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Der Dribbelkönig ist tot

Günter Schröter schoss Tore für Dynamos erste Meisterelf. Doch dann musste er nach Berlin.

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© Privatarchiv

Von Sven Geisler

Mit seiner Trefferquote würde er heute Millionen verdienen. In 39 Länderspielen für die DDR erzielte Günter Schröter 13 Tore, in der Oberliga war er für die Dynamos aus Dresden und Berlin in 321 Partien 142-mal erfolgreich. Herausragend: Bei einem 5:0 gegen Lok Leipzig schoss er 1959 alle fünf Tore, die letzten vier innerhalb von neun Minuten. Er war einer der besten Stürmer seiner Zeit, 1989 wurde er in die DDR-Super-Elf gewählt – 26 Jahre nach dem Ende seiner Karriere.

Die hatte er als Steppke auf den Straßen in Brandenburg begonnen. „Ich war der Kleinste, also musste ich mich beweisen“, erinnerte sich Schröter. „Ich habe mir einfach den Ball geschnappt und alle ausgetrickst. Fortan sagten sie: Lasst den ,Moppel‘ ruhig mitspielen – der ist gut!“ Den Spitznamen behielt er bis zu seinem Tod.

Wie seine Tochter Marlis und Sohn Wolfgang jetzt mitteilten, ist Günter Schröter am 10. Februar im Alter von 88 Jahren in einem Berliner Krankenhaus gestorben. Er war seinerzeit einer, den die Fans heute „Fußballgott“ rufen würden, ein Publikumsliebling. Bodenständig, gesellig, volksnah. Im Sommer 1950 gehörte er zu den jungen Fußballern, die aus der ganzen Republik geholt wurden, um in Dresden eine neue Mannschaft aufzustellen. Das Team der SG Friedrichstadt um den späteren Bundestrainer Helmut Schön war nahezu vollzählig in den Westen gegangen, die neu gegründete SG Volkspolizei sollte die Lücke schließen. „Wenn wir den Leuten in Uniform begegneten, gingen sie auf Distanz“, sagte Schröter. „Aber wir haben sie mit unserer Spielweise für uns begeistert.“

Gleich in der ersten Saison 1950/51 belegte die VP-Elf in der Oberliga Platz vier, und Schröter wurde mit 32 Treffern zweitbester Torschütze hinter dem Babelsberger Johannes Schöne (38). Nach Vizemeisterschaft und Pokalsieg gelang 1953 das Meisterstück. Kurz zuvor war die Sportgemeinschaft Dynamo gegründet und der Verein umbenannt worden. „Nach dem Titelgewinn konntest du gar nicht mehr in die Kneipe gehen. So viel, wie die Leute ausgeben wollten, hätte keiner vertragen“, erinnerte sich Schröter.

Doch nur ein gutes Jahr später, im November 1954, wurde die Meisterelf nach Berlin abkommandiert – als Spitzenreiter mitten in der Saison. Plötzlich stand in der Tabelle hinter Dynamo nicht mehr Dresden, sondern Berlin. Die DDR-Führung wollte in der geteilten Stadt einen Gegenpol schaffen zum West-Klub Hertha BSC. „Natürlich haben wir uns anfangs mächtig aufgeregt, aber: Wir waren Polizisten, uns blieb nur die Wahl, mitzugehen oder aufzuhören“, sagte Schröter.

Mit seinen Fähigkeiten hätte sich der 1,68 Meter kleine Dribbelkönig sicher auch im Westen behauptet, aber zu einem Einsatz in einer gesamtdeutschen Olympiaauswahl kam es nicht. Die wollte der legendäre Weltmeister-Trainer Sepp Herberger für die Spiele 1960 in Rom zusammenstellen. „Er sagte: Ihr seid alleine zu schwach, wir aber auch“, erzählte Schröter. Doch die Funktionäre im Osten durchkreuzten das Vorhaben, bestanden auf Ausscheidungsspielen. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit erzielte Schröter den einzigen Treffer für die DDR, die zweimal verlor (0:2, 1:2). Die BRD scheiterte später an Polen, es spielte kein deutsches Team in Rom.

Schröter hat weder darüber geklagt, welche Möglichkeiten ihm verbaut worden waren, noch war er neidisch auf die Großverdiener der Neuzeit. In Rage reden konnte er sich allerdings darüber, dass sich Profis nach kleinsten Berührungen auf dem Boden wälzen oder Gelbe Karten für den Gegenspieler fordern. „Eine Unsitte!“

Fußball – das war für ihn ein fairer Sport, getrickst wurde nur mit dem Ball.