Mitarbeiter hinter der Theke stand“, erzählt Tobias Göhlich. Er arbeitete früher mehr in Diskotheken und für Großveranstaltungen, da war die Situation nicht anders. „Man hat bei der Arbeit den Rauch aber gar nicht so wahrgenommen. In den meisten Lokalitäten wurde geraucht, man hatte sich daran gewöhnt.“ Heute ist das anders. „Wenn ich heute in einen Raucherraum gehe, fangen mir die Augen an zu tränen.“ Das Salü hat keinen Raucherbereich, abgesehen vom Außenbereich auf der Schwarzen Straße. Das Klientel habe sich trotzdem nicht gewandelt, höchstens die Bestellungen: mehr zu Essen, mehr hochwertige Spirituosen als früher mit Rauch.

Ein ganz klarer Befürworter vom Nichtraucherschutzgesetz ist Heiko Hänsch von „Kaffee am Flüsterbogen“, also dem Flübo. „In einer Gastronomie bringt das Rauchen doch nichts außer Kosten“, sagt er. „Man braucht eine Lüftungsanlage, die noch dazu Platz wegnimmt, man muss regelmäßig renovieren.“ Bis vor zehn Jahren durfte man aber im Flübo noch rauchen, „es hatten eben auch alle anderen erlaubt. Aber nach meinem Geschmack hätte das Gesetz ruhig früher kommen können.“ Angst vor Einbußen habe er damals nicht gehabt. Hänsch winkt ab. „Ich kenne auch keinen anderen Gastronom, der ernsthaft dagegen war. Es ist für uns Wirte auch eine Frage der Gesundheit.“ Die Angst sei den Gastronomen eher von außen gemacht worden, seitens der Tabakindustrie, sagt Heiko Hänsch. Tatsächlich habe sein Café mit dem Rauchverbot bei einer Zielgruppe deutlich gewonnen: Familien mit Kindern.

Wie viele Gastronomiebetriebe seit 2008 in Sachsen geschlossen haben – und ob das Rauchverbot schuld war – lässt sich schwer ermitteln. Die Dehoga Sachsen als Berufsorganisation des Gastgewerbes führt dazu keine Statistik. Das Statistische Landesamt Sachsen hat ermittelt, dass es 2015 im Freistaat beispielsweise 2 146 Schankwirtschaften, Bars und sonstige „getränkegeprägte“ Gastronomie-Einrichtungen gab. Erfasst werden die Unternehmen, die Umsatzsteuer-Voranmeldungen beim Finanzamt abgegeben haben. Zehn Jahre zuvor waren es in der „Getränke-Sparte“ insgesamt 3 213 Einrichtungen, allerdings wurden die Betriebe damals in anderen Kategorien erfasst, was einen Vergleich erschwert. Auch über die Gründe für Schließungen können die reinen Zahlen keine Auskunft geben. Gerade für ländliche Gastronomien sei schon seit geraumer Zeit zum Beispiel auch der Nachwuchsmangel ein Problem, sagt Heiko Hänsch.Auf ein Wort