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Der Drache von Neustadt

SZ-Adventskalender, Türchen 18 : Sagen aus der Sächsischen Schweiz – Wie ein schauriger Feuerschweif die Stadt in Brand gesteckt haben soll.

Von Christian Eißner
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Marie (6) aus Pirna-Jessen als Drache von Neustadt.
Marie (6) aus Pirna-Jessen als Drache von Neustadt. © Marko Förster

Am 20. November im Jahr 1674 hat eine große Feuersbrunst die Stadt Neustadt in Schutt und Asche gelegt. Es brannten 64 Wohnhäuser nieder, das Rat- und Gewandhaus, das Brauhaus und zwei Malzhäuser, das Badertor mit dem Turm sowie Scheunen, Schuppen und Ställe.

Als das Feuer gelöscht war, mussten die Neustädter Bürger zum Verhör antreten, denn man wollte wohl wissen, in welchem Haus der große Brand entstanden und wer daran Schuld war. Der Feuerdrache ist umgegangen, erzählten die braven Neustädter. Denn sie hatten am Himmel einen feurigen Streifen dahinziehen sehen, der in der Feueresse eines Hauses verschwand. Nach kurzer Zeit stieg dieser Feuerstreifen wieder hervor, um im Schornstein eines anderen Hauses zu verschwinden und auch dieses in Brand zu setzen.

Aus welchem Haus war der Feuerdrache denn gekommen? Aus dem Haus vom Bäcker, sagten die Neustädter, denn der besäße schon lange einen Drachen. Das Haus des Bäckers war ihnen schon immer etwas unheimlich gewesen, aber gesehen hatte den Drachen zuvor noch niemand. Einmal jedoch hatte einer den Bäckermeister mit einer Schüssel Semmelmilch in der Backstube bei der Esse beobachtet, und jeder weiß doch, dass mit Semmelmilch Drachen gefüttert werden, um sie zu besänftigen. „Komm herunter, komm herunter“, habe der Bäcker den Drachen gerufen, aber der Drache habe nur geantwortet: „Ich kann nicht, einer guckt.“ Und da ist der Zuschauer schnell weggelaufen.

Einen Drachen hat man im Haus des Bäckers nie gefunden, und wer weiß, vielleicht hatten sich die Nachbarn die Geschichte nur ausgedacht, weil sie gern einen Schuldigen für das große Feuer finden wollten. Aber vielleicht hatten die ängstlichen Neustädter doch recht. Denn dem Bäcker erging es wie allen anderen, die Drachen in ihrem Haus beherbergen: Er konnte, als er schon uralt war, nicht sterben – bis man ihm eine Handvoll Mist unter das Kopfkissen legte. Erst da ging es mit ihm zu Ende.

Gelesen werden die Sagen täglich, 17 Uhr, auf dem Pirnaer Canalettomarkt vom Weihnachtsmann, auch das Kalenderkind ist dann mit auf der Bühne.