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Der Engel ist da

In einer spektakulären Transportaktion ist am Mittwoch Radebeuls berühmteste Skulptur wieder aufgestellt worden.

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© Norbert Millauer

Von Peter Redlich

Radebeul. Die Aktion dauert fast drei Stunden. Und am Ende fließt sogar Blut. Doch vom Anfang.

Es ging doch – schwieriger Transportweg auf den schmalen Wegen am Karl-May-Museum.
Es ging doch – schwieriger Transportweg auf den schmalen Wegen am Karl-May-Museum. © Norbert Millauer
Es schwebt ein Engel – im Garten vom Museum musste die Skulptur mit vielen Sicherungen an den Kranhaken.
Es schwebt ein Engel – im Garten vom Museum musste die Skulptur mit vielen Sicherungen an den Kranhaken. © Norbert Millauer
Es ist Millimeterarbeit – die komplizierteste Aktion war das Abstellen der 15,5 Tonnen schweren Figur.
Es ist Millimeterarbeit – die komplizierteste Aktion war das Abstellen der 15,5 Tonnen schweren Figur. © Norbert Millauer

Bis in die 1970er-Jahre kannte jeder Radebeuler den Friedensengel im Garten des Karl-May-Museums. 1918, kurz vor Ende des Ersten Weltkriegs und mit der Sehnsucht nach Frieden, beauftragte Mays Witwe Klara den Bildhauer Professor Paul Peterich (1864-1937) mit der Gestaltung des Brunnenengels. Es war die Erinnerung an Karl Mays (1842-1912) Spätwerk „Ardistan und Dschinnistan“ und „Friede auf Erden“, pazifistisch und mystisch, in welchen sich der Schriftsteller um den Frieden in der Welt und Europa bemühte.

Doch 1974 verschwand der Engel urplötzlich. Gerüchte gingen um, die Obrigkeit hätte die 2,70 Meter hohe Figur in einer Nacht-und-Nebel-Aktion zerschlagen und abtransportieren lassen, weil Karl May nicht ins Politikbild passte.

In Wirklichkeit war es wohl anders. Werner Schul, Vorsitzender der Karl-May-Stiftung: „Wahrscheinlich war der Engel beschädigt und eine Gefahr für die Kinder des Kindergartens, der damals in der Villa Shatterhand angesiedelt war.“ Seitdem sprudelt der Brunnensockel zwar noch, aber ohne Figur darüber.

Jetzt feiert der Engel Auferstehung. Aus frisch behauenem Postaer Sandstein hat ihn Bildhauer Marcus Faust in den letzten Monaten geformt. Elf Tonnen wog der Steinblock, jetzt sind es noch 1,5 Tonnen. Schwer genug, um die besondere Statue behutsam aus der Bildhauerwerkstatt von Sebastian Hempel in Dresden-Tolkewitz nach Radebeul zu transportieren.

Zehn Uhr war es am Mittwoch soweit: Der Engel konnte vom Lastwagen gehoben werden. Zentimeterarbeit mit alten Teppichstücken, Holzbrettchen zwischen Gurten als Polster und ganz viel Gefühl an der Gabelstaplerhebel, die Sven Ulke bediente. Fast eine Stunde brauchten die Männer, um den zarten Koloss aus dem Tragegestell so auf die Straße zu bekommen, dass die Gablergreifer unter den Boden der Figur greifen konnten.

Das Filigrane am Engel sind besonders die fein ausgearbeiteten Flügel. Die Schale, die er in den Händen trägt und eine große Feder schmücken ihn. Dort kann kein Kran oder Stapler ansetzen. 70 000 Euro hat das Wiederherstellen des Friedensengels nach Fotovorlagen gekostet. Geld, welches in der Karl-May-Stiftung gesammelt wurde. Da darf jetzt nichts mehr passieren.

Sicher und von den Bildhauern gestützt rollt die Figur von der Gabel angehoben an der Villa Shatterhand vorbei auf den schmalen Gartenwegen bis neben den Brunnen. Das komplizierteste Stück Arbeit kommt noch – vom Weg auf den Sockel heben und sicher verankern.

Eine Raupe auf Ketten und mit Kran obendrauf rollt heran. Stützen fahren aus. Der Engel bekommt Bänder unter den Boden und Kopftücher ums Haupt. Es ist inzwischen 12.15 Uhr. Der Engel schwebt. Bildhauer Marcus Faust hat Löcher in den vorhandenen Sockel gebohrt. Genau da hinein müssen die Zapfen, die aus dem Boden der Skulptur ragen.

Auch das gelingt. Holzbrettchen in unterschiedlichen Stärken sägen die Männer zurecht. Millimetergenau soll der Engel mit seinem Fuß auf den Sockel passen. Stein und Holz einpassen und etwas nachschieben mit dem Stemmeisen, dabei eine kleine Quetschung am Finger vom Bildhauer und ein Tropfen Blut im Sandstein. Doch der Friedensengel steht, sicher.

Die Ankerlöcher sind mit Epoxidharz ausgegossen. Zwischen Engelfuß und altem Sockel ist eine Beschichtung, die das Aufsteigen von Nässe verhindern soll. Und in den nächsten Tagen wird Marcus Faust auch noch den alten Sockel so bearbeiten, dass der Sandstein in seiner ursprünglichen Färbung wieder hervortritt.

Der eigentliche große Moment für den Friedensengel soll aber der 1. Dezember sein. Die feierliche Enthüllung anlässlich der Feier zum 90. Geburtstag des Karl-May-Museums. Dann soll es auch 70 Zentimeter große Nachahmungen des Engels geben – gedacht für Sponsoren des Museums. Preis 2 000 Euro. Und der Blutstropfen am richtigen Engel soll bis dahin auch wieder beseitigt sein.