Von Ralph Schermann
Immer wieder taucht Neues von Günter Hain auf, jenem stadtbekannten Maler und Grafiker, der 1997 starb. 2009 zum Beispiel stieß Kunsthistoriker Kai Wenzel auf ein Aquarell mit Weinhübler Ansichten. Auf der Rückseite des Bildes fand er eine Notiz Günter Hains: „Ein auffallend schöner Tag heute, im November, lockte mich hinaus, und ich machte dieses Bild in Weinhübel in der Aue. Es ist gerade die Zeit, wo die drei amerikanischen Astronauten unterwegs zum Mond sind.“ Auch eine Möglichkeit, ein Bild zu datieren. Hier war es der 17. November 1969.
Nicht immer notierte Günter Hain eine Jahresangabe zu seiner Signatur. Er verstand ohnehin die meisten seiner Arbeiten als für den Tag gemacht. Kaum ein Zeitungsleser, der Hains Lieblingsmotiv nicht kennt: Mal lachende, mal grimmig dreinblickende Görlitzer Türme waren das Markenzeichen eines Grafikers, der über Jahrzehnte das künstlerische Leben in Görlitz mit bestimmte, dem Landskron-Echo und der Sächsischen Zeitung seine unverwechselbare Mitarbeit widmete, aber auch mit Aquarellen brillierte und die jüngere Generation mit Comics erfreute: Günter Hain wäre am Donnerstag hundert Jahre alt geworden. Dass er noch immer bekannt ist, liegt nicht nur daran, wie er Türmen gemütliche Züge einhauchte, sondern weil er ein liebenswerter, bescheidener und immer freundlicher Mitbürger war. Seine Künstlerkollegen bewunderten ihn ob der Fähigkeit, selbstkritisch, zäh und zugleich bis ins Detail aufmerksam zu beobachten.
Maler Sylvester Schrammek entdeckte ihn in einem Abendkurs. Maler Otto Engelhardt-Kyffhäuser ermöglichte ihm eine Ausbildung. Hain widmete sich von Anfang an der Porträt- und Landschaftsmalerei, bereicherte aber schon Mitte der 1930er Jahre Görlitzer Zeitungen mit Pressekarikaturen. Um den Krieg kam er nicht herum, wurde zu Reichsarbeitsdienst und Wehrmacht eingezogen und kam 1946 wieder nach Hause auf die Gobbinstraße, wo er bis zu seinem Tode wohnte. Die „Lausitzer Rundschau“ nannte ihn da noch „ein junges Talent“, pries aber bereits „die Stärke und innere Veranlagung zu Illustrationen“ des damals 30-Jährigen, den es bald als freischaffenden Maler und Grafiker hinauszog in die Betriebe der Stadt. Er begleitete wie kein anderer Zeichner das Arbeitsleben ebenso wie zahlreiche Aktionen der Bürger im Nationalen Aufbauwerk. Kein Wunder, dass große Verlage aufmerksam wurden. Hain realisierte Buchillustrationen, porträtierte Prominenz, unternahm Auslandsstudien, arbeitete für die Auslandsillustrierte „Zeit im Bild“ – und blieb Görlitz treu. Davon kündeten in den Nachkriegsjahren im Reichenbacher Turm Wandbilder, später leider vernichtet. Es folgten Zeichnungen für den „Görlitzer Kulturspiegel“. Hain wurde 1979 mit dem Kunstpreis der Stadt geehrt, und über seinen Beinamen „Chronist mit dem Zeichenstift“ freute er sich.
Im „Lexikon der Karikaturisten, Presse- und Comiczeichner der DDR“ erfuhr Günter Hain eine späte Würdigung seines Gesamtwerkes auf dem Gebiet der Bildgeschichte. Fünf Seiten sind seinem Schaffen in diesem Kompendium gewidmet. Zu Recht, schuf er doch im Lauf seines künstlerischen Lebens 147 Bildserien, meist für Publikationen wie „Frösi“ und „Atze“. Da allein diese beiden Drucksachen monatlich knapp eine Million Auflage erreichten, gilt Günter Hain als einer der meistgedruckten Comiczeichner der DDR.
Der Zirkel Görlitzer Heimatforscher machte anlässlich einer Sonderausstellung eine andere Facette des Künstlers Hain öffentlich – plastische Masken. „Das wollten wir erst nicht glauben, bis sie dann vor uns lagen“, erinnert sich Zirkelleiter Claus Bernhard. In den 1960er Jahren hatte Günter Hain ein weltweites Spektrum abgebildet. „Indianische, afrikanische, koreanische, indonesische Masken: Es ist alles vertreten“, schwärmt Bernhard. Auch Hains Enkel bestätigen, dass solche Masken im Wohnzimmer des Künstlers hingen. Und noch ein Hobby pflegte der Maler: Er filmte. So dokumentierte auch er die 900-Jahr-Feier der Stadt Görlitz per Schmalfilm. Viele Zeichnungen, Aquarelle und Skizzen sowie 25 seiner Filme schenkte Frau Hain dem Kulturhistorischen Museum. Das Museum und die Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften pflegen und bewahren sein Werk in ihren Sammlungen. Auf dem Görlitzer Friedhof erinnert eine Grabstelle an den großen Görlitzer, und der Grabstein ist so, wie Günter Hain immer sein wollte und blieb: schlicht und bescheiden.